Diskussion um steigende Strompreise:Verteilungsphantasien im Wahlkampf

Höhere Stromkosten belasten vor allem diejenigen, die wenig verdienen. Jetzt streiten Politiker aller Parteien über mögliche Entlastungen. Und verschieben in Gedanken schon Milliardensummen, die der Staat unverdient einstreicht.

Michael Bauchmüller

Wolfgang Schäuble muss seine helle Freude haben an der deutschen Energiewende. Die Deutschen installieren Windparks und Solardächer, die Umlage zur Förderung erneuerbarer Energien steigt. Und wer kassiert mit? Genau, der Bundesfinanzminister von der CDU. Denn wenn die Umlage steigt, dann wachsen auch die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer. Die kommt nämlich obendrauf.

Im kommenden Jahr etwa, wenn zur Förderung der erneuerbaren Energien 20,4 Milliarden Euro eingetrieben werden, statt 16,7 Milliarden in diesem Jahr. Die Mehreinnahmen für Bund, Länder und Gemeinden allein aus der Anhebung belaufen sich auf grob gerechnet 700 Millionen Euro. Das weckt Verteilungsphantasien.

Den Anfang machte die FDP. Die Partei hat steigende Stromkosten längst als Thema im Bundestagswahlkampf erkannt, auf der Partei-Homepage ist ein Link dazu schon eingerichtet - Titel: "Wir müssen handeln". Um die Stromkunden zu entlasten, will die Partei die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer wieder ausschütten, über die Stromsteuer. 2,05 Cent erhebt der Bund derzeit auf jede Kilowattstunde Strom, für einen Durchschnittshaushalt macht das rund 70 Euro im Jahr aus. "Aufkommensneutral" solle sie auf europäisches Mindestniveau abgesenkt werden, forderte das FDP-Präsidium unlängst.

Strompreise treffen vor allem Niedrigverdiener

Doch innerhalb der Bundesregierung ist das Vorhaben umstritten. Während der FDP-Chef und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler die Absenkung als "Sofortmaßnahme" propagiert, hält sich Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) zurück. "Ich bin nicht überzeugt, dass eine Senkung der Stromsteuer Geringverdienern viel bringt", sagt Altmaier. Auch Verbraucherschützer, sonst niedrigeren Stromkosten gegenüber aufgeschlossen, bleiben zurückhaltend: So ist fraglich, ob eine Absenkung bei den Kunden überhaupt ankommt. Dazu müssten die Stromversorger die Senkung ohne Abstriche weiterreichen. Angesichts mäßig ausgeprägten Wettbewerbs beim Strom ist das allerdings eher unwahrscheinlich.

Ohnehin treffen steigende Strompreise am ehesten diejenigen, die wenig verdienen oder auf Stütze angewiesen sind. Während deutsche Haushalte im Schnitt heute mit 2,5 Prozent so viel von ihrem Einkommen für Strom aufwenden wie schon Mitte der achtziger Jahre, dürfte sich die Belastung ärmerer Haushalte deutlich erhöhen. Nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) müssen arme Haushalte künftig 4,5 Prozent ihres Einkommens für Strom ausgeben. Entsprechend weniger bleibt für alles andere.

Da schlägt die Stunde der Sozialdemokratie. Während die Umwelt- und Wirtschaftspolitiker der SPD noch um eine Haltung zur Zukunft der Ökostrom-Förderung ringen, ging am Wochenende Parteichef Sigmar Gabriel in die Offensive - mit einer ganz neuen Idee zur Verwendung der unverhofften Mehrwertsteuer-Einnahmen. Sein Vorschlag: Die Stromsteuer sollte künftig einen Grundfreibetrag enthalten, etwa für die ersten 500 Kilowattstunden.

Damit würden zwar abermals alle Stromkunden entlastet - allerdings anteilig diejenigen am stärksten, die ohnehin nicht viel Strom verbrauchen. Vorausgesetzt abermals, die Senkung lässt sich auch an die Stromkunden weiterreichen. 400 Millionen Euro würde dies kosten, heißt es in einem Papier des Parteichefs.

Jede Partei hat ihr ganz eigenes Konzept

Weitere 154 Millionen Euro aus dem Steuerfundus sollen nach den SPD-Plänen in Sozialtransfers fließen. So sollten Wohngeld, Bafög und die Grundsicherung für Arbeitssuchende angehoben werden, um ärmere Haushalte zu unterstützen. Ähnliche Vorschläge hatte zuletzt schon das DIW unterbreitet. Demnach müsste der Hartz-IV-Satz um monatlich 1,70 Euro angehoben werden, um Mehrkosten aufzufangen.

Und dann wäre da noch die CSU, die ihr ganz eigenes Modell entwickelt hat. Demnach würde die Ökostrom-Umlage, die im kommenden Jahr mit 5,3 Cent ein Rekordhoch erreichen wird, schlicht eingefroren - etwa bei 4,5 Cent. Alles, was an Förderung darüber hinaus zu zahlen ist, würde aus einem Fonds der Staatsbank KfW bestritten, der sich mit bis zu 46 Milliarden Euro verschulden würde. Die Zinsen? Richtig: Könnten aus den Mehrwertsteuereinnahmen bestritten werden.

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Wenn dann der Ökostrom wettbewerbsfähig ist, also weniger braucht als die Flatrate, würde der Fonds wieder abgestottert. "Die Grundidee ist, dass sich die Tilgung aus künftigen Überschüssen finanziert", sagt der CSU-Umweltpolitiker Josef Göppel. "So erreichen wir eine zeitliche Glättung." Derart überzeugt ist die CSU von ihrer Idee, dass sie auch im nächsten Koalitionsausschuss unterbreitet werden soll. Die Erfolgsaussichten dürften aber eher bescheiden sein.

Ohnehin ist die Schwesterpartei CDU derzeit auffällig ruhig. Altmaier, dessen Haus für die erneuerbaren Energien zuständig ist, will nun erst einmal ein paar Monate auf Gespräche verwenden. Schon glaubt mancher in der Koalition, dass von all den Vorschlägen nicht viel übrig bleiben wird. "Wenn das Kanzleramt zu der Überzeugung gelangt, dass die Leute die 5,3 Cent schlucken", heißt es in Koalitionskreisen, "dann passiert rein gar nichts."

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