Digitalisierung:Arbeitsagenturen schaffen Papier-Akten ab

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22 Millionen Akten und täglich kommen 260.000 neue Dokumente hinzu: Aus den Arbeitsagenturen wird das Papier weitgehend verbannt, Akten sollen nur mehr elektronisch geführt werden. Eine ähnliche Büro-Revolution ist allerdings schon einmal gescheitert.

Thomas Öchsner

Am Anfang war eine große Verheißung: Als in den achtziger Jahren der Personal-Computer die Bürowelt revolutionierte, prophezeiten Marktforscher das papierlose Büro. Drei Jahrzehnte später weiß jeder Angestellte: Die Vision vom Arbeitsplatz ganz ohne Aktenberge und Zettelwirtschaft ist eine Chimäre. Heute existieren auf den allermeisten Schreibtischen PC und Papier friedlich nebeneinander.

Internet und E-Mail haben den Papierverbrauch sogar noch erheblich gesteigert. Es wird ausgedruckt, was das Zeug hält, und hinterher schaut man, ob der Inhalt überhaupt von Nutzen ist. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) lässt sich davon jedoch nicht abschrecken. Sie führt in diesem Jahr in ihren 176 Arbeitsagenturen und mehr als 400 weiteren Dienststellen die elektronische Akte (e-Akte) ein. Das Vorhaben ist ein bislang einmaliges Großprojekt.

Es gibt keine Organisation oder Behörde von vergleichbarer Größe in Europa, die das bereits getan hat", sagt eine Sprecherin der BA. "Wir sind hier die Ersten." Es geht dabei um gigantische Papierberge in der Arbeitslosenversicherung, die die Bundesagentur einscannen lässt. In den Arbeitsagenturen liegen 22,2 Millionen Kundenakten. Täglich kommen 260.000 Dokumente neu hinzu. Auch die 13,2 Millionen Akten der Familienkassen, die das Kindergeld auszahlen und zur BA gehören, werden digitalisiert.

Büro-Revolution war minutiös geplant

Dass das Land Berlin bei der gescheiterten Einführung der e-Akte in der Strafjustiz fast neun Millionen Euro versenkte, beunruhigt die Manager der Nürnberger Mammutbehörde nicht. Sie haben die Büro-Revolution minutiös geplant. Es gab einen sechsmonatigen Feldversuch in Sachsen-Anhalt und Thüringen - und anders als bei dem Berliner Projekt funktionierte die Software.

Deshalb werden von Juli bis November auch die Arbeitsagenturen in anderen Bundesländern die e-Akte einführen. Die Papiere werden dafür in verplombten Behältern in zehn Scan-Zentren gebracht. Dort stehen Hochleistungsscanner, die 10.000 Blatt pro Stunde digitalisieren können*. Dann werden die elektronischen Dokumente per Datenleitung direkt an den Arbeitsplatz des zuständigen Mitarbeiters der Arbeitsagentur übertragen, alles offenbar datenschutzrechtlich korrekt. Der Bundesdatenschutzbeauftragte hat bislang jedenfalls nur angekündigt, das Verfahren weiter "kritisch" zu begleiten.

Die Bundesagentur verspricht sich von der elektronischen Akte, effizienter und kostengünstiger arbeiten zu können: Auskünfte ließen sich schneller erteilen. Mitarbeiter könnten unabhängig vom Standort auf Dokumente zugreifen. Transport und Lagerung von Akten würden wegfallen. "Wir wollen dadurch jährlich einen dreistelligen Millionenbetrag sparen", sagt die BA-Sprecherin, ohne genauere Zahlen zu nennen. Als nächstes ist geplant, die für die Hartz-IV-Empfänger zuständigen Jobcenter einzubeziehen: In diesen sind die Papierberge noch viel größer als bei der Arbeitslosenversicherung. Jede Akte eines Langzeitarbeitslosen füllt dort im Schnitt 300 Seiten.

Papier wird aber nicht ganz abgeschafft. Der Bescheid über das Arbeitslosengeld kommt weiter per Post und nicht per E-Mail. Drucker bleiben in den Büros. Keinem Mitarbeiter ist es verboten, handschriftlich Notizen zu machen. Jobsuchende dürfen ihrem Sachbearbeiter weiter Briefe schreiben. Und der wird bestimmt den ein oder anderen Kollegen haben, der ins Büro mit einem Stapel Papier kommt und sagt: "Ich hab' dir mal was ausgedruckt."

*Anmerkung der Redaktion: Ursprünglich hieß es hier, die Scanner könnten 10.000 Blatt pro Minute digitalisieren - es sind aber 10.000 Seiten pro Stunde.

© SZ vom 26.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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