Europäische Zentralbank:Der Taktierer aus Italien

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Italiens Notenbankchef Draghi bangt um die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank - obwohl er selbst Mitglied des Rates ist. Eine scharfe Aussage und zugleich auch Ausdruck eines wichtigen Personalpokers.

Der Euro steckt in der Krise, die Europäische Zentralbank (EZB) zählt entsprechend zu den wichtigsten und einflussreichsten Institutionen dieser Tage. Doch längst läuft in der EZB nicht nur eine inhaltliche Debatte über die Frage, wie sie in diesen schwierigen Zeiten agieren soll - zugleich geht es auch noch ums künftige Spitzenpersonal der Frankfurter Währungsbehörde.

Der Euso steckt in der Krise und beschert der Europäischen zentralbank gleich zwei Debatten. (Foto: dapd)

Dieser Aspekt sollte also immer bedacht werden, wenn sich Europas fiskalpolitische Elite zu Wort meldet - wie nun zum Beispiel Mario Draghi in der britischen Financial Times. Draghi ist Italiens Notenbankchef, Mitglied des Rates der EZB und neben Bundesbankpräsident Axel Weber der aussichtsreichste Anwärter auf den Posten des EZB-Präsidenten - wenn der jetzige Amtsinhaber Jean-Claude Trichet aufhört.

Wegen der Staatsanleihenkäufe der Europäischen Zentralbank (EZB), so erklärte Draghi, fürchte er um deren Unabhängigkeit und Reputation. Die Käufe müssten streng kontrolliert werden. Anderenfalls liefen die Währungshüter Gefahr, "alles zu verlieren, was wir haben, nämlich die Unabhängigkeit", sagte Draghi. Käufe in großem Umfang könnten die Freiheit der EZB bedrohen, ohne politische Einmischung zu agieren, und zudem die europäischen Regeln verletzen. Es sei ihm bewusst, dass "wir gegen die EU-Verträge verstoßen" könnten. Den Euro sieht Draghi aber nicht in Gefahr.

Die EZB kauft seit Mai Staatsanleihen finanzschwacher Euro-Länder und flankiert damit den milliardenschweren Rettungsschirm von EU und Internationalem Währungsfonds (IWF). Zuletzt hatten die innerhalb der Notenbank umstrittenen Käufe wieder angezogen.

Zugleich geht die Diskussion zwischen Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker und den deutsch-französischen Regierungsspitzen um gemeinsame Anleihen weiter. "Ich bin überzeugt, dass die Euroanleihen ein Instrument sein könnten und eines Tages auch sein werden, um irrationale Bewegungen auf den Kapitalmärkten, die sich gegen einzelne Länder der Eurozone und gegen die Eurozone insgesamt richten, abzubremsen", sagte Juncker im ZDF. Er betonte, er nehme die Bedenken von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gegen Eurobonds sehr ernst - gleichwohl verteidigte er seinen Vorschlag, gegen die Kritik.

Unterdessen forderte Juncker einem Medienbericht zufolge die Regierungen der Eurozone auf, bis zum nächsten Finanzministertreffen im Januar Kandidaten für die Nachfolge von EZB-Direktoriumsmitglied Gertrude Tumpel-Gugerell zu benennen. Deutschland strebe dabei eine Paketlösung an und möchte gleich auch über die Trichet-Nachfolge entscheiden, berichtet die Financial Times Deutschland. "Es wäre klug, ein Paket zu schnüren", zitierte die Zeitung nicht genannte Quellen. Damit sei der große Personalpoker um die wichtigsten finanzpolitischen Posten in der EU eröffnet.

Entscheidung im März

Tumpel-Gugerells Amtszeit läuft Ende Mai 2011 aus. Über ihre Nachfolge müssen die Staats- und Regierungschefs der EU bei einem Gipfel am 24. und 25. März entscheiden. Nach der bisherigen Logik der Postenvergabe müsste der Sitz an ein kleineres "nördliches" Land gehen, also an eine Person, der eine eher harte geldpolitische Linie zugeschrieben wird. Eine Paketlösung könnte die Interessen der kleineren und größeren Staaten, der "harten" und "weichen" Länder besser ausgleichen.

Es könnte um bis zu vier Posten gehen: Wenn wie von der Bundesregierung gewünscht ein Deutscher EZB-Chef wird, müsste der deutsche Chefvolkswirt Jürgen Stark seinen Posten im sechsköpfigen Direktorium räumen, außerdem läuft Ende des Jahres die Amtszeit von Philippe Maystadt aus, des belgischen Präsidenten der Europäischen Investitionsbank (EIB).

© sueddeutsche.de/dpa/Reuters/aum - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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