Deutschland:Die Azubis werden knapp

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Noch nie haben weniger junge Menschen eine Ausbildung in Deutschland begonnen als im vergangenen Jahr. Berufswünsche und Angebote passen oft nicht zusammen. Das ist aber längst nicht der einzige Grund für den großen Mangel.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Jugendliche und Betriebe finden immer seltener zusammen: Im vergangenen Jahr haben 516 000 junge Menschen in Deutschland einen Ausbildungsvertrag abgeschlossen, so wenige wie noch nie seit der Wiedervereinigung. Das hat das Statistische Bundesamt bekanntgegeben. Demnach ging die Zahl der Verträge verglichen mit 2014 um 2200 oder 0,4 Prozent zurück. Auch insgesamt ist die Zahl der Auszubildenden auf 1,34 Millionen gesunken.

Das Bundesamt sieht vor allem zwei Gründe für den Negativ-Trend. Erstens nimmt wegen des Geburtenrückgangs die Zahl der Schulabgänger ab. Daran wird sich vorläufig auch nichts ändern. Die Zahl der nicht studienberechtigten Schulabgänger werde zwischen 2014 und 2025 um voraussichtlich gut 100 000 zurückgehen, heißt es im Berufsbildungsbericht der Bundesregierung. Dabei ist aber noch nicht berücksichtigt, dass sich die Zahl durch die Flüchtlingskinder an den Schulen wieder verbessern könnte. Zweitens: Die Schulabgänger mit (Fach-)Abitur studieren häufiger als frühere Jahrgänge.

Klempner, Fleischer, Bäcker, Tierwirt, Koch - das wollen viele Jugendliche lieber nicht werden

Allerdings gibt es zunehmend auch "Passungsprobleme". So bezeichnet das Bundesinstitut für Berufsbildung (BiBB) die Schwierigkeiten, Angebote der Betriebe und Wünsche der Jugendlichen zusammenzuführen. So blieben laut BiBB 2015 etwa 41 000 Ausbildungsplätze unbesetzt, gut zehn Prozent mehr als 2014. Zugleich suchten mehr als 80 000 junge Menschen im vergangenen Jahr erfolglos eine Lehrstelle. Es gibt einerseits Berufe, die als unattraktiv gelten, wie Restaurantfachmann/-frau, Klempner, Fleischer, Bäcker, Tierwirt, Koch. Dort ist die Zahl der unbesetzten Lehrstellen besonders hoch. Andererseits haben unter den erfolglosen Bewerbern gut ein Viertel die Hochschulreife. Und die streben häufig kaufmännische Berufe, Medienberufe und IT-Berufe an. Hier gebe es "einen deutlichen Überhang an Bewerbern", stellt das Institut fest.

Die Zahl der Ausbildungsbetriebe ist jedenfalls seit Jahren rückläufig. Etwa jeder fünfte Betrieb in Deutschland bildet noch aus. Vor allem in den Kleinstbetrieben mit weniger als 20 Beschäftigten schwindet die Bereitschaft, einen Lehrling einzustellen. Laut BiBB-Umfrage liegt dies nicht nur daran, dass die Betriebe kaum oder keine Bewerbungen erhielten. 43 Prozent gaben an, sie hätten keinen Bedarf an selbst ausgebildetem Nachwuchs - trotz des Fachkräftemangels in manchen Berufen und Regionen. Jeder vierte Betrieb berichtete, er könne Azubis nicht übernehmen und bilde daher nicht aus. Jeder Dritte bezeichnete die Bewerber als ungeeignet.

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) bewertet das Engagement der Betriebe für Ausbildung dennoch als "hoch". Obwohl die Zahl der Schulabgänger mit Haupt- und Realschulabschluss seit 2003 um ein Viertel gesunken sei, habe sich die Zahl der Ausbildungsverträge im gleichen Zeitraum nur um sechs Prozent verringert. "Damit haben sich die Chancen junger Menschen auf Ausbildung deutlich verbessert", sagte ein BDA-Sprecher. Er hob die guten Chancen hervor, die eine duale Ausbildung bietet: Die Betriebe würden sieben von zehn Azubis direkt übernehmen. Auch könne man sich später selbständig machen. So suchten zum Beispiel mehr als 180 000 Inhaber von Handwerksbetrieben bis 2020 einen Nachfolger.

© SZ vom 14.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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