Energie:Gespaltene Atomindustrie

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Zwei französische Konzerne sollen in Finnland einen Atomreaktor bauen. Stattdessen gibt es nun einen erbitterten Streit zwischen Bouyges und Areva - wegen einer Panne.

G. Herrmann und M. Kläsgen

Der französische Atomtechnikkonzern Areva, an dem Siemens beteiligt ist, hat neuen Ärger beim Bau des Vorzeige-Reaktors im finnischen Olkiluoto. Hinzu kommt eine Pannenserie in der südfranzösischen Atomanlage Tricistan. Der Staatskonzern, der eine Fusion oder Kapitalöffnung plant, kommt damit immer stärker unter Druck. Ein Banker, der anonym bleiben möchte, sagte der Süddeutschen Zeitung, dass aufgrund der Zwischenfälle das Thema Fusion oder Kapitalöffnung vorerst auf Eis liege.

Archivbild vom Bau des Prestigemeilers im finnischen Olkiluoto. (Foto: Foto: Reuters)

In Finnland will die Atomsicherheitsbehörde Stuk am Freitag einen Bericht über etwaige Sicherheitsmängel beim Bau des Reaktors der sogenannten dritten Generation vorlegen. Die Prüfung war erforderlich geworden, nachdem Umweltschützer ständig neue Vorwürfe gegen Areva und Zulieferfirmen erhoben hatten. Die jüngste Kritik finnischer Greenpeace-Aktivisten rüttelt an den Grundfesten des neuen Meilers. Demnach ist beim Schweißen des Stahlgerüsts für das Reaktor-Fundament gepfuscht worden. Greenpeace forderte einen unmittelbaren Stopp der Bauarbeiten und eine Untersuchung durch eine unabhängige Expertenkommission.

Die Atomsicherheitsbehörde räumte vergangene Woche zwar Mängel ein, bestritt aber, dass diese die Sicherheit des gesamten Projekts gefährden. Wirtschaftsminister Mauri Pekkarinen äußerte sich zufrieden über dieses Ergebnis. Die grüne Abgeordnete Heidi Hautala bezweifelte jedoch wie die Aktivisten die Unabhängigkeit der Behörde.

Kein Interesse am Prestigemeiler

Wegen Pannen und Problemen im Genehmigungsverfahren hatte sich der Termin für die Fertigstellung des 1600-Megawatt-Prototypen, den Areva und Siemens entwickelt haben, bereits mehrmals verschoben. Statt wie geplant 2009 soll er nun frühestens 2011 ans Netz gehen. Die Verzögerungen führten auch zu erheblichen Mehrkosten. Areva und Siemens, die den Meiler im Auftrag des finnischen Stromerzeugers TVO zum Festpreis von 3,2 Milliarden Euro errichten, rechnen bereits mit großen Verlusten aus dem Projekt. Ursprünglich sollte der Europäische Druckwasserreaktor (EPR) zum Exportschlager werden. Wegen mangelnder Kaufinteressenten baut Frankreich jetzt den zweiten EPR-Reaktor im heimischen Flamanville.

Greenpeace zufolge hatte die für die Schweißarbeiten zuständige Firma Bouygues, ein Subunternehmen des Siemens-Areva Konsortiums, eine Reihe von Sicherheitsvorschriften missachtet. So hätten die Schweißer keine detaillierten Anweisungen für ihre Arbeit erhalten, außerdem sei die Qualität des Stahlgerüsts später nicht ausreichend kontrolliert worden. Das Gerüst wurde mittlerweile einbetoniert, es bildet das Fundament für den Reaktor und das Kühlsystem.

Stuk und das Konsortium räumen zwar ein, es habe bei den Schweißarbeiten Mängel gegeben. Bei den Teilen des Stahlgerüsts, die für die Stabilität des Bauwerks wichtig sind, habe das Unternehmen jedoch alle Vorschriften befolgt. Der Umstand, dass Bouygues für den Bau verantwortlich ist, hat weitreichende Konsequenzen für die Zukunft der französischen Atomindustrie. Die Bouygues-Gruppe will sich über den Industriekonzern Alstom, an dem sie die Mehrheit hält, bei Areva einkaufen und so Siemens aus dem Kapital drängen.

Heftiger Streit im Konsortium

Areva ist aber gegen eine Fusion mit Alstom. Der neuerliche Zwischenfall in Finnland entfachte deswegen Streit zwischen den französischen Konzernen. Areva schob Bouygues offen die Schuld für die Pannen zu. "Die Inkompetenz der Baugruppe scheint offensichtlich zu sein", ätzte der für die Projektüberwachung zuständige Areva-Manager Philippe Knoche. Bouygues forderte Areva danach umgehend auf, die Vorwürfe zurückzunehmen, was der Atomkonzern unterließ.

Bouygues konterte mit der Erklärung, die Baugruppe habe mit dem inkriminierten Bauabschnitt nichts zu tun und zu keinem Zeitpunkt Hinweise auf Mängel erhalten. Areva-Mann Knoche nahm dessen ungeachtet Bouygues weiter unter Beschuss: "Wir arbeiten mit Subunternehmen zusammen, die seit 15 oder 20 Jahren keine Kraftwerke gebaut haben", sagte er, um das Subunternehmen zu diskreditieren.

Bouygues, dessen gleichnamiger Konzernchef mit Frankreichs Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy befreundet ist, drängt tatsächlich mit aller Macht ins Atomgeschäft und in den Areva-Konzern. Die Baugruppe glaubt fest an eine Renaissance der Kernindustrie. Auch in Flamanville baut Bouygues den Reaktor. Doch auch dort mussten die erst im Dezember 2007 aufgenommenen Bauarbeiten bereits im Frühjahr 2008 wieder eingestellt werden: Im Beton waren Risse aufgetaucht.

© SZ vom 26.08.2008/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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