Klaus Regling macht aus seiner Sorge keinen Hehl. "Italien läuft die Zeit davon, um die Märkte zu beruhigen", sagte der Chef des Euro-Rettungsfonds EFSF im Gespräch mit europäischen Zeitungen. "Das Land braucht so schnell wie möglich eine funktionsfähige Regierung."
Regling sagte weiter, der EFSF sei vorbereitet, Italien zu helfen, falls die Turbulenzen anhielten. "Wenn ein Land kommt und sagt, es braucht sofort Hilfe, dann sind wir bereit." Am Mittwoch waren die Risikoaufschläge für italienische Staatsanleihen über sieben Prozent angestiegen. Das gilt als Grenze des Finanzierbaren. Klettern sie weiter, wird die Finanzierung der italienischen Staatsschulden beinahe unbezahlbar.
Am Montag steht der nächste Test an: Dann will Rom eine über fünf Jahre laufende Anleihe ausgeben. Am Donnerstag gelang es immerhin, Geldgeber für einjährige Staatsanleihen zu finden. Allerdings musste Italien sechs Prozent bieten, im Oktober waren es bei einer Auktion noch 3,6 Prozent. Viele Anleger fürchten, dass das Land seine Anleihen nicht komplett zurückzahlen kann.
Um helfen zu können, sagte Regling, müsse Rom einen entsprechenden Antrag an die Euro-Gruppe stellen. Stimmten die Euro-Länder und auch die Europäische Zentralbank zu, stünden verschiedene Instrumente bereit. Der EFSF könne sowohl neu ausgegebene als auch alte Anleihen am Markt aufkaufen oder vorbeugend Kreditlinien einräumen. Regling betonte, dass alle Hilfen an Spar- und Reformauflagen gebunden seien.
Der EFSF könne derzeit noch 250 bis 300 Milliarden Euro an Krediten vergeben. Insgesamt verfügt der Fonds über ein Kreditvolumen von 440 Milliarden Euro, ein Teil davon ist bereits für Irland, Portugal und Griechenland reserviert. Der Chef des EFSF begrüßte ausdrücklich den neuen Premier Griechenlands, Lucas Papademos. "Allein der Fakt, dass es eine neue Regierung gibt, beruhigt die Märkte." Er selbst habe Papademos als damaligen Vize-Präsidenten der Europäischen Zentralbank über acht Jahre als verlässlich schätzen gelernt.
Regling kündigte an, dass der EFSF noch im Dezember damit beginne, kurzfristig laufende Anleihen auszugeben, sogenannte T-Bills. Die Schuldscheine sollen über drei, sechs oder zwölf Monate laufen. "Mit kurzfristigen Anleihen können wir viel Geld aufnehmen", betonte der EFSF-Chef. Damit will der Euro-Rettungsfonds eine Art Liquiditätspuffer aufbauen, der genutzt werden soll, um schnell in Märkte eingreifen und Staatsanleihen klammer Länder aufkaufen oder Banken rekapitalisieren zu können. "Damit wird der EFSF schlagkräftiger", betonte Regling.
Die Bonitäts-Bestnote Triple A ist nach Ansicht des EFSF-Managements eine zwingende Voraussetzung dafür, dass Investoren diese Euro-Papiere kaufen. "Wir arbeiten als Krisenfonds und brauchen deshalb in diesem schwierigen Umfeld das Triple A", sagte Regling. Nur mit der Bestnote könne der Fonds seine "maximale Wirkung" entfalten.
Dass die Ratingagenturen den Fonds bisher mit Triple A bewerten, liegt vor allem daran, dass sechs der 17 Euro-Länder selbst diese Bestnote besitzen, darunter Frankreich und Deutschland. Es liegt aber auch daran, dass die Garantiesumme des Fonds mit 780 Milliarden Euro deutlich höher ist als das maximal mögliche Kreditvolumen. Die Sorge, dass Frankreich seine Bestnote verlieren könne, wies Regling als "total hypothetisch" zurück. Er räumte allerdings ein, dass kein Rating "für immer sicher" sei.
Zugleich wies er Aussagen zurück, wonach das Interesse der Investoren an EFSF-Papieren nachgelassen habe. Dass die jüngste Anleihe des Fonds nicht so stark gefragt war, habe am "schwierigen Umfeld" gelegen. "Die Märkte hassen Unsicherheiten und in Europa gab es in den letzten Wochen zu viel davon", kritisierte der EFSF-Chef. Die politischen Turbulenzen in Griechenland hätten dazu geführt, dass Investmentfonds verunsichert seien und derzeit eher kleinere Beträge in EFSF-Papiere investierten.
Der größte Teil der am Montag ausgegebenen Anleihe, insgesamt 15 Prozent, wurde von deutschen Rentenfonds, Versicherungen und Banken gekauft. "Deutschland ist eine sehr wichtige Basis für uns." Zweitgrößter Einzelinvestor war Japan.
Die Gefahr ist groß, dass der Fonds bald mehr Geld benötigt wird, um schlingernden Staaten zu helfen. Bis Ende November will das EFSF-Management festlegen, wie die beiden sogenannten Hebel-Modelle des Fonds aussehen sollen. Sie dienen dazu, mehr Geld am Markt zu akquirieren, um damit die Feuerkraft des EFSF zu stärken und auch größere Länder retten zu können. Regling bestätigte, dass bis zu 1000 Milliarden Euro zur Verfügung stehen sollen. Das Geld werde aber nicht schon Ende Dezember auf dem Tisch liegen. Es werde aber genug Geld da sein, um alles abzudecken was nötig ist.
Risiko einer erneuten Rezession
Das erste Modell ist eine Art Versicherungslösung. Danach garantiert der EFSF privaten Gläubigern, die bestimmte Anleihen kaufen, einen Teil ihres Investments. Zunächst war geplant, die ersten zwanzig oder dreißig Prozent der Anleihen gegen Ausfall zu versichern. Aufgrund der jüngsten Turbulenzen zeichnet sich jedoch ab, dass die Garantien auf bis zu 40 Prozent steigen könnten. Das zweite Modell sieht vor, sogenannte Co-Investmentfonds zu gründen, in denen privates und staatliches Geld gebündelt und später gezielt für Interventionen am Markt eingesetzt wird. Derzeit führe er Gespräche mit allen potenziellen internationalen Investoren. Angestrebt würden "Zusagen, die bei Bedarf realisiert werden können".
Denn die EU-Kommission hat in ihrer Herbstprognose die Erwartungen für das Wirtschaftswachstum drastisch nach unten korrigiert. "Das Wachstum in Europa ist zum Stillstand gekommen, und es besteht das Risiko einer erneuten Rezession", warnte Währungskommissar Olli Rehn. Für die Euro-Zone erwarten die EU-Experten im kommenden Jahr nur noch ein Wachstum von 0,5 nach 1,5 Prozent im laufenden Jahr.
Schlusslicht ist im kommenden Jahr Portugal mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um drei Prozent, dicht gefolgt von Griechenland, dessen Bruttoinlandsprodukt um 2,8 Prozent einbrechen soll nach minus 5,5 in diesem Jahr. Damit dürften die Schulden in Athen weiter ausufern. Wenn die Hilfe für Athen nicht greife, werde die Verschuldung nächstes Jahr über 200 Prozent der Wirtschaftsleistung liegen.