Dieselaffäre:"Schwere Fehler"

Lesezeit: 2 min

Kanzlerin Merkel macht den Abgasskandal jetzt zur Chefsache - und hält ein langfristiges Diesel-Verbot für richtig.

Von Markus Balser, Berlin

Angela Merkel erhöht den Druck auf die Autobranche und hält ein Verbot von Diesel-Autos für möglich. "Ich kann jetzt noch keine präzise Jahreszahl nennen, aber der Ansatz ist richtig", sagte die Kanzlerin. Damit spitzt sich der Streit um einen Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor in Deutschland zu. Andere europäische Länder waren bereits mit ehrgeizigen Ausstiegszielen vorgeprescht. So wollen Frankreich und Großbritannien nach 2040 keine neuen Diesel und Benziner mehr auf die Straße lassen. Die Ansage der Kanzlerin gilt auch als Signal an die Grünen. Während die Grünen den Verkaufsstopp von fossilen Verbrennern ab 2030 verlangen, wollten sich weder SPD noch Union bisher auf eine solche Debatte einlassen.

Experten halten ein langfristiges Verbot für Verbrennungsmotoren ab 2030 für nötig, um die Klimaziele Deutschlands zu erreichen. Die Regierung hatte mit dem Klimaschutzbericht 2050 beschlossen, dass das Verkehrssystem Mitte des Jahrhunderts weitgehend treibhausgasneutral und unabhängig von fossilen Kraftstoffen ist. Laut EU-Vorgaben muss Deutschland seinen CO₂-Ausstoß bis 2030 im Verkehrssektor um fast 40 Prozent senken. Bei der Lebensdauer der Autos müsste ein Zulassungsverbot bereits ab 2030 eingeführt werden, um Verbrennungsmotoren langfristig von den Straßen zu verbannen.

SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz warf Merkel einen Schlingerkurs vor: "Am Wochenende hat sie eine Quote für Elektroautos abgelehnt. Nun fordert sie ein Dieselverbot." Merkel habe weder für die Zukunft der deutschen Automobilindustrie noch für die Zukunft des Landes einen Plan. Der Umweltorganisation Greenpeace geht die Aussage Merkels nicht weit genug: "Ohne konkretes Ausstiegsdatum sind die Aussagen der Kanzlerin zum Verbrenner-Ende nicht mehr als Nebelkerzen im Wahlkampf und helfen weder dem Klima noch der deutschen Autoindustrie", teilte Benjamin Stephan von Greenpeace mit. "Wenn die Kanzlerin den Autobossen nicht bald ins Lenkrad greift, fahren diese die ganze Branche und die deutschen Klimaziele gegen die Wand." Auch im Kanzleramt setzt sich allerdings offenbar die Erkenntnis durch, dass radikalere Einschnitte bei der Verkehrswende nötig werden, als bisher gedacht. Wenn "wir schnell in noch mehr Ladeinfrastruktur und Technik für E-Autos investieren, wird ein genereller Umstieg strukturell möglich sein", sagte Merkel weiter. Klar sei zugleich, dass "wir uns bis 2050 sehr ehrgeizige Klimaziele gesetzt haben". Im Vergleich zu 1990 soll der Ausstoß von Kohlendioxid um 80 bis 95 Prozent reduziert werden. Das sei nur zu schaffen, "wenn auch im Verkehr deutlich weniger CO₂ ausgestoßen wird", sagte Merkel. Elektroautos stoßen anders als Diesel- und Benzinmotoren direkt kein klimaschädliches CO₂ aus. Merkel deutete auch eine Abkehr von laxen Kontrollen an. Der Branche gegenüber sei man zu leichtgläubig gewesen: "Da ist Vertrauen zerstört worden. Die Branche habe "schwere Fehler" gemacht. "Und da muss man leider sagen: Kontrolle ist notwendig." Die will die Bundeskanzlerin nun auch zur Chefsache machen und am nächsten, für den Herbst geplanten Diesel-Gipfel teilnehmen.

Umweltschützer üben scharfe Kritik. Die Stickoxid-Belastung werde so kaum verbessert

Umweltschützer kritisieren die Ergebnisse des ersten Gipfels hart. Die Stickoxid-Belastung (NOx) in den Städten wird nach Einschätzung der Deutschen Umwelthilfe durch die Beschlüsse kaum verbessert. Nachrüstungen per Software-Update, Kaufprämien für moderne Autos und der Zukunftsfonds für die Städte würden weniger als fünf Prozent NOx-Reduzierung bringen, sagte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch. Fahrverbote seien alternativlos, wenn nicht noch umfangreichere technische Nachrüstungen an den Motoren beschlossen würden. Die DUH will ihre Klagen gegen die NOx-Belastung in den Städten fortsetzen. Auch die EU hat seit Längerem ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen der Abgaswerte in vielen Städten laufen. Das Landesverwaltungsgericht Stuttgart hatte zuletzt geurteilt, dass Fahrverbote trotz Software-Nachbesserung praktisch unvermeidlich seien.

© SZ vom 16.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: