Editorial:Von Zufällen und Heiterkeit

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Was macht Menschen glücklich? Politiker wollen zufriedene Bürger, Unternehmen engagierte Mitarbeiter - und doch tun sich viele schwer mit dem Glücklichsein.

Von Felicitas Wilke

Glück ist nicht gleich Glück. Der Begriff, dem das SZ-Wirtschaftsressort diese Ausgabe widmet, hat in der deutschen Sprache einen doppelten Wortsinn. Um glücklich zu werden, brauchen Menschen manchmal Glück: Der Zufall darf aushelfen. Das gilt in zwischenmenschlichen Beziehungen genauso wie im Wirtschaftsleben.

Würden sie doch nur die richtigen Leute kennen, hadern Arbeitnehmer, die im Job nicht vorankommen. Hätten sie doch damals, im Frühjahr 2000, vor dem großen Crash, ihre Aktien verkauft, ärgern sich viele Menschen in Deutschland bis heute - und zögern auch deswegen noch immer, in Firmenanteile zu investieren. Glückliche und unglückliche Zufälle begegnen uns im Berufsleben genau wie bei der Geldanlage. Im Job ist es möglich, dem Glück auf die Sprünge zu helfen. Beim Investieren braucht es Zeit und Geduld, um so wenig wie möglich dem Zufall zu überlassen. Dann ist die Börse nicht das Roulettespiel, für das sie viele Menschen halten.

Doch auch das Glück im zufriedenen, ja heiteren Sinne des Wortes ist Thema dieser Ausgabe. Die USA, immer noch die größte Volkswirtschaft der Welt, haben das Streben nach ebendiesem Gemütszustand als Menschenrecht in ihre Verfassung geschrieben. In Deutschland haben sich Politiker zumindest daran versucht, Glück nicht nur in Zahlen zu messen, sondern alternative Methoden zu entwickeln, um die Zufriedenheit der Bürger greifbar zu machen. Bhutan ging radikaler vor: Der Staat am Rand des Himalayas hat das "Bruttonationalglück" zum zentralen Ziel seiner Wirtschaftspolitik erklärt.

Die Chancen auf ein sorgenfreies Leben sind nicht gleich verteilt

Was macht Menschen glücklich? Der britische Wissenschaftler Richard Layard erforscht das seit vielen Jahren. Er hat herausgefunden, dass es vor allem psychische Krankheiten sind, die uns um unser Glück bringen. Auch Unternehmen haben erkannt, dass das Wohlbefinden ihrer Mitarbeiter ein Wirtschaftsfaktor ist. Allerdings ist es nicht unumstritten, in Organisationen die kollektive gute Laune auszurufen und sogenannte Chief Happiness Officer auf die Angestellten loszulassen.

Glück spielt auf der Makro- und der Mikroebene eine Rolle, ist aber auch eine höchst individuelle Angelegenheit. Das legt schon eine alte Lebensweisheit nahe: "Jeder ist seines Glückes Schmied." Manche finden es, indem sie bei Gewinnspielen mitmachen, andere beim ausgedehnten Einkaufsbummel oder indem sie Geld für später zur Seite legen. Manche fühlen sich an Glücksmomente ihrer Kindheit erinnert, wenn sie ein Kettcar über die Straßen rollen sehen, andere, wenn sie im Freibad liegen oder eine Banane essen.

Dem in kapitalistischen Wirtschaftssystemen verbreiteten Credo, man müsse sein Glück selbst in die Hand nehmen, unterliegt ein liberales Weltbild, das die Menschen zu selbstbestimmten Akteuren macht. Es unterschlägt aber die Tatsache, dass in unserer Gesellschaft nicht alle Menschen die gleichen Chancen haben, ein möglichst sorgenfreies Leben zu führen. Das gilt auch im reichen Deutschland, das in Sachen Bildungsgerechtigkeit im Vergleich zu anderen Industrieländern nur im Mittelfeld rangiert.

Balian (früher Yvonne) Buschbaum war als Stabhochspringerin sehr erfolgreich, aber trotzdem kein vollends glücklicher Mensch. Er gab seinen Beruf auf, um endlich er selbst sein zu können und im Körper eines Mannes zu leben. Nach der Geschlechtsangleichung baute sich Buschbaum eine zweite Karriere auf - und berät heute Unternehmen dabei, wie sie mehr Diversität wagen können. Heute, sagt er, ist er glücklich.

© SZ vom 02.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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