Express-Lieferdienst:Gorillas steht vor dem Verkauf

Lesezeit: 2 min

Der Express-Lieferdienst Gorillas könnte verkauft werden. (Foto: Monika Skolimowska/dpa)

Der türkische Wettbewerber Getir will das Start-up offenbar übernehmen. Die Branche befindet sich gerade im Umbruch. Und die Frage ist, wer am Ende übrig bleibt.

Von Michael Kläsgen, München

Das Gerücht hält sich seit Wochen: Gorillas stehe kurz vor dem Verkauf. Ende des Monats gehe dem Schnell-Lieferdienst das Geld aus. Gorillas dementierte stets eifrig. Am Montag nun meldet die Nachrichtenagentur Bloomberg, dass der türkische Wettbewerber Getir das Berliner Start-up kaufen will. Finale Entscheidungen seien noch nicht gefallen und es bestehe durchaus auch die Möglichkeit, dass letztlich keine Transaktion zustande komme. Wobei sich Getir und Gorillas dazu nicht äußern wollten.

Fest steht aber, dass Gorillas nach Investoren Ausschau hielt und wie alle anderen Schnell-Lieferanten von Anfang an viel Geld verbrannte. Das galt so lange nicht als großes Problem, solange die Dienste mit ihren Angeboten diverse Großstädte in der gesamten Welt überfluteten. Doch mit dem Ende der Lockdowns und der Rückkehr der Menschen in die Büros ging auch der Höhenflug derjenigen zu Ende, die damit werben, Lebensmittel binnen zehn Minuten an die Haustür liefern. Auch um Gorillas ist es merklich stiller geworden.

Das Start-up war erst 2020 auf den Markt gegangen, hatte vor einem Jahr 860 Millionen Euro eingesammelt und war auf dieser Grundlage mit drei Milliarden Dollar bewertet worden. Größter Geldgeber war seitdem die Lieferplattform Delivery Hero und weitere Investoren der Technologiekonzern Tencent aus China, die US-Investmentgesellschaft Coatue und die in Peking ansässige Beteiligungsgesellschaft DST Global. Doch seit dem Deal fiel es Gorillas schwer, sich weiteres Geld zu besorgen. Im Februar dieses Jahres hatte Gorillas-Gründer Kagan Sümer Bloomberg noch mitgeteilt, er plane, in diesem Jahr neue Finanzierungen in Höhe von 700 Millionen Dollar oder mehr aufzunehmen. Zudem wollte er das Geschäft rentabler machen. Doch aus beidem wurde nichts.

Stattdessen prüfte Gorillas Finanzierungsmöglichkeiten für einen Verkauf. Auch eine Fusion mit Konkurrenten wie Jokr und Gopuff sei erwogen worden, hieß es. Hintergrund waren die enormen Verluste von monatlich bis zu 80 Millionen Dollar.

Das Start-up reagierte darauf, indem es Mitarbeiter entließ, sich aus Ländern zurückzog und an der Kostenstruktur feilte. So hob Gorillas an manchen Standorten die Liefergebühren an. Überdurchschnittlich große Warenkörbe fuhren die Fahrer in den Test-Städten im Gegenzug gratis aus. Mitunter warben einzelne Fahrer geradezu verzweifelt darum, dass die Kunden für mehr als 25 Euro einkauften. So hoch liegt der Betrag für einen durchschnittlichen Warenkorb - zu wenig, um damit die Kosten für die Fahrer abzudecken.

Dazu passte, was der Spiegel berichtete: Gorillas plane eine Art Zweiklassensystem für seine Fahrer. Dabei sollten schnelle Fahrer, die innerhalb ihrer Schicht vergleichsweise viele Bestellungen ausliefern, sich ihre Einsatzzeiten künftig zuerst auswählen dürfen.

Mit dem Satz: "Wir haben gerade eine Phase der maximalen Unsicherheit", ließ sich Gorillas-Manager Adrian Frenzel zitieren. "Über die Zeit wird sich das auf ein 'New Normal' einpendeln." Das New Normal könnte der Zustand sein, wenn der eine Schnell-Lieferdienst den anderen übernommen hat und nur noch wenige Anbieter übrig sind - so wie es sich jetzt abzeichnet. Gorillas' neue Devise ist es seither, nicht mehr wie wild in alle möglichen Länder zu expandieren. Der Fokus liegt nun auf fünf Märkten: Deutschland, Frankreich, Großbritannien, die USA und die Niederlande. Wobei sich Gorillas auch in den einzelnen Ländern aus verschiedenen Städten wieder verabschiedete.

Die Branche ist also mitten in einer Konsolidierungsphase. Die Frage ist, wer am Ende übrig bleibt. Mit der Übernahme von Gorillas würde Getir zum großen Quick-Commerce-Anbieter in Deutschland und Großbritannien werden. Ende 2021 hatte Getir bereits das britische Start-up Weezy gekauft. Getir sammelte im März dieses Jahres fast 800 Millionen Dollar ein. Damit war das 2015 gegründete Unternehmen, das Sümer bei seiner Gründung als Vorbild galt, mit 11,8 Milliarden Dollar bewertet - ein Vielfaches mehr als Gorillas.

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