Disney in China:Wölfe gegen Tiger

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Irgendwo hier im Wanda-Vergnügungspark verstecken sich Disney-Figuren. Ein Skandal, findet der US-Konzern. (Foto: Rolex Dela Pena/dpa)

Zehn Jahre arbeitete Disney an einem Vergnügungspark in Shanghai. Doch kurz vor der Eröffnung taucht Mickey Mouse bei der Konkurrenz auf.

Von Kai Strittmatter und Kathrin Werner, Peking/New York

Erst war es Schneewittchen. Dann kamen Mickey und Minnie Mouse hinzu. Auch Captain America und ein paar Storm Trooper liefen herum. All die Figuren haben eigentlich eine gemeinsame Heimat: Disney. Man findet sie in Disney-Filmen, als Disney-Spielzeugpuppen oder in einem der Disneyland-Freizeitparks. Doch jetzt sind sie an einem Ort aufgetaucht, an den sie nicht gehören: in Wanda City, der chinesischen Konkurrenz zum US-Unterhaltungsgiganten.

Der chinesische Multimilliardär Wang Jianlin hat sein Freizeitpark-Imperium Wanda City gegründet und gerade erst einen neuen Mega-Park eröffnet. Er ist dem Disney-Konzern damit knapp zuvor gekommen, der seit nunmehr zehn Jahren an dem neuen Vorzeige-Disneyland in der Nähe von Shanghai arbeitet. 5,5 Milliarden Dollar hat der Konzern in den Freizeitpark gesteckt. 330 Millionen potenzielle Kunden sollen in einem Umkreis von drei Stunden Anfahrt um Shanghai herum leben. Das Projekt sei die "größte Chance" seit Disney in Kalifornien das erste Disneyland baute, sagte Disney-Chef Bob Iger einmal. Die Investition soll sich schnell lohnen, was nicht einfach ist angesichts der verlangsamten Konjunktur in China. Da kommt neue Konkurrenz sehr ungelegen - besonders wenn auch sie Mickey Mouse für sich auflaufen lässt.

Inzwischen ist es nur noch ein paar Tage, bis das erste Disneyland in Festlandchina eröffnet. In Hong Kong gibt es bereits eins, das nicht so gut läuft wie sich der Konzern erhofft hatte, Shanghai soll besser werden. Und ja, China redet über Disney, aber mindestens so sehr redet es über den Mann, der Disney den Kampf ansagt: Wang Jianlin. Der 61-Jährige ist der wohl reichste Chinese, das US-Magazin Forbes schätzt sein Vermögen auf 34 Milliarden Dollar. Reich geworden ist er mit Immobilien und mit seinen legendären politischen Beziehungen. Seinen Reichtum steckt Wang auch in Fußballclubs, er hält 20 Prozent an Atletico Madrid.

Seit einigen Jahren schon will Wang seine 1988 gegründete Dalian Wanda Group auch zu einem Unterhaltungskonzern machen: In Hollywood kaufte er zuletzt für 3,5 Milliarden Dollar die Filmfirma Legendary Entertainment und eine große Kinokette. Nun plant er auch seine eigene Kette von Vergnügungsparks. Der erste eröffnete vor ein paar Wochen in der Stadt Nanchang in Südchina. Das wäre an sich keine große Nachricht für Disney, schließlich wollen etliche Unternehmen Freizeitparks in dem Land eröffnen. Aufsehen erregt aber die rhetorische Attacke, die Wang aus diesem Anlass gegen den amerikanischen Konkurrenten ritt: "Die Ära, in der Micky Maus und Donald Duck Aufsehen erregten und alle ihnen blind folgten ist vorbei", erklärte Wang im Staatsfernsehen. Dafür werde seine Firma sorgen, die dem einen Disneyland in Shanghai landesweit 15 bis 20 "Wanda Cities" gegenüberstellen werde. "Ein Tiger hat keine Chance gegen ein Rudel Wölfe", sagte Wang. Im Übrigen sei der Bau von Disney viel zu teuer gewesen und werde sich nie rechnen.

Vielleicht hätte er den folgenden Satz lieber nicht mehr sagen sollen, denn der sollte ihm jede Menge Spott einbringen. Disney nämlich, so Wang, sei bequem geworden und verstehe sich auf nichts anderes als "früheres geistiges Eigentum zu kopieren und frühere Produkte zu kopieren, ohne jede Innovation." Ziemlich gewagt für den Chef einer Firma, die anders als Disney bislang gar keine eigenen Figuren hervorgebracht hat. Und die dann, kurz nach Eröffnung des ersten Wanda-Parks, prompt dabei erwischt wurde, wie sie den Besuchern ausgerechnet die Helden des Konkurrenten Disney präsentierte: Besucher des Wanda-Parks ließen sich mit Disneys Schneewittchen, Captain America und mit "Star-Wars"-Kämpfern fotografieren. Offenbar findet Wang die Disney-Figuren doch nicht ganz so altmodisch.

Die Häme folgte prompt, ebenso wie eine ungewöhnlich deutliche Ansage von Disney: "Wir verteidigen unser geistiges Eigentum energisch und werden Schritte einleiten, um Verstöße zu verfolgen", teilte der Konzern in einer Email mit. "Unsere Figuren haben Generationen erfreut. Diese illegalen und unterdurchschnittlichen Imitationen enttäuschen leider jeden, der mehr erwartet." Man muss dazu sagen, dass die falschen Figuren in Wanda-City zum Teil etwas fehlerhaft sind, die Schnauze von Minnie Mouse sieht einen Tick zu schmal aus, bei den Storm Troopers aus Star Wars passen die Plastikteile nicht recht zueinander. Die Erklärung des Wanda-Konzerns: Die Disney-Figuren seien nicht im Vergnügungspark aufgetreten, sondern im dazugehörigen Wanda-Einkaufszentrum, die Einzelhändler kontrolliere Wanda nicht direkt und sämtliche Lizenzgebühren seien bezahlt worden.

Abgesehen von den Disney-Fremdlingen machen Wangs Wanda-Parks auf Lokalkolorit: Man bekommt die Schönheiten der chinesischen Provinzen präsentiert, kann Drachenboot fahren oder durchquert einen Bambuswald zur Achterbahn. Wang will ein Vergnügen für die wachsende chinesische Mittelklasse anbieten - und ist deshalb deutlich billiger als der amerikanische Rivale: Am Wochenende zahlt man bei ihm 248 Yuan (36 Euro) - bei Disney ist es das Doppelte. Der Park in Nanchang hat 3,5 Milliarden Dollar gekostet und hat drei Achterbahnen, ein Aquarium, ausländische Klamottenläden und etliche Nobelhotels. Das soll im Jahr zehn Millionen Menschen anziehen.

Bislang sind nur ein paar Läden offen und selbst die ziehen schon jedes Wochenende Zehntausende an. Chinesen, die für solches Vergnügen Geld ausgeben, gibt es jedenfalls genug: Die Tourismusindustrie des Landes setzt heute schon 610 Milliarden Dollar im Jahr um, bis zum Jahr 2020 soll sich das noch einmal verdoppeln.

© SZ vom 11.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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