Deutsche-Bank-Chef:"Man spürt richtig, wie ein Ruck durch die Bank geht"

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Christian Sewing will seine Leute wieder stolz machen. Von seinem Institut fordert er im Ringen um Kunden Kämpfermentalität.

Interview von Marc Beise und Ulrich Schäfer

Die Position von Christian Sewing war in den vergangenen Monaten häufiger mal ungemütlich - jetzt dürfte sie vor allem auch ungewohnt gewesen sein für den Chef der Deutschen Bank: Die Fragen trafen ihn von rechts und von links auf der Bühne des SZ-Wirtschaftsgipfels. Sewing, stets bemüht, sich dem Fragesteller ganz zuzuwenden, war ständig in Bewegung, schlug die Beine mal zur rechten, mal zur linken Seite. Ein klein wenig anstrengend sei das gewesen, scherzte er hinterher.

Herr Sewing, stimmt es, dass Sie eigentlich Journalist werden wollten?

Sewing: Das stimmt, aber bei mir ist das am Numerus clausus gescheitert.

Wie war denn Ihr Abi, verraten Sie das?

Ja klar, Note 2,4 mit 576 Punkten, im Mittelfeld, so war es halt.

Sie haben dann nicht studiert, sondern vor 29 Jahren eine Lehre bei der Deutschen Bank gemacht und sind dem Unternehmen treu geblieben. Wie hat Sie die Lehre geprägt?

Enorm. Das war ja die Zeit, als die Deutsche Bank gerade in Deutschland, aber auch weltweit schon eine große Bedeutung hatte. Ich habe am Anfang gar nicht erwartet, dass wir so international sind. Aber wir hatten in Bielefeld eine Auslandsabteilung, deren Arbeit über Deutschland hinausging. Dieses Verständnis einer global aktiven Bank, die man in Deutschland braucht, das hat mich wahnsinnig geprägt.

Warum haben Sie nicht studiert?

Mein Vater hatte ein mittelständisches Unternehmen; er sagte damals, ich soll erst einmal etwas Ordentliches lernen. Ich war gerade 19 Jahre alt, und so richtig wusste ich nicht, was tun. Also sagten meine Eltern: Geh mal zu einer Bank und schau dir das an. Die Lehre hat mir dann so gut gefallen, dass ich dageblieben bin.

Sie hatten keine Lust mehr zu studieren?

Ich hatte das Glück, dass ich den letzten Teil der Lehre in der Firmenkundenabteilung verbringen durfte, und da war dann diese Internationalität. Außerdem hatte ich den direkten Kontakt zu den Kunden. Wie eine Spinne im Netz, zwischen Kunden und den anderen Marktteilnehmern, das fand ich erfrischend. Und ich konnte ja nebenher an der Bankakademie studieren.

Sie waren nur zwei Jahre bei einer anderen Bank. Hatten Sie nie das Bedürfnis, etwas ganz anderes zu machen?

Nein, ich glaube, es ist heute noch genauso wie damals. Diese Position, dass man direkt in der Wirtschaft engagiert ist, Lösungen findet, Zusammenhänge versteht - in einer globalen Bank. Ich lerne jeden Tag etwas Neues, ich hatte nie das Bedürfnis, etwas anderes zu machen.

Sie sind Westfale. Die gelten als bodenständig, bleiben eher auf der Scholle, sind wenig risikoorientiert. Sie auch?

Westfalen sind nicht nur auf die Scholle fixiert, sondern nachhaltig und konsequent. Man kann uns zuweilen Sturheit vorwerfen, aber immer mit dem langfristigen Ziel im Blick. Daher bin ich froh, diesen regionalen Hintergrund zu haben. Das braucht unsere Bank jetzt, und wenn Sie dann im richtigen Team mit internationalen Kollegen arbeiten, dann ist das prima.

Sie waren in vielen Abteilungen im Haus, aber nie im Investmentbanking, wo die ganzen Hallodris arbeiten.

Das ist natürlich eine leichte Übertreibung, und das kann ich leicht wegnehmen. Klar gab es dort den einen oder anderen, bei dem wir uns ein besseres Verhalten gewünscht hätten - und wir waren als Bank dann auch nicht immer konsequent genug. Die große Mehrheit der Investmentbanker aber setzt sich für nachhaltiges Wachstum ein. Sie sind enorm wichtig für die Wirtschaft. Ich habe auch das Investmentbanking aus nächster Nähe erlebt. Ich war 15 Jahre im Risikomanagement, habe viel Zeit in Tokio und London verbracht.

Das ist trotzdem eine andere Perspektive. Wird man mit Ihrer Vita dann auch eine andere Art Bankchef ?

Mit meiner Erfahrung repräsentiere ich die ganze Bank, ich war unter anderem im Firmenkundengeschäft, 15 Jahre lang im Risikomanagement und dann in der Revision. Wenn Sie diese drei Facetten von vorne bis hinten gemacht haben, dann haben Sie einen guten Überblick. Wir müssen die stabilen Geschäftsbereiche nach vorne stellen, damit wir in dieser Hinsicht einer JP Morgan oder Bank of America ähnlicher werden. Dort kommen 70 Prozent der Erträge aus stabilen Geschäften.

Illustration: Stefan Dimitrov (Foto: N/A)

Die Deutsche Bank hatte mal einen anderen Ansatz, oder?

Ja, daher sollten auch bei uns 65 Prozent aus dem stabilen Geschäft kommen, aus der Privat- und Firmenkundenbank, unserer Vermögensverwaltung und der Transaktionsbank. Auch die Investmentbanker wollen das. Wir sind auf gutem Weg, aber es braucht noch ein bis zwei Jahre.

Andere versuchen, durch das Einführen des "Du" den Kulturwandel in der Firma voranzutreiben. Auch ein Weg für die Deutsche Bank?

Es wird sich bei uns so oft geduzt. Im Vorstand sowieso, aber auch darüber hinaus - auch dadurch, dass wir eine internationale Bank sind. Die englischsprachigen Kollegen haben sowieso kein Verständnis für den Unterschied zwischen Du und Sie. Ich überlasse das immer jedem Mitarbeiter selbst.

Wo sehen Sie denn Ihre Stärken als Führungskraft?

Es gibt nicht so viele Führungskräfte in der Bank, die den Maschinenraum so gut kennen wie ich. Wenn Sie den aber kennen, dann haben Sie auch eine andere Durchschlagskraft, etwa um die Kosten zu senken. Wenn man 29 Jahre im Haus war, und fair mit allen umgegangen ist, dann spürt man diesen Rückenwind.

Als Sie im April angefangen haben, wollten Sie von Ihren Mitarbeitern "Jägermentalität". Das klang nach alten Zeiten im Investmentbanking. Bereuen Sie das?

Nein. Das kam intern sehr gut an. Jägermentalität bedeutet für mich, dass wir bei der Betreuung unserer Kunden nachlegen. Wenn eine Bank fünf Jahre Restrukturierung hinter sich hat, dann kommt es vor, dass der Kundenfokus nicht mehr dort ist, wo er sein sollte. Und diese Mentalität, eng am Kunden zu bleiben, die meinte ich. Das ist eine Kämpfermentalität.

Hat der Stolz der Deutschen Bank gelitten in den letzten Jahren?

Klar, wenn Sie drei Jahre Verluste schreiben, dann geht das gegen den Stolz einer Institution. Und deshalb ist es so wichtig, die Ziele zu erreichen, die wir im April genannt haben, sei es zur Bilanz, sei es zu den Kosten. Und natürlich ist es wichtig, dass wir dieses Jahr wieder profitabel sind. Man spürt richtig, wie ein Ruck durch die Bank geht.

Wenn alles so gut läuft, wie Sie es schildern, warum ist dann der Aktienkurs so niedrig?

Natürlich sind nicht alle zufrieden mit dem Aktienkurs, daher will ich jetzt auch keine Verteidigungsrede halten, und ich bin der Erste, der sich einen höheren Aktienkurs wünscht. Aber angesichts dieser Profitabilität ist die Bewertung auch nicht komplett überraschend. Daher müssen wir Schritt für Schritt profitabler werden. Diese Disziplin muss unsere Bank jetzt zeigen.

Viele sagen, in Europa wird es bald weniger Banken geben - glauben Sie das auch?

Ja, wir haben in der Euro-Zone fast 5500 Banken, wir haben in Deutschland 1600 Banken. Das ist für einen Markt zu viel. Wenn wir das mit anderen großen Ländern vergleichen, dann wird das langfristig zu einer Konsolidierung führen. Deshalb ist es wichtig, dass die nächsten Schritte zu einem einheitlichen Europa auch getroffen werden. Das hat etwas mit Bankenunion zu tun, das hat etwas mit Kapitalmarktunion zu tun.

Sie werden ja auch aus der Politik stark gedrängt, die Commerzbank zu übernehmen, oder?

Ich spüre kein Drängen der Politik.

Gibt es dann bei Ihnen ein Drängen, ein persönliches?

Wir müssen jetzt erst mal unsere Hausaufgaben machen. Was danach passiert, müssen wir dann sehen.

Die Deutsche Bank ist ja immer sehr nah an der Politik gewesen. Wen hätten Sie gerne als nächsten CDU-Vorsitzenden?

Die Deutsche Bank muss Teil der Gesellschaft sein. Ich bin immer wieder erstaunt, dass es Leute gibt, die glauben, diese komplexen Herausforderungen, die es in der Welt gibt, könnten entweder nur von der Politik oder von der Wirtschaft gemeistert werden. Das geht nur zusammen, und wir wollen dabei einen aktiven Part spielen. Wir werden uns allerdings auch immer so verhalten wie schon in der Vergangenheit: Wenn es um Personen geht, dann äußern wir uns nicht. Jeder von uns hat die Möglichkeit, selbst zu wählen, und das werde ich auch so halten.

Aber Sie sind ja Mitglied im CDU-Wirtschaftsrat, da müssen Sie doch auch eine Meinung haben.

Ja, die habe ich auch. Aber die werde ich hier für mich behalten.

Braucht Deutschland mal wieder einen Bundeskanzler, der nah an der Wirtschaft ist, der selbst in der Wirtschaft gearbeitet hat - oder ist das gerade schädlich?

Dieses Land hat seit 2005 eine unglaubliche Entwicklung hingelegt. Die Arbeitslosigkeit hat sich halbiert. Wir haben Wachstum. Das ist ja erst einmal eine Entwicklung, auf der wir alle aufbauen können. Und jetzt müssen wir unbedingt mit einer zweiten Phase beginnen. Und das bedeutet unter anderem: Wie schaffen wir es, eine Banken- und eine Kapitalmarktunion zu bilden? Wenn ein amerikanischer Investor, der in Pfandbriefe investiert, erst unterschiedliche Pfandbrieflizenzen in Spanien, Italien und Deutschland lesen muss, dann werden wir nie die Region der Wahl für diese Investoren sein.

© SZ vom 13.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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