Deutsche Bahn:Vollstrecker Grube muss aufräumen

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Bei der Vorlage der Bilanz 2009 verspricht Bahn-Chef Grube Besserung beim Verspätungschaos - doch Verbraucherschützer üben harsche Kritik am Service.

Seine erste Bilanzpressekonferenz hat sich Rüdiger Grube sicher anders vorgestellt. Seit knapp einem Jahr steht der 59-Jährige an der Spitze der Bahn, doch statt die großen Börsenpläne seines Vorgängers Hartmut Mehdorn zu verfolgen, muss sich der frühere Daimler-Strategievorstand mit den Widrigkeiten des Alltags herumplagen.

Für viele Kunden kommt die Bahn viel zu spät. Schwierigkeiten mit den ICE-Achsen legen die Hochgeschwindigkeitszüge reihenweise lahm, marode Räder bei der Berliner S-Bahn führten zu einem monatelangen Nahverkehrsfiasko in der Hauptstadt.

Auch bei der Servicequalität stimmt es nicht: Besonders arm dran ist einem Test der Stiftung Warentest zufolge, wer sich bei der Ticketbuchung ratsuchend an Bahnmitarbeiter in Reisezentren oder am Telefon wendet.

Anonym wurde die Auskunftsqualität auf 19 Bahnhöfen quer durch Deutschland getestet - mit vernichtendem Ergebnis. Keiner der geschulten Bahnmitarbeiter konnte die günstigste Zugverbindung für fünf Testfahrten empfehlen.

Kompliziert und variantenreich

Das kreideten die Tester aber nicht den Servicekräften an: Das Preissystem der Bahn sei so kompliziert und variantenreich, dass selbst die Profis den Überblick verlieren müssten. Und günstige und leicht verständliche Angebote wie zum Beispiel das Quer-durchs-Land-Ticket wurden wenige Monate nach der Einführung von der Bahn wieder abgeschafft.

Doch Bahnkunden müssen nicht zähneknirschend jeden Tarif akzeptieren, der ihnen von gestressten und häufig unter Zeitdruck stehenden Schaltermitarbeitern angeboten wird. Wer kostengünstig Zugfahren will, darf sich nur nicht scheuen, als Nervensäge zu gelten oder in die Trickkiste zu greifen.

"Wir müssen erst unser Brot-und-Butter-Geschäft in Ordnung bringen", gibt sich Grube daher ganz bescheiden. Auch bei der Bilanz-Pressekonferenz in Frankfurt betont er, wie sehr die Bahn weiter an Lösungen für technische Probleme in der Zugflotte arbeite. "Künftig wird gelten, was leider in der Vergangenheit oft nicht der Fall war: Ein neuer Zug ist ein einwandfreier Zug."

Austausch zieht sich bis 2013 hin

Grube muss beschwichtigen, denn wegen der massiven Ausfälle bei den ICE-Zügen und bei der Berliner S-Bahn ging die Verkehrsleistung im Personenverkehr um 1,6 Prozent zurück. Bei den Radsätzen der ICEs habe sich die Bahn mit den Herstellern Siemens, Bombardier und Alstom geeinigt. Der Austausch werde sich aber bis 2013 hinziehen.

Die Ausschreibung für bis zu 300 neue IC-, EC- und ICE-Züge laufe. Die Verträge sollen bis zum 16. Juni stehen. Insgesamt werde die Bahn bis 2014 in neue Züge, die Infrastruktur und Bahnhöfe rund 40 Milliarden Euro investieren.

Diese konservative Strategie soll allerdings nur die Öffentlichkeit besänftigen - Grube will in Wahrheit mehr. Wie sein früherer Chef und Vorgänger Mehdorn träumt er vom weiteren Ausbau des Mobilitäts- und Logistikkonzerns.

Ein erster Schritt soll dazu die Übernahme der britischen Zug- und Busgesellschaft Arriva sein. In Europa blieben etwa fünf große Bahn-Unternehmen übrig, die Konzentration sei vor allem im Personenverkehr im Gang, sagt er in Frankfurt: "Hier können und wollen wir nicht kampflos zuschauen."

Deshalb sei die Bahn von sich aus auf die britische Busgesellschaft Arriva zugegangen. "Ob wir ein Übernahmeangebot abgeben werden, steht derzeit noch nicht fest.", schränkt der Bahn-Chef allerdings ein. Denn das börsennotierte Unternehmen würde Marktschätzungen zufolge immerhin rund 1,8 Milliarden Euro kosten.

Würde der Kauf glücken, wäre das ein herber Schlag für den großen Rivalen: die französische SNCF. Arriva ist der größte britische Bahnbetreiber. Der Konzern beschäftigt 44.000 Mitarbeiter in zwölf Ländern, kommt auf einen Umsatz von 3,6 Milliarden Euro und kam selbst im Krisenjahr 2009 auf einen Gewinn von 179 Millionen Euro.

Auch die Bahn erwirtschaftete im vergangenen Jahr immerhin noch ein erkleckliches Plus von 830 Millionen Euro, nachdem es im Vorjahr noch 1,3 Milliarden gewesen waren.

Vor allem der Einbruch im Güterverkehr auf Schiene und Straße von rund einem Fünftel habe zu einem Umsatzrückgang im Konzern um zwölf Prozent auf 29 Milliarden Euro geführt. Allerdings habe die Bahn nur im Güterverkehr auf der Schiene operativ Verluste geschrieben. Im laufenden Jahr solle der Umsatz auf vergleichbarer Basis um fünf Prozent zulegen, auch der Gewinn solle wieder steigen.

Doch der Konzern bräuchte das Geld eigentlich zum Abbau des riesigen Schuldenberges von mehr als 15 Milliarden Euro.

Dieser Betrag würde noch in die Höhe getrieben, wenn Grube Arriva tatsächlich übernähme. Heikel daran ist, dass der so bodenständige Hamburger versprochen hatte, die Schulden radikal abzubauen.

Doch den Bruch dieser Zusage würde er wohl hinnehmen, um aus dem Schatten seines Lehrmeisters Hartmut Mehdorn herauszutreten.

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