Elektromobilität:Fallschirmspringen statt Kicken

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Stefan Krause war mal Topmanager bei BMW und der Deutschen Bank. Jetzt hat er eine E-Auto-Firma in Kalifornien gegründet - und muss sogar selbst renovieren.

Von Jürgen Schmieder

Was Stefan Krause sagt, klingt an der amerikanischen Pazifikküste nicht pessimistisch, ängstlich oder gar fatalistisch: "Wie bei jedem Start-up gibt es das Risiko, dass es das Unternehmen nicht ewig gibt - aber das ist es wert, um erfolgreich zu sein." Er sagt das völlig nüchtern, wie ein Fallschirmspringer, der einem mitteilt, dass zu dieser Form der Freizeitgestaltung eben auch das lebensgefährliche Risiko des Absturzes gehört, genau damit vergleicht Krause seine aktuelle Tätigkeit: Er war Finanzvorstand bei BMW und Deutscher Bank - interessant und spannend, aber im Vergleich zu dem, was er nun in Kalifornien wagt, dann doch eher Kicken am Sonntagnachmittag im Park.

Krause ist Gründer und Geschäftsführer des Elektroauto-Start-ups Evelozcity, allein die Branche lässt erahnen, warum er das eher mit Extremsport als einem gemütlichen Fußballspiel vergleicht. Das von Elon Musk geführte Tesla hatte zuletzt arge Probleme, Konkurrent Faraday Future wirkt gerade so, als würde der chinesische Gründer Jia Yueting nur deshalb andauernd Fallschirme anbringen, damit das Chaos beim kaum noch zu verhindernden Aufprall nicht gar so eklig wird. Elektromobilität ist das große Thema, nicht nur in Kalifornien, sondern auch bei chinesischen und mittlerweile auch deutschen Autobauern. Reich wird nicht unbedingt derjenige werden, der diese Revolution anstößt oder vorantreibt, sondern wer die richtigen Schlüsse aus den Anfangsjahren zieht. In der Gegenwart wird noch ordentlich Geld verbrannt, die Geschäftsmodelle wirken bisweilen nicht so nachhaltig wie die Fahrzeuge. Es gibt zahlreiche Elektroautobauer, die es nicht mehr gibt. "Alleine in China existieren etwa 480 Elektroauto-Start-ups, dazu noch einmal ungefähr 150 in der westlichen Hemisphäre. Sie alle haben in etwa das gleiche Ziel: den Transport für die Zukunft zu erschaffen", sagt Krause, während er den neuen Firmensitz ein halbe Autostunde südlich von Los Angeles zeigt. Das Unternehmen ist gerade von der Strandstadt El Segundo ins eher industrielle Torrance umgezogen, der Chef hat höchstselbst Wände gestrichen.

Die Büros in El Segundo sahen so aus, wie sich jemand das Silicon Valley vorstellt, der noch nicht dort gewesen ist und gesehen hat, wie zynisch und berechnend und so was von uncool dieses Techniktal eigentlich ist. Das Gebäude in Torrance dagegen sieht eher aus wie das eines mittelständischen Unternehmens, das ganz dringend ganz viel Platz braucht, es wird überall gebaut und gebohrt und geschraubt. Evelozcity wächst rasant, die Mitarbeiterzahl ist in weniger als einem Jahr nach der Gründung auf mittlerweile 200 gestiegen, im kommenden Jahr sollen es bereits 400 sein. Am Morgen hat Krause schon wieder ein paar neue Angestellte begrüßt.

(Foto: N/A)

"Ich sage Bewerbern und neuen Mitarbeitern stets, dass sie mir drei Fragen stellen sollten", sagt er: "Erstens: Worin unterscheidet ihr euch von all den anderen Elektroauto-Start-ups? Zweitens: Wie wollt ihr gegen die traditionellen Autobauer bestehen, die gerade aufwachen und viel mehr Ressourcen, Leute und Erfahrung haben? Drittens: Wie wollt ihr Geld verdienen? Nur weil Tesla ein gutes Quartal hatte, bedeutet das noch nicht, dass sie langfristig profitabel sein werden." Krause grinst wie ein Lausbub, denn natürlich kennt er die Antworten auf diese drei Fragen, die er sich selbst stellen würde, und er ist mit diesen Antworten offensichtlich sehr zufrieden: "Es ist ein Indikator, ob besonders begabte Ingenieure bei einem arbeiten wollen, wenn sie das Geschäftsmodell kennen oder die Vision des Unternehmens hören. Bislang sind alle geblieben, die meine Antworten gehört haben."

Also dann, hier sind die Antworten, warum Evelozcity auch in einem Jahr noch existieren soll: "Sehen Sie sich mal um: Alle anderen Elektroautos sehen aus wie Verbrennungsmotor-Fahrzeuge, dabei kann man aufgrund der Batterie die Architektur eines Fahrzeugs komplett überdenken." Sie wollen eine Plattform entwickeln bei Evelozcity, die sie derzeit "Skateboard" nennen und auf die drei verschiedene Kabinenkonzepte gesetzt werden: eines für Pendler, eines für Ride-Sharing-Angebote und eines für Transportfirmen für die letzte Meile bei Lieferungen: "Wir streben einen Preis von weniger als 50 000 Dollar an - das von allen angestrebte Einhorn wäre natürlich ein Fahrzeug für 35 000 Dollar."

"In Deutschland wird ein Manager immer sehr kritisch beäugt."

Krause will die Fahrzeuge nicht selbst bauen, wie das traditionelle Autobauer oder auch Firmen wie Tesla tun. "Wir brauchen keine eigene Fabrik, sondern werden mit einem Auftragshersteller zusammenarbeiten", sagt Krause, und das führt zur Antwort auf die dritte und wichtigste Frage: "Wir sparen sehr viel Geld. Wir entwerfen alles in virtueller Realität und benutzen für unsere Tests Open-Source-Software und Cloud-Computing. Die Skateboard-Plattform spart Entwicklungskosten. Es wird keine Autohäuser geben, wie das zum Beispiel selbst Tesla noch macht, sondern nur Abo-Modelle." Welche Abo-Modelle das sein werden, möchte Krause noch nicht verraten, da gibt er dann doch den typisch verschwiegenen Silicon-Beach-Start-up-Chef.

Er gefällt sich in dieser Rolle des Typen, der nach dem Umzug nach Kalifornien mal was riskiert im Leben, das ist ihm deutlich anzumerken, er will nun lieber mal Fallschirmspringer als Freizeitkicker sein. "Ich bin bislang immer nur Angestellter gewesen, selbst bei Faraday Future", sagt Krause über sein kurzes Intermezzo beim jetzigen Konkurrenten. Wer sich mit Faraday-Mitarbeitern unterhält, der hört über Krause nur lobende Worte. Er sei einer gewesen, der versucht habe, Ordnung in dieses Chaos zu bringen, einer nennt ihn "Retter, der nicht retten durfte" und verwendet für Jia eine gegenteilige Beschreibung.

Stefan Krause, 56: Er schied 2015 bei der Deutschen Bank aus. (Foto: oh)

Krause, 55, ist kein schrulliger oder wahnwitziger oder verrückter Firmengründer, wie es zum Beispiel Steve Jobs (der Krause angeblich kurz vor seinem Tod zum Finanzchef von Apple machen wollte) gewesen ist - und das weiß er auch: "Ich muss lernen, ein bisschen visionärer und verrückter zu sein, um die Nadel noch ein Stück weiter zu treiben." Genau deshalb hat er ja gemeinsam mit Technikchef Ulrich Kranz und Chefdesigner Richard Kim dieses Unternehmen gegründet und im April den einstigen Opel-Chef Karl-Thomas Neumann als Verantwortlichen für den Bereich Mobilität geholt. Er will diese Branche vorantreiben, und er will beweisen, dass er das kann, ein Start-up aufbauen. Dass er verrückt und visionär sein kann. Ein Gründer, kein Retter.

"Es ist in Kalifornien leichter, so ein Unternehmen hochzuziehen", sagt er. Das ist bekannt, doch Krause nennt ein paar ganz persönliche Dinge, und man merkt, wie wichtig ihm das ist: "In Deutschland wird ein Manager immer kritisch beäugt: Bei Misserfolg ist er stigmatisiert, bei Erfolg gilt er als Gauner. In Kalifornien gilt jemand, der mal unternehmerisch gescheitert ist, als einer, der wichtige Erfahrungen gesammelt hat - und der Erfolgreiche wird beklatscht." Er hatte nach seinem Ausstieg bei Faraday Future deutlich mehr Angebote als zum Beispiel nach seinem Ende bei der Deutschen Bank, und es fällt ihm nun auf, wie viele Leute aus Deutschland ihn nun neidisch betrachten, dass er diesen Schritt gewagt hat.

Krause ist angekommen an der Westküste, er ist, wie man hier gerne sagt, californicated, und eines verbindet ihn doch mit den berühmten Firmengründern: Steve Jobs trug stets diesen schwarzen Rollkragenpulli, Facebook-Gründer Mark Zuckerberg bevorzugt graue T-Shirts, Snapchat-Gründer Evan Spiegel das übergroße weiße Shirt. Krause trägt fast immer Wollpulli über Hemd, und sollte Evelozcity die Elektroauto-Branche revolutionieren, dann könnte dieser Look durchaus zum Vorbild werden.

© SZ vom 12.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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