Deutsche Telekom:Wachstum aus Übersee

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Bald vereint. T-Mobile-Chef John Legere umarmt Marcelo Claure vom Konkurrenten Sprint. (Foto: Brendan McDermid/REUTERS)

Wettbewerbshüter erlauben der Telekom die Fusion mit Sprint in den USA. Das Unterfangen ist nicht ohne Risiken.

Von Benedikt Müller, Düsseldorf

Wenn Tim Höttges, 56, über Amerika spricht, dann kommt der Chef der Deutschen Telekom selten ohne Superlativ aus. Seine Tochterfirma T-Mobile US nennt er "unseren Wachstumsstar". Sie zählt schon heute gut 83 Millionen Mobilfunkkunden in Amerika. Und es könnten schon bald viel mehr werden.

Denn die Telekom darf auf das hoffen, was Höttges als "den großen Deal" bezeichnet: T-Mobile will den Konkurrenten Sprint übernehmen - und damit nahe an die beiden Marktführer AT&T und Verizon heranrücken. Zweimal war die Fusion in der Vergangenheit gescheitert. Doch jetzt scheint die Telekom dem Ziel so nah wie nie zuvor.

Lange wollte die Telekom ihre US-Tochter loswerden. Nun will sie die Marktführer angreifen

Nach der US-Telekomaufsicht FCC hat nun auch das Justizministerium in Washington dem 23 Milliarden Euro schweren Zusammenschluss zugestimmt - allerdings nur unter Auflagen: T-Mobile und Sprint müssen ihre Prepaid-Marke Boost sowie einen Teil ihrer Funkfrequenzen an den Satellitenbetreiber Dish abgeben. So will die Behörde den Wettbewerb auf dem US-Mobilfunkmarkt schützen. Im Raum steht nun noch eine Klage mehrerer US-Bundesstaaten. Sie fürchten im Falle der Fusion weniger Auswahl und höhere Preise für die Kunden.

Fest steht: Wenn Höttges' Plan gelingt, hätte die Telekom in Amerika bald mehr Kunden als in Deutschland und dem EU-Ausland zusammen. Der einstige Staatskonzern würde sein Geld künftig zu mehr als der Hälfte in den USA verdienen. Der Vorstand betont die Chancen: T-Mobile und Sprint wollen die Kosten um mehrere Milliarden senken. Sie könnten doppelte Antennenplätze sparen, Vertrieb und Verwaltung zusammenlegen. Und sie könnten sich die Kosten für den neuen Mobilfunkstandard 5G teilen. "Unsere Industrie lebt von den Größenvorteilen", so Höttges.

Doch für Telekom-Aktionäre birgt der Plan auch Risiken. "T-Mobile US müsste den US-Konkurrenten samt Schulden übernehmen", warnte Thomas Deser von Union Investment in der Hauptversammlung des Konzerns, "und die Integrationskosten sind sehr hoch." Der Zusammenschluss würde zunächst gut zwölf Milliarden Euro kosten. Das drückt den Gewinn je Aktie nach unten - und daran will die Telekom die Dividendenzahlung bemessen. "Wir würden zwei Jahre haben, in denen man eine Delle durchläuft", sagte der Vorstand am jüngsten Kapitalmarkttag.

Damit die Behörden die Fusion genehmigen, haben T-Mobile und Sprint Zugeständnisse angeboten. Neben dem Verkauf von Boost wollen die Konzerne die neue 5G-Technik auch in ländlichen Gebieten der USA ausbauen. Dieser neue Standard kann selbst große Datenmengen nahezu in Echtzeit übertragen und gilt als Grundlage für Zukunftstechnologien wie das autonome Fahren. Auch wollen T-Mobile und Sprint beim 5G-Ausbau auf Technik von Huawei verzichten. Die USA befürchten, dass China den Ausrüster zwingen könnte, Daten aus dem Westen abzufangen oder Mobilfunknetze lahmzulegen.

Huawei weist die Vorwürfe zurück. Für die Telekom wäre der Zusammenschluss mit Sprint der vorläufige Höhepunkt eines wechselvollen Amerika-Abenteuers. Der Konzern hatte 2001 unter dem Vorstandschef Ron Sommer übermütig in die USA expandiert und - mitten im Börsenboom - zwei Mobilfunkanbieter übernommen. Doch litt T-Mobile zunächst unter Lücken im Netz. Auch hatte die Telekom-Tochter als einziger großer Anbieter das beliebte iPhone zunächst nicht im Angebot. 2011 wollte die Telekom ihre Tochter an Marktführer AT&T verkaufen, scheiterte aber an der Kartellbehörde.

Danach ersteigerte T-Mobile unter dem exzentrischen Chef John Legere zusätzliche Funkfrequenzen und vereinfachte die Kundenverträge. Der 61-Jährige ist für seine langen Haare, Magenta-Klamotten und Verbalattacken auf Konkurrenten berühmt; Legere hatte etwa die Marktführer AT&T und Verizon als "Dumm und Dümmer" verunglimpft. T-Mobile hat unter seiner Führung Millionen Kunden hinzugewonnen und wächst so stark wie kein anderes Geschäft des Bonner Konzerns. In der Nacht zu Freitag hat T-Mobile die Jahresprognose nach oben korrigiert; die Quartalszahlen übertrafen die Erwartungen.

In den vergangenen Jahren haben T-Mobile und Sprint schon zweimal einen Zusammenschluss versucht. Dieser scheiterte 2014 an kartellrechtlichen Einwänden; die Telekom-Tochter wäre damals noch Juniorpartnerin gewesen. Im Herbst 2017 dann wurden sich die Telekom und der Sprint-Hauptaktionär Softbank aus Japan nicht einig, wer das Sagen in dem Gemeinschaftsunternehmen hätte.

Diese Streitfrage hat sich nun zugunsten des Bonner Konzerns gelöst: Softbank soll 27 Prozent der Anteile des neuen Gemeinschaftsunternehmens halten. Die Telekom erhielte 42 Prozent - sicherte sich aber weitgehende Stimmrechte, sodass sie T-Mobile auch künftig voll in der Konzernbilanz ausweisen kann. Die restlichen Anteile gehören sonstigen Aktionären. Das Gemeinschaftsunternehmen soll auch in Zukunft T-Mobile heißen, Telekom-Chef Höttges soll dessen Aufsichtsrat leiten.

© SZ vom 27.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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