Deutsche Telekom:"Hört auf zu jammern!"

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Telekom-Chef Tim Höttges nervt die Kritik am Internetausbau, daraus macht er bei der Hauptversammlung auch keinen Hehl. Er greift seine Rivalen an, die mit ihrer Antwort nicht lange warten lassen.

Von Varinia Bernau, Köln

Tim Höttges fläzt auf einem Sofa, ein Tablet in der Hand. Damit schaut er nach, welche Fernsehsendung gerade die meisten Menschen interessiert. Dann schaltet er in den Vorgarten eines vernetzten Musterhauses, um nachzusehen, ob dort auch alles in Ordnung ist. So demonstriert der Chef der Deutschen Telekom seinen Aktionären die schöne neue digitale Welt. Aber ist Deutschland dafür wirklich gerüstet?

Derzeit tobt ein heftiger Streit über das sogenannte Vectoring der Deutschen Telekom. Mit der Technologie lassen sich die alten Kupferleitungen aufbessern. Das ist schneller und billiger, als neue Glasfaserkabel zu verlegen. Allerdings kann dabei nur ein Unternehmen die Hoheit über wichtige Verteilstationen im Netz haben. Sonst kommt es zu Störungen. Kritiker fürchten, dass nun ausgerechnet jene Wettbewerber behindert werden, die sich zuletzt beim Ausbau des Glasfasernetzes ins Zeug gelegt haben. Kupferkabel gelten ihnen als eine veraltete Technologie, die Zukunft gehöre der Glasfaser. Die Europäische Kommission hat sich deshalb die von der Bundesnetzagentur erteilte Genehmigung des Vectorings zu einer vertieften Prüfung vorgenommen.

Telekom-Chef Höttges nutzte deshalb die Hauptversammlung, um sich dieser Kritik zu stellen - und seinerseits mit scharfen Worten seine Wettbewerber auf Versäumnisse hinzuweisen. "Jammern baut kein Netz", schmetterte er ihnen entgegen. "Besser investieren als kritisieren."

Auch wenn Kabelnetzbetreiber wie 1 & 1, Unity Media oder das inzwischen zu Vodafone gehörende Kabel Deutschland zuletzt dazu gewonnen haben, ist die Deutsche Telekom noch immer der größte Internetanbieter im Land. Mehr als 40 Prozent der Deutschen haben einen Internetanschluss bei dem einstigen Staatskonzern. Höttges ist sich dieser Verantwortung bewusst. "Deutschland braucht schnelle Netze. Und zwar heute und nicht morgen", betont er - und bekommt dafür viel Applaus.

Das Netz der Zukunft, da ist sich der Manager mit seinen Kritikern einig, basiere auf Glasfaser. Aber es gehe bei diesem Netz um viel mehr als die Frage, wie schnell Daten hin- und hergeschickt werden. Es gehe auch um Zuverlässigkeit, um den Wechsel zwischen Mobilfunk und Festnetz und um schnelle Reaktionszeiten. Nur so sei es möglich, selbstfahrende Autos auf deutsche Straßen zu schicken, Aufzüge zu warten, ehe sie ausfallen - oder mit Sensoren, die auf dem Feld zeigen, ob genug Regen fällt, Bauern die Arbeit zu erleichtern.

Höttges nervt es, dass die Debatte um den Netzausbau darauf reduziert wird, ob es nun Glasfaser oder Kupferkabel sein sollen. Und es nervt ihn, dass sein Konzern als Blockierer dasteht, obwohl er so viel für den Netzausbau tue wie kein anderer. "Kein Unternehmen in Deutschland hat mehr Glasfaser verlegt als wir", sagt Höttges. Derzeit habe die Telekom 400 000 Kilometer Glasfaser vergraben, der nächst- größere Wettbewerber komme gerade einmal auf 50 000 Kilometer. "Kein Unternehmen investiert so viel wie wir: mehr als vier Milliarden Euro im vergangenen Jahr." Und in diesem Jahr plane das Unternehmen, die Investitionen noch einmal aufzustocken.

Die Antwort der Wettbewerber auf die Schelte ließ nicht lange auf sich warten

Alle deutschen Haushalte ans Glasfasernetz anzuschließen, darin sind sich alle einig, wird teuer - und es dauert. Auch deshalb setzt die Telekom auf einen Technologiemix. "Es gibt keine guten oder schlechten Technologien", betont Höttges. "Es gibt versorgte und nicht versorgte Gebiete." Der Wettbewerb, schimpft er, habe groteske Züge angenommen. Die Rivalen jammerten in einer Tour. "Mal haben wir angeblich die falsche Technik, dann ist der Ausbau angeblich zu langsam. Aber sobald wir ausbauen, nehmen genau diese Kritiker sofort unser Netz." Das liege auch daran, dass für den einstigen Staatskonzern noch immer strengere Regeln gelten als für die Wettbewerber. So muss er seine Netze auch Wettbewerbern gegen Miete zur Verfügung stellen. Er habe höchsten Respekt vor lokalen Anbietern, die ein eigenes Netz aufbauen, sagte Höttges. "Aber ich habe wenig Respekt vor denen, die nichts investieren und ihre Gewinne auf fremden Netzen einstreichen."

Die Antwort der Wettbewerber auf Höttges' Schelte ließ nicht lange auf sich warten: Die beiden Verbände Breko und VATM, in denen sich nahezu alle Telekom-Konkurrenten fürs Festnetz zusammengeschlossen haben, verschickten eine gemeinsame Erklärung: "Ohne das Engagement der alternativen Netzbetreiber wird der flächendeckende, direkte Glasfaserausbau in Deutschland nicht gelingen. Das weiß auch Timotheus Höttges sehr genau." Denn die Glasfaser bis zum Gebäude oder sogar bis hinein in die Wohnung, die verlegten zumeist die kleineren Netzbetreiber. All die Kilometer an verlegter Glasfaser, auf die die Telekom verweise, seien nämlich nur die halbe Geschichte. Das letzte Ende der Leitungen bis zum Kunden sei dann doch ein getuntes Kupferkabel. "Mit ihrer Strategie der bloßen Ertüchtigung des bestehenden Kupferanschlussnetzes" beschreite die Telekom gerade nicht den Weg in die Gigabitgesellschaft, kritisiert auch der Bundesverband Glasfaseranschluss (Buglas). Eine Versorgung mit den dafür erforderlichen Bandbreiten sei dadurch nicht zu erreichen.

© SZ vom 27.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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