Deutsche Bahn: Neuer Aufsichtsratchef:Die Trostberg-Connection

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Endgültiger Abschied von der Ära Mehdorn: Utz-Hellmuth Felcht wird neuer Aufsichtsratschef der Bahn. Der spröde Degussa-Manager ist ein alter Bekannter von Verkehrsminister Peter Ramsauer.

Zu Hause lässt Utz-Hellmuth Felcht gern Modelleisenbahnen kreisen. Doch schon bald kann der Manager und Hobbysammler von Zügen und Loks die Weichen im ganz großen Maßstab stellen: Der 63-jährige Professor und ehemalige Vorstandschef des Feinchemieherstellers Degussa ist designierter Chefkontrolleur bei der Deutschen Bahn AG.

Dass sich die Bundesregierung bei der Besetzung des Spitzenpostens im Aufsichtsrat der Bahn ausgerechnet auf Felcht als Nachfolger von Werner Müller verständigte, ist wahrscheinlich keine Empfehlung des derzeitigen Bahnaufsehers gewesen.

Denn vor wenigen Jahren tobte zwischen Müller und Felcht noch ein Kleinkrieg. Es ging um die beste strategische Ausrichtung von Degussa. Müller, in seiner Funktion als Vorstandschef des damaligen Bergbaukonzerns RAG, saß am längeren Hebel; Degussa sollte in die Chemieaktivitäten der RAG integriert und später gemeinsam mit den Sparten Immobilien und Energie als neuer Konzern (Evonik) an die Börse gebracht werden.

Vor sechs Jahren übernahmen die Essener Degussa vom Energieriesen Eon. Felcht hielt dem Feinchemiespezialisten zunächst noch die Stange. Um den milliardenschweren Kauf zu finanzieren, wurde gegen seinen Willen die Sparte Bauchemie verkauft. Felcht war entmachtet, 2006 warf der gebürtige Westfale vorzeitig das Handtuch.

Jetzt hat sich Felcht zurückgemeldet: Möglich, dass Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) bei der Besetzung des hochkarätigen Postens bei der Bahn ein entscheidendes Wörtchen mitgeredet hat. Felcht verbrachte als Vorstandsvorsitzender der SKW Trostberg viel Zeit in Ramsauers Bundestagswahlkreis. Ein Sprecher des Verkehrsminister bestätigte sueddeutsche.de, dass Ramsauer und Felcht in dieser Zeit zu Vertrauten wurden.

Die damalige Tochter des Viag-Konzerns kam mit der Fusion von Veba/Viag unter das gemeinsame Dach von Eon. Auch nach seinem Abschied von Degussa zog es den Manager zurück in den Süden der Republik - er wurde Partner des Finanzinvestors One Equity in München.

Blitzkarriere bei Hoechst

Der nach außen eher spröde wirkende Felcht - Markenzeichen: leicht abstehende Ohren und Lesebrille auf der Nasenspitze - ist durch und durch Naturwissenschaftler. Mit 29 Jahren promovierte er bereits zum Doktor der Chemie und arbeitete an der Universität Kaiserslautern als Assistent. 1977 begann seine berufliche Karriere in der Privatwirtschaft bei der damaligen Hoechst AG.

Hier legte er eine Blitzkarriere hin. Nach einem längeren Auslandsaufenthalt in USA rückte er 1992 in den Vorstand auf. Dort sah er nach der Abspaltung der Chemie für sich aber keine Perspektiven mehr. Felcht wechselte zur SKW Trostberg. Im Zuge des Zusammenschlusses von Veba und Viag kam er durch die Fusion von Veba und Viag zu Degussa. 2001 wird er Vorstandschef des Düsseldorfer Chemiespezialisten.

Amtsinhaber Werner Müller, der unter Kanzler Gerhard Schröder Wirtschaftsminister war, scheidet Ende des Monats aus. Er wird, abgesehen von seinen politischen Präferenzen, nach Ansicht von Regierungskreisen zu sehr mit der Amtszeit von Ex-Bahnchef Hartmut Mehdorn in Verbindung gebracht.

Die Chemie muss stimmen

Felcht übernimmt einen Konzern, dessen Ergebnis 2009 trotz Wirtschaftskrise überraschend positiv ausgefallen ist. Es beträgt etwa 1,8 Milliarden Euro, wie das Nachrichtenmagazin Focus meldete. Zum Jahreswechsel war die Unternehmensspitze nach Informationen der Nachrichtenagentur DAPD noch von 1,5 Milliarden Euro ausgegangen, ursprünglich eingeplant war nur etwa eine Milliarde.

Im ersten Halbjahr 2009 hatte die DB AG 679 Millionen Euro Gewinn gemacht, bei einem Umsatzrückgang von 14 Prozent. Im ganzen Jahr 2008 waren es 2,5 Milliarden. Die DB-Führung sieht in den überraschend guten Geschäftszahlen "weltweit das beste Ergebnis aller Bahnen in der Wirtschaftskrise", wie das Magazin berichtete.

In seinem neuen Job als oberster Bahnaufseher muss Felcht dennoch Fingerspitzengefühl zeigen: Er muss sowohl mit dem Bahnvorstand wie auch dem Bund als Eigentümer und den Arbeitnehmervertretern an einem Strang ziehen. Und als Naturwissenschaftler kennt Felcht das oberste Gebot nur allzu gut: Die Chemie muss stimmen zwischen den Beteiligten.

© dpa/apn/woja - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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