Drogeriekette "dm":Ein Jutebeutel voller Ärger

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Eine Bloggerin beklagt, dass die Drogeriekette "dm" Stoffbeutel in Indien fertigen lässt - an einem Ort, wo Kinder unter sklavenähnlichen Bedingungen arbeiten. Der Geschäftsführer hat dafür eine smarte Erklärung.

Von Max Hägler

Ungemach kann also auch jenen treffen, der solch schöne Sätze sagt wie : "Der Mitarbeiter bekommt das Geld, damit er leben kann - damit er es sich leisten kann, bei uns zu arbeiten. Damit er sich wertgeschätzt fühlt."

Götz Werner, der Gründer des Drogeriekonzerns "dm" spricht so. Für ihn, den überzeugten Anthroposophen, gilt: Der Einzelne darf sich nicht zu wichtig nehmen - dann leben alle gut. Als Konsequenz dieses freundlichen Weltbildes spielen bei dm selbst die Tüten eine tragende Rolle: "Für uns ist es besonders wichtig, dass unsere Einkaufshelfer nicht nur preiswert, stabil und optisch ansprechend sind, sondern auch zu unserer nachhaltigen Philosophie passen." Die Stoffbeutel wurden bisher vorwiegend in Deutschland gefertigt, beim Augsburger Modelabel "Manomama".

Und dann so etwas: Plötzlich kommen die Taschen auch aus Indien. Der Bloggerin Pia Drießen fiel das auf. Eine aufmerksame Konsumentin, die nachforschte, was es damit auf sich hat und auf den Produktionsort Tirrupur stieß. Den hat dm vorbildlich ausgeschildert auf seiner "Pfadfinder"-Internetseite, bei der Kunden über die Herstellungsorte informiert werden.

Kinder arbeiten teils 70 Stunden pro Woche

Tirrupur, das ist ein weltweites Textilzentrum, aber eines, in dem auch 120 000 Kinder und Jugendliche unter sklavenähnlichen Bedingungen arbeiten müssen; ihnen wird der Kontakt mit ihren Familien verboten, sie müssen teils 70 Stunden arbeiten und ihre Aufseher belästigen sie, so beschreibt die Menschenrechtsorganisation Terre des Hommes die Zustände. Ausgerechnet dort lässt dm nun seine Taschen fertigen? Der Konzern, der die "Singenden Kindergärten" ins Leben gerufen hat. Und der Hebammen unterstützt - vielleicht auch, weil die dann Mütter zum Windelkaufen zum Sponsor schicken, aber es ist ja trotzdem nett.

Ist das alles nur Camouflage und dahinter steckt ausbeuterisches Gewinnstreben? Drießen fragt das und zahlreiche andere Kunden sind empört: "2€ für einen Stoffbeutel aus Indien verlangen . . . die Chuzpe muss man haben", heißt es bei Twitter. Ein anderer spekuliert dort, dass nun vielleicht ein #Taschengate über dm hereinbreche.

Nun, so dürfte es wohl nicht sein. Ausgerechnet bei gesellschaftlich engagierten Unternehmen ist die Aufmerksamkeit oft am größten, während diejenigen, die alles schleifen lassen und nur auf den Profit schauen, unbeachtet bleiben.

"dm" will unter ordentlichen Bedingungen fertigen lassen

Doch nur weil manche Länder schwierige Produktionsbedingungen haben, sollten sich westliche Firmen ja nicht dort zurückziehen. Darauf stellt auch dm ab: "In der Diskussion zur Entwicklungshilfe wird oft kritisiert, dass aus den Dritte-Welt-Ländern lediglich Rohstoffe bezogen werden, die Veredelung aber bei uns stattfindet", schreibt Christoph Werner, als dm-Geschäftsführer verantwortlich für die Beschaffung. Das Unternehmen wolle aber in Indien nicht nur Baumwolle pflücken lassen. Sondern dort auch fertigen lassen - und zwar unter ordentlichen Bedingungen. Entsprechend seien die Taschen von der Global Organic Textile Standard Group zertifiziert, die herstellerunabhängig nach ökologischen und sozialen Kriterien prüft.

"Das erscheint uns im Zuge einer globalen Arbeitsteilung zukunftsfähig und richtig", schreibt Werner. Wobei Nachbohren freilich nie schadet. Und noch, um die Kritiker ganz zufrieden zu stellen, zwei Antworten fehlen: Wieso ist das Design offenbar ungefragt kopiert worden - und verdient dm nun mehr an diesen Taschen als an den "deutschen"?

© SZ vom 14.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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