Ermittlungsverfahren in Nürnberg:Siemens soll Betriebsräte gekauft haben

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Wiederholt sich bei Siemens, was bei VW geschehen ist? Fahnder prüfen nach Informationen der SZ, ob sich der Konzern mit Millionenzahlungen das Wohlwollen eines Arbeitnehmerverbands gesichert hat.

Klaus Ott und Uwe Ritzer

Die Siemens AG steht im Verdacht, mehrere Millionen Euro an eine Betriebsräte-Organisation gezahlt zu haben, um sich deren Wohlwollen zu verschaffen.

(Foto: Foto: ddp)

Nürnberger Ermittler prüfen, ob die Zahlungen möglicherweise auch dazu gedient haben, Betriebsratswahlen unzulässig zu beeinflussen.

Die Ermittler untersuchen seit Wochen Zahlungen in Höhe von 14,75 Millionen Euro, die Siemens in den vergangenen Jahren an den Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger (AUB), Wilhelm Schelsky, geleistet hat.

Sie gehen davon aus, dass Schelsky das Beratungs- und Dienstleistungshonorar erhalten hat, ohne dass er dafür eine angemessene Gegenleistung erbracht hat. Schelsky sitzt seit einem Monat in Untersuchungshaft.

Unklar war bislang, wofür die Millionen-Zahlungen letztlich verwendet wurden. Mittlerweile hegen die Steuerfahnder und Staatsanwälte aus Nürnberg den Verdacht, dass die dafür Verantwortlichen bei Siemens die Zahlungen veranlasst haben, um sich das Wohlwollen von Schelsky und dessen Organisation zu sichern.

Sie gehen davon aus, dass ein beträchtlicher Teil des Geldes von Schelsky an die AUB weitergeflossen ist und auf diese Weise zum Teil die Personal- und Sachkosten der Arbeitnehmer-Organisation finanziert wurden.

Die Zahlungen könnten nach Ansicht der Ermittler dazu gedient haben, die AUB zu fördern und ihr insbesondere Geld für die Mitgliederwerbung und den Wahlkampf bei den Betriebsratswahlen zur Verfügung zu stellen.

Dies könne eine unzulässige Beeinflussung solcher Wahlen und somit ein Verstoß gegen das Betriebsverfassungsgesetz gewesen sein.Die AUB gilt als Konkurrent zur IG Metall und stellt 19000 Betriebsräte in Deutschland.

Siemens erklärte, man sei über die Einzelheiten des Ermittlungsverfahrens nicht informiert. Da es sich um ein laufendes Verfahren handele, könne man sich nicht äußern. Schelskys Anwalt bestreitet die Vorwürfe. Sein Mandant kooperiere mit den Ermittlern, sagte Jürgen Lubojanski: ,,Was die Fakten angeht, ist das meiste unstrittig. Nur was die Schlüsse daraus angeht, ist man uneins.''

Nach den nun vorliegenden Erkenntnissen der Ermittler sollen allein zwischen 2002 und 2004 von Siemens über Schelsky mehr als 2,5 Millionen Euro an die AUB geflossen sein.Schelsky habe in diesem Umfang Kosten der AUB für Mieten, Fahrzeuge, EDV-Anlagen, Werbung und für Kinderferienlager übernommen. Auch sollen mindestens 20 Beschäftigte der AUB von Schelsky bezahlt worden sein.

Die von der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth, der Kripo und der Steuerfahndung gebildete Sonderkommission ,,Amigo'' ermittelt gegen Schelsky und weitere Beschuldigte wegen Steuerhinterziehung. Die Arbeitnehmer-Organisation AUB war 1986 von Schelsky und anderen Siemens-Beschäftigten als Gegenstück zum Deutschen Gewerkschaftsbund und dessen Organisationen wie der IG Metall gegründet worden.

Schelsky war früher Betriebsrat bei Siemens gewesen und hatte sich dann als Unternehmer selbständig gemacht. Er steht seit zwei Jahrzehnten an der AUB-Spitze. Die AUB stellt nach eigenen Angaben zehn Prozent der Betriebsratsmitglieder in Deutschland, quer durch verschiedene Branchen. Man sei nach dem DGB die ,,mit Abstand erfolgreichste Arbeitnehmerorganisation'', hatte Schelsky früher erklärt.

Bei den Ermittlungen ist auch ein Beratervertrag von Schelsky mit einer Siemens-Firma aufgetaucht, der schon von 1991 an ein Jahreshonorar von 320000 Euro für den AUB-Chef vorsah. Durch die Ermittlungen ist die AUB offenbar in eine Finanzkrise geraten. Ein Funktionär sagte, man habe erhebliche Probleme, nachdem die Staatsanwaltschaft die Mittel gesperrt habe. Eine AUB-Sprecherin sagte, man nehme zu den Ermittlungen keine Stellung.

© SZ vom 13.03.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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