Dieter Schwarz:Verschlusssache

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Dieter Schwarz, der Gründer von Lidl und Kaufland, wird 80. Er feiert, aber unter Ausschluss der Öffentlichkeit - wie sonst?

Von Michael Kläsgen und Stefan Mayr, Heilbronn

Wie 80 Jahre wirkt Dieter Schwarz nicht. Mit einem sanften Lächeln steht er an einem grauen Tag im Januar in der Aula des Bildungs-Campus Heilbronn und begrüßt all die wichtigen und weniger wichtigen Gäste bei der Eröffnung der TUM-Außenstelle. Das dauert seine Zeit, denn fast jeder will dem großzügigen Spender die Hand schütteln. Dennoch ist bei Schwarz kein Anflug von Müdigkeit oder gar Schwäche zu erkennen. Im Gegenteil: Der Herr mit grauen, halblangen und leicht gewellten Haaren wirkt geistig und körperlich topfit. Und alles andere als unsympathisch; Schwarz gilt als reichster Mann Deutschlands und erscheint dennoch mit einem Anzug und Schuhen, die er ganz offensichtlich schon seit langer Zeit besitzt.

Keine modischen Ambitionen, keine Eskapaden, keine großspurigen Auftritte, kein Jet Set. Das ist Dieter Schwarz, er meidet die Öffentlichkeit mit jener Beharrlichkeit, mit der er den drittgrößten Lebensmittel-Handelskonzern der Welt aufgebaut hat.

An diesem Dienstag wird er nun 80 Jahre alt und feiert doch ein bisschen. Allerdings behandelt der nach ihm benannte Handelskonzern, die Schwarz-Gruppe, zu der die Lebensmittelketten Lidl und Kaufland gehören, die Zeremonie wie eine geheime Verschlusssache. Immerhin leistet sich der Milliardenkonzern ja nun seit knapp einem Jahr eine Pressestelle. Die gibt dazu aber nichts bekannt.

So ranken sich auch um die Feierlichkeiten Spekulationen. Laut Südwestpresse feiert "das Phantom" Dieter Schwarz "mit über 300 Verwandten und Wegbegleitern". Aber Achtung: Es herrscht "Lobverbot": Reden sind verboten. Laut Manager Magazin hingegen feiert Schwarz mit "handverlesenen Führungskräften von Lidl und Kaufland, dazu einige Weggefährten". Wo? Auf dem TUM Campus Heilbronn, einer vom Jubilar höchstselbst gestifteten Lehr- und Forschungseinrichtung der Technischen Universität München.

Das Jahr in Amerika hat ihn geprägt

Obwohl Schwarz seit Jahrzehnten eng mit seiner Heimatstadt Heilbronn verbunden ist, veranstaltet die Stadt keinen Festakt für ihren Ehrenbürger. Er will es einfach nicht. "Dieter Schwarz richtet eine private Feier aus und wünscht keine zusätzlichen Feierlichkeiten seitens der Stadt", teilt das Rathaus lapidar mit.

So stellt sich der Discounter Lidl in New York dar, bei der Präsentation der Heidi-Klum-Kollektion. (Foto: Ilya S. Savenok / AFP)

Für Journalisten sind das zwei reizvolle Sujets: das große Schweigen und das große Geld. Kurz vor seinem Geburtstag poppte zielsicher eine neue Schätzung seines wundersamen Reichtums auf, diesmal mit einer astronomischen Summe. Das Wirtschafts-Magazin Bilanz taxierte sein Vermögen inklusive Immobilien und allem drum und dran auf 41,5 Milliarden Euro. Vorher waren Zahlen unter 20 Milliarden Euro im Umlauf. Jetzt also mehr als das Doppelte. Ob das stimmt? Überflüssig, die Konzernpressestelle dazu zu befragen. Mit 80 ist Dieter Schwarz zu einer Projektionsfläche fürs Fantastische geworden.

Es ist schon eine phänomenale Leistung, die der Lidl-Gründer da vollbracht hat. Geboren kurz nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, Vater Josef kein Nationalsozialist, sondern im Handel mit Südfrüchten tätig. Das allein reichte damals schon, sich verdächtig zu machen. Nach dem Abitur durfte Dieter Schwarz nicht studieren, sondern musste auf Geheiß des Vaters im Betrieb der Familie anfangen.

Eines hatte ihn da schon für sein Leben geprägt: das eine Jahr, das er in den USA mit dem American Field Service verbrachte. So kurz nach dem Krieg war das keine Selbstverständlichkeit. Schwarz sah in den USA das erste Mal Selbstbedienungsläden, die es in der Form und Breite in Deutschland noch nicht gab. Er erkannte: Das ist die Zukunft des Lebensmittelhandels.

1963 wurde er mit nur 24 Jahren persönlich haftender Gesellschafter im Heilbronner Lebensmittel-Großhandel des Vaters. Eine andere, damals ziemlich neue Idee im Lebensmittelhandel schaute er sich von den Brüdern Albrecht aus Essen ab, den Aldi-Gründern: die Idee, die Ware im Karton auf Paletten zu verkaufen. Aldi einzuholen war das, was ihn motivierte. Inzwischen hat Lidl Aldi beim Umsatz weltweit nicht nur ein-, sondern auch überholt.

Neuerdings gehört auch ein Finanzinstitut in Dublin zum Konzern

Die Schwarz-Gruppe beschäftigt heute 429 000 Mitarbeiter und macht 104 Milliarden Euro Jahresumsatz. Welch eine Riesenzahl für ein Familienunternehmen: Nach Umsatz ist die Schwarz-Gruppe der drittgrößte Konzern Deutschlands - hinter den im größten deutschen Aktienindex gelisteten Konzernen Volkswagen und Daimler, aber vor BMW. Mark Zuckerberg bringt es mit seinem Internet-Konzern Facebook nur auf halb so viel Umsatz.

Die Schwarz-Gruppe hat weltweit 12 000 Filialen in 30 Ländern, damit gilt sie als drittgrößter Lebensmittelhändler der Welt. Und sie will weiter wachsen: Auf einer Pressekonferenz im Mai rief Konzern-Boss Klaus Gehrig, der wohl wichtigste Vertraute von Schwarz, die 110-Milliarden-Marke als nächstes Ziel aus. Alleine in Deutschland gibt es etwa 3200 Lidl-Läden und 700 Kaufland-Geschäfte. Zusätzlich betreibt die Gruppe eigene Fabriken für Fleisch, Eis, Wasser und Brot. Doch längst beschäftigt sich das Imperium nicht nur mit Discount-Artikeln. Die jüngste Tochter PreZero investiert in Recycling, und natürlich gehören unzählige Immobilien zum Besitz.

Neuerdings zählt auch ein Finanzinstitut im steuergünstigen Irland zum Firmenimperium des Dieter Schwarz: die SG Finance & Treasury Limited aus Dublin. Sie ist eine gemeinsame Tochter der Lidl-Stiftung & Co KG und der Kaufland-Stiftung & Co KG. Laut Jahresabschluss 2018/19 wiesen beide Unternehmen bei ihrer Tochter in Irland zusammen Verbindlichkeiten in Höhe von 2,3 Milliarden Euro aus. Zum Vergleich: Der addierte Konzern-Jahresüberschuss beider KGs beträgt 1,6 Milliarden. Das wirkt wie ein geschicktes Steuerspar-Konstrukt, absolut legal zwar, aber moralisch bedenklich. Was die Schwarz-Gruppe mit seinem Finanzinstitut im Steuerparadies Irland bezweckt? Auch diese Frage lässt die Pressestelle der Schwarz-Gruppe unbeantwortet.

Nun hat Dieter Schwarz auch einige Stiftungen und Gesellschaften gegründet, die viel Geld für gute Zwecke ausgeben. Allen voran die Dieter Schwarz Stiftung gGmbH. Sie hat - geschätzte - 500 Millionen Euro investiert, um in Heilbronn den Bildungscampus zu errichten. Auf ihm hat nicht nur die Außenstelle der TU München ihren Sitz, sondern mehrere weitere Bildungseinrichtungen. Diese bringen Hunderte Jobs und Studenten in die Stadt, es ist so etwas wie ein privat finanziertes Strukturförderprogramm.

Das Lebenswerk von Dieter Schwarz kann sich sehen lassen, aber nie würde er wohl auf die Idee kommen, sich darauf auszuruhen. Noch immer geht er regelmäßig in sein Büro in der Firmenzentrale in Neckarsulm. Das ist sein Leben, und daran wird sich wohl nichts ändern.

© SZ vom 24.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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