Energie:Sprit für Afrika

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Nigeria ist einer der größten Ölproduzenten der Welt, die meisten Menschen im Land aber haben von diesem Reichtum kaum profitiert. Ein Unternehmer will das ändern - und baut nun eine riesige Raffinerie.

Von Bernd Dörries, Lagos

Noch ist alles beim Alten. Vor einer kleinen Tankstelle im Süden von Lagos hat sich eine Schlange gebildet, die stetig größer wird. Nur ein Teil der Zapfsäulen funktioniert, weil über Nacht kein neues Benzin geliefert wurde. Mal wieder. Nigeria ist wahrscheinlich das einzige Land unter den großen Ölproduzenten der Welt, dem regelmäßig der Sprit ausgeht. Alle paar Monate droht das Land trocken zu werden, der Spritmangel zu den Weihnachtstagen gehört zur Folklore wie andernorts der Tannenbaum.

Seit Jahren versprechen die nigerianischen Politiker Besserung, seit Jahren ändert sich nichts. Etwa zwei Millionen Barrel Rohöl werden pro Tag in Nigeria gefördert, aber nicht einmal ein Zehntel davon wird vor Ort zu Benzin weiterverarbeitet. Das Öl muss erst über weite Strecken ins Ausland gebracht und dann wieder zurück importiert werden, marode Hafenanlagen und die epidemische Korruption führen zu Zusatzkosten und Verspätungen. Schlangen vor Tankstellen gehören deshalb oft zum Alltagsbild im bevölkerungsreichsten Land Afrikas.

Einen "game changer" nennen viele das Projekt. Es könnte alles verändern

Das soll sich bald ändern, im Süden von Lagos, in der Lekki Free Zone, entsteht gerade eine der größten Raffinerien der Welt, die nach Fertigstellung eine Kapazität von 650 000 Barrel am Tag verarbeiten soll, etwa ein Drittel der täglichen Ölproduktion des Landes. Das würde den Benzinverbrauch von Nigeria decken. Die Baustelle erstreckt sich bis zum Horizont mit Dutzenden bunten Kränen, Aufseher verscheuchen neugierige Touristen.

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(Foto: Akintunde Akinleye/Reuters)

40 000 Menschen haben auf der gigantischen Baustelle im Süden von Lagos Arbeit gefunden.

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(Foto: Akintunde Akinleye/Reuters)

Die neue Raffinerie in der Lekki Free Zone soll eine der größten der Welt werden.

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(Foto: Akintunde Akinleye/Reuters)

650 000 Barrel am Tag soll sie verarbeiten, etwa ein Drittel der täglichen Ölproduktion des Landes.

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(Foto: Afolabi Sotunde/Reuters)

Bisher herrscht oft Spritmangel in Nigeria, lange Schlangen vor Tankstellen gehören zum Alltagsbild.

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(Foto: Sunday Alamba/AP)

Das Benzin benötigen die Menschen nicht nur zum Autofahren, sonder auch um ihre Stromgeneratoren zu betreiben.

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(Foto: Bloomberg)

Bisher verarbeitet Nigeria nur zehn Prozent seines Öls selbst. Das soll sich mit der neuen Raffinerie ändern.

Einen "Game Changer" nennt die nigerianische Presse das Vorhaben, also ein Projekt, das alles verändern wird: Fast 40 000 Arbeitsplätze seien bereits entstanden, mit Investitionen von zehn Milliarden Dollar sei es die womöglich größte Baustelle der Welt. Der Internationale Währungsfonds ist kaum weniger begeistert, die Raffinerie könnte das Wachstum ankurbeln, das Land zu einem großen Exporteur erdölbasierter Produkte machen und die Handelsbilanz Nigerias verbessern.

Bisher gibt die Regierung etwa fünf Milliarden Dollar pro Jahr aus, um den Benzinpreis zu subventionieren, der bei etwa 45 Cent pro Liter liegt. Viele weitere Milliarden versickern in der Korruption. Der Ölreichtum hat Nigeria bisher kein Glück gebracht, das Gegenteil ist der Fall. In den ölreichen Gebieten des Südens herrschen bittere Armut und massive Umweltverschmutzung. Die korrupten Eliten haben zusammen mit den internationalen Ölkonzernen die Vorkommen bisher vor allem zur eigenen Bereicherung benutzt. Nigeria ist einerseits zusammen mit Südafrika die größte Volkswirtschaft des Kontinents, andererseits leben nirgends auf der Welt so viele Menschen in absoluter Armut. Als den "wahrscheinlich dunkelsten Platz der Erde" hat der Fernsehsender CNN einmal die Nigerianische Nationale Petroleumgesellschaft bezeichnet, die im Land für alles verantwortlich ist, was mit Öl zu tun hat, von der Exploration bis zur Festlegung der Subventionen. Vor allem aber ist das Unternehmen das Epizentrum der Korruption, unter dessen Aufsicht die wenigen Raffinerien des Landes verfallen.

Aliko Dangote. Laut Forbes ist er mit seinen 12,2 Milliarden Dollar der reichste Mann Afrikas. (Foto: Pius Utomi Ekpei/AFP)

Es kann deshalb als hoffnungsfrohes Zeichen gelten, dass der Staat an der neuen Megaraffinerie nicht finanziell beteiligt ist. Sie ist ein Projekt von Aliko Dangote, dem nach Ansicht von Forb es mit einem Vermögen von 12,2 Milliarden Dollar reichsten Mann Afrikas. Mit Öl hat er bisher keinerlei Erfahrung gemacht. Dangote entstammt einer reichen muslimischen Familie aus dem Norden Nigerias und begann seine Karriere mit dem Import von Zucker, Reis und Zement. Das machte ihn wohlhabend, aber reich wurde er erst, als er der Regierung sagte: Warum stellen wir die Dinge nicht einfach selbst her?

In Nigeria waren die lokale Textilindustrie und andere Wirtschaftszweige fast verschwunden, nachdem das Land auf Druck des Internationalen Währungsfonds in den 1980er- und 1990er-Jahren die meisten Importzölle aufgehoben hatte. Einfuhren waren nun einfach billiger als die lokalen Produkte.

Die Regierung gewährte Dangote für viele seiner Unternehmungen einen gewissen protektionistischen Schutz, heute kommt die Tomatenpaste in den Supermärkten wieder häufiger aus dem eigenen Land, nicht aus China. Dangote baute ein Imperium auf, das Zement in ganz Afrika vertreibt, Lebensmittel herstellt und Baumaterialien. Nach demselben Prinzip steigt er nun ins Ölgeschäft ein. Dangote sieht in der neuen Raffinerie ein für ganz Afrika wichtiges Signal.

Der Kontinent leidet darunter, dass er zwar scheinbar unendliche Rohstoffvorkommen hat, aber andere damit das große Geld verdienen: Kakao aus der Elfenbeinküste wird genauso in Europa weiterverarbeitet wie der Kaffee aus Äthiopien. Dangote will immer größere Teile der Wertschöpfungskette in Afrika behalten.

Funktioniert sein Investment in die Raffinerie, das nicht ohne Risiko ist, will Dangote einen Versuch machen, sich seinen Lieblingsfußballklub zu kaufen: Arsenal London. Er wäre dann auch Afrikas erster Ölscheich.

© SZ vom 29.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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