Energiewende:Dächer, zur Sonne!

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Solaranlagen werden auf vielen Dächern angebracht. Bauherren dazu verpflichten will Wolfratshausen aber nicht. (Foto: Jochen Tack/imago stock&people)

Union und SPD machen in letzter Minute den Weg frei für die Novelle des Ökostromgesetzes. Vor allem für private Solaranlagen könnte sich das lohnen.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Am Morgen nach einer langen Nacht reißt über Berlin der Himmel auf. Wo Solaranlagen installiert sind, beginnen die Zähler nun zu laufen. Und nach dieser langen Nacht könnte es künftig mehr dieser Anlagen geben, überall im Land; jedenfalls auf privaten Dächern. Denn nach wochenlangen Diskussionen über Änderungen am Ökostromgesetz EEG haben Union und SPD zumindest die eine Hälfte der offenen Fragen gelöst - und die andere vertagt.

Im Zentrum steht eines der kompliziertesten Regelwerke der Republik: die Förderung erneuerbarer Energien. Für grünen Strom gibt es unzählige verschiedene Fördersätze, je nachdem, ob er aus Wind, Solar, Wasser, aus Biomasse oder Geothermie stammt. Es gibt Unterschiede beim Alter von Anlagen und bei ihrer Größe, es gibt Förderungen mal über feste Einspeisesätze und mal über Ausschreibungen, bei denen Ökostrom-Projekte um Euro und Cent konkurrieren. Und über allem schwebt ein milliardenschweres Finanzierungssystem, in dem Stromverbraucher eine sogenannte EEG-Umlage zahlen, damit Stromerzeuger Vergütungen bekommen. Manchmal sind diese Erzeuger gleichzeitig auch Verbraucher - ihres eigenen Stroms. Und nicht erst hier wird die Sache diffizil.

Zum Beispiel mussten bisher Privatleute, die eine Solaranlage von mehr als zehn Kilowatt Spitzenleistung auf ihrem Dach montierten, ebenfalls EEG-Umlage zahlen. Zwar nur einen ermäßigten Satz, aber auch das konnte die Anlage weniger rentabel machen. Diese Grenze hob die Koalition, konform mit EU-Regeln, auf 30 Kilowatt an. "Das ist ein Anreiz, ganz viele Dächer zu nutzen", sagt Anja Weisgerber, die Klimabeauftragte der Unionsfraktion. "Und es lohnt sich, mit dem Strom auch gleich das Elektroauto zu laden oder eine Wärmepumpe zu betreiben." Gerade auf dem Land werde Solarstrom so attraktiver.

Mieterstrom-Projekte werden attraktiver

Auch eine Sorge von Solar-Pionieren zerstreute die Koalition. Die geplante Verpflichtung, ältere Solaranlagen nachträglich mit intelligenten Stromzählern auszustatten, ist erst einmal vom Tisch. Stattdessen soll nun das Wirtschaftsministerium prüfen, "ab welchen Kilowattgrenzen Neu- und Bestandsanlagen Smart Meter einbauen müssen", wie es in einem internen Papier der Koalition heißt.

Sogenannte Mieterstrom-Projekte, bei denen Vermieter gewissermaßen als Ökostrom-Anbieter auftreten, sollen attraktiver werden. Die Gewerbesteuerpflicht, die bisher viele Projekte vereitelte, soll wegfallen. Auch sollen Lösungen möglich sein, in denen ganze Quartiere mit Mieterstrom versorgt werden. Das spielt vor allem in Städten eine Rolle. Für Solaranlagen auf großen Gewerbeimmobilien dagegen könnten sich die Konditionen verschlechtern: Sie müssen um die Förderung künftig per Ausschreibung konkurrieren. Zwar setzte die Koalition die Größe hoch, ab der diese Pflicht greift. Die übrigen Anlagen dagegen bekommen nur die Hälfte des Stroms vergütet - unter der Annahme, dass die andere Hälfte vom Supermarkt oder Industriebetrieb unter dem Dach selbst verbraucht wird. Es drohten dadurch "massive Einschnitte im mittleren Marktsegment", warnt Carsten Körnig, Chef des Solarverbands BSW. "Da könnte was ins Rutschen geraten."

Bei der Windkraft ist schon seit Jahren Einiges im Rutschen, die Ausbauzahlen an Land sind eingebrochen - häufig auch wegen Widerständen vor Ort. Künftig sollen Kommunen deshalb auch stärker an Gewerbesteuereinnahmen beteiligt werden. Auch sollen Gemeinden schon frühzeitig Verhandlungen über eine finanzielle Kompensation aufnehmen können, wenn Wind- oder Solarparks auf ihrem Gebiet geplant sind. Das soll die Projekte attraktiver machen. Bund und Länder sollen zudem enger koordinieren, wo wie viel gebaut werden muss. Windräder, die zum Jahreswechsel nach 20 Jahren ihre garantierte Förderung verlieren, sollen zunächst eine Art Anschlussvergütung erhalten.

Ob so die Klimaziele erreicht werden, ist fraglich

Dies alles, sagt SPD-Unterhändler Matthias Miersch, sei "ein großer Schritt. Aber kein Grund, sich auszuruhen". Denn die große Frage, wie viel Strom in Deutschland bis 2030 erneuerbar erzeugt werden soll, konnten die Koalitionäre nicht klären - jedenfalls nicht mehr rechtzeitig, damit das Gesetz diese Woche Bundestag und Bundesrat passieren kann und zur Jahreswende in Kraft tritt. Im Corona-Jahr 2020 bezog Deutschland nach Zahlen des Stromverbands BDEW 46 Prozent Strom aus Ökoenergie, laut Gesetz sollen es 65 Prozent bis 2030 sein. Aber die EU will ihr Klimaziel anheben. Nun ist fraglich, ob 65 Prozent reichen werden.

Bis März will die Koalition diese Frage klären, sie entscheidet auch über den Umfang künftiger Ausschreibungen. Der Strombedarf dürfte nämlich sogar wachsen: Für Elektroautos, Wasserstoffproduktion und emissionsarmen Stahl brauche es auch mehr Ökostrom, sagt Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD). "Wir müssen die erneuerbaren Energien energischer ausbauen." Das Gesetz erhält schließlich nun auch ein neues Fernziel: Deutschlands Klimaneutralität bis zum Jahr 2050.

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