Europäischer Gerichtshof:Ein Urteil reicht

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Wie ein ehemaliger Siemens-Manager um seine Reisefreiheit kämpft.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Der einstige Siemens-Manager war mit einem blauen Auge davon gekommen. Vor mehr als anderthalb Jahrzehnten war er an der Bewerbung um einen Großauftrag aus Argentinien zur Herstellung fälschungssicherer Pässe beteiligt, bei dem - so sah es die Staatsanwaltschaft München I - Schmiergeld geflossen sein soll. Es wurde ermittelt, aber 2009 wurden die Ermittlungen gegen Geldauflage eingestellt, was nach deutschem Recht bedeutet: Das Verfahren ist rechtskräftig abgeschlossen.

Die US-Behörden hielt dies freilich nicht davon ab, weiter nach dem Mann zu fahnden. Mit einer sogenannten "Red Notice" wurde er über Interpol zur Fahndung ausgeschrieben - womit dem deutschen Staatsbürger, sollte er Deutschland verlassen, die Festnahme drohte. Mit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden versuchte er, seine Reisefreiheit zurückzugewinnen. Vor einem Jahr wurde die "Red Notice" zwar gelöscht. Aber weil man eine Fahndung auch wieder aufleben lassen kann, betrieb er das Verfahren weiter.

Inzwischen beschäftigt der Fall den Europäischen Gerichtshof (EuGH), und an diesem Donnerstag hat Generalanwalt Michal Bobeck seinen Entscheidungsvorschlag vorgelegt. Danach würde es gegen das auch im europäischen Recht verankerte "Verbot der Doppelbestrafung" verstoßen, wenn ein EU-Staat den Mann an die USA ausliefern würde. Nach dem Gutachten ist nicht nur eine zweite gerichtliche Verurteilung wegen desselben Delikts untersagt, sondern bereits eine bloße Festnahme, und sei sie nur vorübergehend. Wer ein rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren hinter sich hat, der darf demnach nicht mit der ständigen Drohung einer neuerlichen Festnahme daran gehindert werden, das zu tun, was ihm europäische Grundrechte garantieren - zum Beispiel ungehindert durch Europa zu reisen.

Ob der Ex-Manager damit wieder ohne Risiko zu seinem Haus in Portugal fahren kann, wo er nach den Worten seines Anwalts gern Golf spielen würde? Nach den Ausführungen des Generalanwalts bleibt hier ein gewisser Unsicherheitsfaktor. Zunächst müsse rechtskräftig festgestellt werden, dass die US-Fahndung wirklich exakt denselben Fall betreffe wie die Einstellungsverfügung von 2009. Hier hingegen lag bisher nur eine unverbindliche Stellungnahme des Bundeskriminalamts vor. Das Urteil des EuGH folgt in einigen Wochen.

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