Diskussion um Gehaltsverzicht:"Irgendwie ist das ein unsauberes Spiel"

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DaimlerChrysler hat mit dem Angebot, die Bezüge der Vorstände zu kürzen, eine neue Diskussion entfacht. Während Bundesregierung und BDI-Chef Rogowski die Kürzung begrüßen, vermuten die Gewerkschaften Taktiererei.

Von Markus Balser, Nikolaus Piper und Kassian Stroh

Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) und der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Michael Rogowski sprachen sich in der Diskussion um längere Arbeitszeiten ohne Lohnausgleich für einen Beitrag der Manager aus.

BDI-Praesident Michael Rogowski. (Foto: Foto: AP)

"Wenn sie anderen etwas abverlangen, sollten sie in der Lage sein, selbst etwas Gleiches zu tun", sagte Clement in Gelsenkirchen.

Löhne im oberen Bereich

Auch Rogowski sprach sich für Kürzungen aus, wenn Unternehmen wieder die 40-Stunden-Woche einführen wollten. Im internationalen Vergleich lägen aber nicht die Managergehälter, sondern die Löhne im oberen Bereich, sagte er.

CSU-Chef Edmund Stoiber warnte, die Bereitschaft der Bevölkerung zu Reformen werde gedämpft, wenn sich Spitzenkräfte Bezüge erhöhten, während gleichzeitig Mitarbeiter entlassen würden.

IG-Metall-Vizechef Berthold Huber gab sich angesichts der Vorschläge skeptisch: Dies sei der Versuch, "Kosmetik zu betreiben, die Wogen zu glätten". Bayerns IG Metall-Chef Werner Neugebauer nannte den Verzicht einen symbolischen Akt. Den aktuellen Problemen könne das die Brisanz nicht nehmen.

Aufs Gehalt verzichten

Im massiven Konflikt um das umstrittene 500-Millionen-Euro-Sparpaket des Autokonzerns will der DaimlerChrysler-Vorstand selbst auf Gehalt verzichten.

Ein Konzernsprecher bestätigte vor der entscheidenden Verhandlungsrunde in Stuttgart, der Vorstand sei zu einem Verzicht bereit, sollte es eine Einigung mit dem Gesamtbetriebsrat bei der Senkung der Arbeitskosten geben. Eine konkrete Summe nannte er nicht.

Sollte es in dieser Woche zu keiner Einigung geben, werde der Protest "mit voller Härte" fortgesetzt, sagte Gesamtbetriebsratschef Erich Klemm.

Geteilte Reaktionen auf Seiten der Arbeitgeber

Im Arbeitgeberlager löste der Vorstoß geteilte Reaktionen aus. Der Aufsichtsratschef der Dürr AG, Heinz Dürr, sprach sich für einen weit reichenderen Gehaltsverzicht aus.

Nicht nur der Vorstand, sondern der gesamte obere Führungskreis sollten verzichten. "Das macht nicht viel aus," sagte er der SZ, "es kommt auf die Signalwirkung an. Wenn DaimlerChrysler hier vorangeht, ist das eine gute Sache — dann müssen andere Firmen nachziehen".

Gesamtmetall-Präsident Martin Kannegiesser warnte dagegen, die Geste dürfe nicht verdecken, dass die Einsparmöglichkeiten dort lägen, wo die Masse der Personalkosten entstünden.

"Und die Masse fällt nun einmal nicht in den Chefetagen an, sondern da, wo 98 Prozent der Belegschaften arbeiten."

"Das ist Taktiererei"

Die IG Metall hat sich skeptisch über das Angebot des Daimler-Chrysler-Vorstandes auf Einkommensverzicht geäußert. Dies sei der Versuch, "Kosmetik zu betreiben, die Wogen zu glätten", sagte der Zweite Vorsitzende der Gewerkschaft, Berthold Huber im Westdeutschen Rundfunk. Das nehme aber den aktuellen Problemen nicht die Schärfe.

Ohnehin sei dieses Angebot nicht zu vergleichen mit den gesamten Sparplänen: Die Manager bekämen bei einem Einkommensverzicht vielleicht zwei oder drei Millionen Euro zusammen.

Auf der anderen Seite steht laut Huber weiter die Forderung an den Daimler-Betriebsrat, Einsparungen von 500 Millionen Euro zu akzeptieren." Also irgendwie ist das alles ein unsauberes Spiel. Und das ist Taktiererei", sagte der Gewerkschafter.

Druckmittel der Gewerkschaft

Huber kündigte an, die Gewerkschaft werde sich nicht unter Druck setzen oder gar erpressen lassen. Auch die IG Metall verfüge noch über eine ganze Menge Druckmittel.

Diese Diskussion gehe am Kern des Problems vorbei, erklärte ein Sprecher des Autozulieferers Continental. "Für uns geht es nicht darum, jemandem etwas wegzunehmen, sondern alle davon zu überzeugen, dass wir in Deutschland mehr anpacken müssen."

Daher erwarte man eine generelle Wiedereinführung der 40-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich. "Und da krämpelt auch das Management die Ärmel hoch", kündigte der Sprecher an.

Auch für die Adam Opel AG oder den MAN-Konzern stehen Vorstands-gehälter nach eigenen Angaben nicht zur Disposition. Beide Unternehmen verhandeln über Kostensenkungen, die Gehälter des Managements seien dabei aber kein Thema.

"Auch Vorstände sind Arbeitnehmer"

Der frühere Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Hans-Olaf Henkel, meinte, es sei sinnvoll, bei Einschnitten in Unternehmen alle Arbeitnehmer zu beteiligen — "und Vorstände sind auch Arbeitnehmer".

Mit der Debatte um die 40-Stunden-Woche sei der Beweis erbracht, dass die Arbeitszeitverkürzung Arbeitsplätze gekostet hat, sagte Henkel. "Für diesen Irrweg tragen die Arbeitgeberverbände fast noch mehr Verantwortung als die Gewerkschaften."

Schuld an der Einführung der 35-Stunden-Woche 1992 trügen Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt und der damalige IG-Metall-Bezirksleiter und spätere Arbeitsminister Walter Riester. Henkel forderte die Unternehmen auf, die Arbeitgeberverbände zu verlassen.

© SZ vom 20. Juli 2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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