Die großen Spekulanten (44):"Spiele, als ob du morgen stirbst"

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In Las Vegas wurde Kirk Kerkorian reich, verdammt reich. Doch seine Liebe zu Frauen und Autos kostete ihn Milliarden.

Hannah Wilhelm

Er weiß, dass es Selbstmord ist. In ein Flugzeug zu steigen und über den Atlantik zu fliegen - und das ohne ausreichend Treibstoff an Bord. Er macht es trotzdem. Er klettert in den grauen Mosquito-Bomber, unter ihm schnurren zwei Rolls-Royce-Motoren; dann hebt er ab.

Kirk Kerkorian wurde in Las Vegas reich. (Foto: Foto: Reuters)

Es ist Krieg, und Kirk Kerkorian ist Mitte 20. Die Flugzeuge müssen von Kanada nach Großbritannien gebracht werden, dort braucht man sie für Kampfeinsätze gegen Nazi-Deutschland. Für so eine lange Strecke ist der Tank nicht ausgelegt, die Überführung gelingt nur dann, wenn der Pilot die Winde über dem Atlantik perfekt ausnutzt. 50 Prozent kommen durch.

Kirk Kerkorian bringt 33 Mosquito-Bomber nach Großbritannien. 33-mal riskiert er sein Leben. Und 33-mal gewinnt er. Es heißt, dass er nach jeder Landung erst mal eine Runde Poker spielte.

Er sei der geborene Spieler, sagen gute Freunde über ihn. In seinem Leben hat der heute 91-Jährige schon viel riskiert - und meist gewonnen. So ist er reich geworden, verdammt reich: Ihm gehören 11,2 Milliarden Dollar. Das US-Wirtschaftsmagazin Forbes führt ihn 2008 in der Liste der 400 reichsten Amerikaner auf Platz 27.

Mit der Cessna nach Las Vegas

Die wichtigste Lektion in seinem Leben lernt Kirk Kerkorian sehr früh: In der Depression der zwanziger Jahre verliert sein Vater die Rosinenfarm in Kalifornien.

Zuvor konnte die Familie von der Farm sehr gut leben, doch in den zwanziger Jahren gelten andere Gesetze. Die Familie muss 20-mal umziehen, kann keine Miete mehr zahlen. Schließlich landen die Kerkorians im lauten, dreckigen, überfüllten Los Angeles, wo viele andere auch nach Arbeit suchen. Als ihn später einmal jemand fragt, was er aus dem Scheitern seines Vaters gelernt habe, antwortet er: Dass man nicht alles auf eine Karte setzen soll.

Als er aus dem Krieg nach Los Angeles zurückkommt, kauft er sich von den verdienten 60.000 Dollar Sold eine Cessna. Damit bringt er Spielwillige und -süchtige von L.A., Kalifornien, nach Las Vegas, Nevada, wo das Glückspiel seit den dreißiger Jahren erlaubt ist.

Er verliebt sich in die aufstrebende Stadt, hier will er leben, atmen, sein. Vor allem spielt er hier, Abende, Nächte. Doch schnell merkt er, dass er so in Las Vegas nicht reich wird. Reich werden hier nur die Besitzer von Casinos und Hotels.

Strahlend selbstbewusst

Aus seinem kleinen Flugunternehmen wird durch Zukäufe und Expansion eine ertragreiche Fluglinie. Parallel beginnt Kerkorian in der Stadt seiner Träume mit Grundstücken zu zocken.

Er kauft günstig Land außerhalb des Zentrums und verkauft es mit riesigen Gewinnen, wenn es zum begehrten Baugrund geworden ist. Ein Stück behält er jedoch selbst - er will endlich mitverdienen und das weltweit größte Hotel bauen, das "International".

Das ist sein Traum, sein Leben. Er läuft über die Baustelle, in der Hand die Pläne des Gebäudes mit den 1500 Zimmern. Die Augen unter der glänzend gegelten schwarzen Haartolle strahlen selbstbewusst, er trägt ein kariertes Sakko, ein weißes Hemd, dazu eine enggebundene schwarze Krawatte.

Bei der Eröffnung des Hotels im Jahr 1969 treten Elvis Presley und Barbara Streisand auf. Nun hat er es geschafft, er, der Nachfahre armenischer Auswanderer, er, der eigentlich auf den armenischen Vornamen Kerkor hört, er ist der König der Welt - oder zumindest der König von Las Vegas.

Lesen Sie auf der zweiten Seite, was Kirk Kerkorians erste Karriere war.

Kerkorian wird reich in Las Vegas. Er baut zwei weitere Hotels, prägt die laute und grell bunte Plastikstadt in der Wüste Nevadas wie nur wenig andere. Gleichzeitig ist er selbst nicht Teil des Glamours der Stadt, er taucht auf keinem roten Teppich auf, geht zu keiner Party, gibt fast keine Interviews, hält keine Reden. Er nutzt nicht mal Kreditkarten, besitzt keine E-Mail-Adresse, kauft nicht in öffentlichen Läden ein.

Er lebt versteckt, zurückgezogen. Nur manchmal, wenn ein Boxkampf stattfindet, dann sieht man ihn in einer der hinteren Reihen sitzen. Das Knautschgesicht ist gealtert, die Haartolle nun weiß. Und zwischendurch ahmt er dann auch mal einen Schlag, einen Haken, eine Abwehr nach.

Das Boxen ist seine erste Karriere. Dass er zuschlagen kann, beweist er schon als Kind: Da fliegt er in der achten Klasse von der Schule, weil er sich mit einem Mitschüler geprügelt hat.

Nicht nur ein Spieler, sondern auch ein Kämpfer

Bald ändert er seinen Namen: vom armenischen "Kerkor" ins amerikanische "Kirk" und dann in "Rifle Right". Unter dem Künstlernamen tritt er als Boxer an, sein Bruder trainiert ihn. Berüchtigt ist "Rifle Right" für seine Rechte, die wie aus dem Gewehr geschossen Richtung Gegner zielt. Er schafft es im Weltergewicht zum Amateurmeister an der Pazifikküste. Ja, Kirk Kerkorian ist nicht nur ein Spieler, sondern auch ein Kämpfer. Bis heute.

Drei Ehefrauen hatte er in seinem langen Leben, gerungen und gekämpft hat er vor allem mit der dritten. Nur einen Monat waren sie verheiratet, das war 1999, da ist Kerkorian bereits 82 Jahre alt. Seine fast 50 Jahre jüngere Ex-Frau, die Tennisspielerin Lisa Bonder, will für das angeblich gemeinsame Kind Unterhalt einklagen - über 300.000 US-Dollar im Monat.

Doch Lisa Bonder merkt schnell, dass nur nach den Regeln von Kirk Kerkorian gespielt wird. Er lässt mittels einer DNS-Probe nachweisen, dass die Tochter nicht von ihm ist. Ein weiterer Sieg für "Rifle Right".

Neben den Casinos und Hotels steckt Kerkorian sein Geld in das Filmstudio Metro-Goldwyn-Mayer - drei Mal in seinem Leben kauft und verkauft er das Unternehmen, das vor allem für seine James-Bond-Filme bekannt ist.

Unglückliche Liebe zu Autos

Kerkorian ist zerrissen: Er trennt sich von seinen Spekulationsobjekten, um sie dann wieder zurückzukaufen. Er hängt eben sein Herz an Dinge. So auch an das neuesten Objekt seiner Begierde: Autos.

Es ist eine unglückliche Liebe, die da 1990 beginnt, als der König von Las Vegas das erste Mal Chrysler-Aktien kauft. Fünf Jahre später will er den Konzern feindlich übernehmen - er scheitert.

Als Chrysler dann mit Daimler-Benz fusioniert, klagt Kerkorian, ohne Erfolg. 2005 steigt der mittlerweile 88-Jährige bei General Motors ein - und bald wieder aus. Er verliert mehrere hundert Millionen Dollar. In diesem Jahr nun das Gleiche mit Ford. Die Autos und er, es soll nicht sein - und doch kann er es nicht lassen.

Zur Ruhe wird sich der 91-Jährige sicher so bald nicht setzen. Lautet doch eines der wenigen überlieferten Zitate: "Arbeite, als ob du für immer lebst. Spiele, als ob du morgen stirbst."

© SZ vom 02.12.2008/pak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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