Einzelhandel:Unverpixelt im Kaufhaus

Lesezeit: 2 min

Die Frage, ob gefilmte Gesichter von Kunden gepixelt werden müssen, beantworten Datenschützer mit „ja“. (Foto: dpa)

Mit Kameras und Infrarot zählen Händler, wie viele Menschen den Laden betreten.

Dass Menschen beim Einkaufen vielerorts gezählt werden, ist den wenigsten bewusst. Dabei sind Shopping-Center und Kaufhäuser immer stärker darauf angewiesen, mehr über ihre Kunden zu wissen, wenn sie der Internet-Konkurrenz standhalten wollen. Neue Technik ermöglicht es ihnen inzwischen, zu erfassen, welche Abteilungen ein Kunde im Kaufhaus wie lange besucht und ob er Geld ausgibt. Die Entwicklung wird von Datenschützern allerdings kritisch gesehen.

Die Besucherzahl kann auf unterschiedliche Weise erfasst werden. Händler können Kassenbons zählen oder abschätzen, wie viele Menschen im Laden sind. Viele setzen Infrarot-Schranken ein, die messen, wie viele Menschen ein Geschäft betreten, sagt Erik Maier, Professor für Handelsmanagement an der Leipziger Handelshochschule (HHL). Zu den neueren Techniken gehören Wlan-Router, die zählen, wie viele Smartphones mit angeschaltetem Wlan versuchen, sich zu verbinden. Der Router erfasst die sogenannte Media-Access-Controll-Adresse, eine Nummer, keinen Namen oder andere persönliche Daten. Mit ausreichend Routern können Bewegungsprofile erstellt werden, sagt Maier. Unschärfen entstehen allerdings, weil nicht jeder Kunde ein Smartphone in der Tasche oder das Wlan ausgeschaltet habe, erläutert eine Sprecherin des Kabelnetzbetreibers Tele Columbus ("Pÿur").

Stefanie Siegert von der Verbraucherzentrale Sachsen mahnt, es müsse sichergestellt werden, dass beim Verfolgen mit Wlan-Routern keine personenbezogenen Daten ohne Einwilligung der Kunden gespeichert werden. "Letztlich muss der Verbraucher entscheiden können, ob er überwacht werden möchte oder nicht", so Siegert. Es könne nicht Aufgabe des Verbrauchers sein, die Wlan-Funktion auszuschalten, um nicht vom Netzwerk eines Kaufhauses erfasst zu werden.

Kameras können Geschlecht und das ungefähre Alter erkennen

Zum Zählen dienen auch Videokameras an der Decke, die das Geschlecht und das ungefähre Alter der Kunden erkennen. "Das ist aber in deutschen Kaufhäusern verhältnismäßig unüblich", sagt Experte Maier. Der Händler bewege sich damit im Grenzbereich dessen, was mit Datenschutzvorgaben vereinbar sei - vor allem bei der Frage, ob die Aufnahmen gespeichert und die Gesichter verpixelt werden müssen. Das EHI sieht einen deutlichen Anstieg der Zählung mit Kameras. Beim Online-Shopping bleibe der Kunde, so Wissenschaftler Maier, aber immer noch viel transparenter als im stationären Handel.

Im Internet würden Daten, die durch Cookies bei ganz unterschiedlichen Plattformen gespeichert werden, zentral ausgewertet. Um die Datenerfassung zu umgehen, könne der Verbraucher die automatische Suche von Netzwerken in den Smartphone-Eigenschaften deaktivieren, rät Maier. Außerdem sei es sinnvoll, regelmäßig die Cookies im Webbrowser zu löschen. Im stationären Handel könnte die Besucherzahl noch etwas anderes bewirken. Zu wissen, wie stark ein Geschäft besucht wird, könnte sich auch auf die Höhe der Miete auswirken. Derzeit werden Mieten häufig noch am Umsatz bemessen. In der Branche werde aber diskutiert, ob nicht die Anzahl der Besucher die "fairere Währung" sei, sagt Marco Atzberger, Mitglied der Geschäftsführung im Kölner Handelsforschungsinstitut EHI.

Wobei Besuche nicht gleich Umsatz bedeuten. Viele Kunden verlassen den Laden, ohne etwas zu kaufen. Andere holen eine Lieferung ab - eine Dienstleistung, die stationäre Händler immer häufiger anbieten. Der direkte Umsatz im Laden bleibt dann aus. Er wird online generiert. Die Zahl der Besucher ist in dem Moment nicht sehr aussagekräftig.

© SZ vom 10.12.2019 / SZ, dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: