Escada nach der Rettung:Hurra, wir leben noch

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Die Insolvenz ist überstanden, jetzt darf wieder Champagner getrunken werden. Doch bei der ersten Modenschau von Escada seit der Rettung ist nicht die Kollektion der Star - sondern die neue Eigentümerin.

Tobias Dorfer

Die Auferstehung des Modehauses Escada wird in einem Industriegebiet im Münchener Osten gefeiert. In einem weißen Quader-Bau, der zwischen einer Ansammlung anonymer Bürohäuser neben einem holprigen Schotterparkplatz liegt.

Escada inszeniert sich neu: Bei der Modenschau Herbst/Winter 2010 versprühen die Models mit jedem Schritt das neue Selbstbewusstsein des Modehauses. (Foto: Foto: Alessandra Schellnegger)

Innen ist das Bild weniger trist. Champagner fließt, Rotwein wird gereicht, dazu Garnelen, hauchdünn geschnittene Rote Bete und andere Häppchen. Annette Weber, die Chefredakteurin der Zeitschrift Instyle, ist gekommen, Katrin Riebartsch von Madame soll da sein, Philipp Lahm steht mit seiner Freundin in der Ecke. Es wird geküsst, getuschelt, gelacht - und das einzige, das negative Gefühle wecken könnte, ist der himmelblaue Schriftzug der krisengeplagten BayernLB, der von der anderen Straßenseite herüberstrahlt.

Escada feiert die neue Kollektion mit einer Modenschau, der ersten, seitdem die als Heilsbringerin verehrte Investorin Megha Mittal das Unternehmen aus der Insolvenz herausgekauft hat.

"Wir sind wieder wer"

Jetzt darf wieder gefeiert werden, die Szene erscheint zum Stelldichein - auch wenn die Inszenierung der neuen Kollektion am Unternehmenssitz ein wenig den Geist vornehmer Zurückhaltung versprüht, so ist doch das neue Selbstbewusstsein von Escada zu spüren. Das "Wir-sind-wieder-wer".

Noch vor wenigen Monaten sah das anders aus. Im August 2009 befand sich das stolze Modeunternehmen nach häufigen Eigentümerwechseln tief in den roten Zahlen und in einer schier ausweglosen Lage. Auch der im Juni 2008 geholte ehemalige Hugo-Boss-Chef Bruno Sälzer konnte das Ruder nicht mehr herumreißen. Was blieb, war der Gang zum Insolvenzrichter.

Die Rettung kam überraschend schnell und sie kam aus Indien. Für geschätzte 60 Millionen Euro wurde Megha Mittal, die Schwiegertochter des Stahl-Patrons Lakshmi Mittal, Eigentümerin der neuen Escada GmbH; die alte Aktiengesellschaft wickelt Insolvenzverwalter Christian Gerloff derzeit ab. Als sich Mittal in der Aschheimer Zentrale vorstellte, hieß es, den Mitarbeitern hätten die Tränen in den Augen gestanden. Erinnerungen an die 1992 verstorbene Firmen-Mitbegründerin Margaretha Ley wurden wach.

An diesem Abend scheinen sich die unrühmlichen letzten Monate endgültig im süßen Parfümduft aufgelöst zu haben - Escada inszeniert sich neu.

Die Heilsbringerin: Megha Mittal. (Foto: Foto: Alessandra Schellnegger)

Mit starrem Blick laufen die Models über den Laufsteg, die Kameras der Fotografen fangen ihre Unnahbarkeit ein. Auf dem Catwalk dominiert Schwarz, kombiniert mit Violett, Grün oder Rot. Und die Goldknöpfe, jahrelang das Markenzeichen der Kollektionen, scheinen der Frischzellenkur zum Opfer gefallen zu sein. Entweder sind sie hinter glitzernden Ketten versteckt, oder sie fehlen ganz.

Die Farben sind frisch, die Schnitte frecher, auf dem blankgewienerten Laufsteg spiegeln sich die Gesichter der Ehrengäste im Blitzlicht, die Menge klatscht - und es spielt nur eine untergeordnete Rolle, dass der Ort des Geschehens nicht Berlin oder New York ist, sondern Aschheim.

Megha Mittal im Mittelpunkt

Der Star des Abends ist jedoch nicht Fußballer Lahm oder Verleger Florian Langenscheidt, der Star heißt Megha Mittal. Doch die neue Eigentümerin ist nicht gekommen, um sich nett lächelnd ablichten zu lassen. Sie verkörpert die neue Parole: Wir leben noch. Escada hat eine Zukunft. Und Megha Mittal wird nicht müde, genau das zu betonen.

Sie kenne die Mode schon lange, sagt die ehemalige Bankerin von Goldman Sachs. Ihr Faible für Design und Mode habe sie dazu gebracht, bei Escada einzusteigen. Dann preist sie schnell die neue Kollektion und zieht weiter.

Die Botschaft trägt sich wie ein Mantra durch den Abend. Nie habe sie daran gezweifelt, dass der Modekonzern gerettet werden würde, sagt Instyle-Chefredakteurin Weber. Und überhaupt, wie sähe die deutsche Modeszene ohne Escada aus? Die Kollektionen hätten unvergleichlichen Charme. Da müssten die jungen Edelschneider aus Berlin erst einmal zeigen, dass sie in der Lage sind, so nachhaltig Erfolg zu haben.

Cooler Glamour

Doch mit dem nachhaltigen Erfolg hat es zuletzt auch bei Escada ziemlich gehapert. Jetzt soll alles besser werden. Konzernchef Bruno Sälzer möchte die Marke nicht mehr im teuersten Preissegment platzieren. So sollen neue Käuferschichten gewonnen werden, weswegen der ehemalige Hugo-Boss-Chef auch die Eröffnung neuer Boutiquen forciert. Auch die Kollektionen sollen moderner werden. Von Glamour mit "cooler Ausprägung" hat Sälzer zuletzt gesprochen.

Wie dieser Glamour aussehen soll, zeigt sich zu Beginn des Abends. Die Musik ist laut und die Bässe hämmern, als die Models die junge Linie "Escada Sport" präsentieren. Im Stakkato laufen sie über den Catwalk, aufrecht im Gang, jeder Schritt versprüht Selbstbewusstsein. Da ist sie wieder, die neue Zuversicht bei Escada.

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