Der Anschluss ist weg, der Termin ist geplatzt: Verspätete Züge sind ein Ärgernis. Im ersten Halbjahr 2018 fuhren nur 77,4 Prozent der Züge im Fernverkehr pünktlich, wichen also - so die Definition der Bahn für Pünktlichkeit - maximal sechs Minuten vom Fahrplan ab. Immerhin steht Bahnkunden ab einer Stunde Verspätung eine Entschädigung zu. 25 Prozent des Fahrpreises erhalten sie dann zurück, bei mehr als zwei Stunden sind es 50 Prozent. Künftig könnte es deutlich mehr Geld geben, zumindest wenn sich das EU-Parlament durchsetzt. Dort hat sich folgende Position durchgesetzt: Bei Verspätungen von mehr als einer Stunde sollen Bahnkunden 50 Prozent des Ticketpreises zurückbekommen, bei mehr als eineinhalb Stunden 75 Prozent, bei mehr als zwei Stunden den kompletten Fahrpreis.
Das EU-Parlament wird nun mit den Mitgliedsstaaten verhandeln, wie die Entschädigung künftig tatsächlich ausfallen wird. Geplant ist eine umfassende Reform der seit 2009 geltenden Fahrgastrechte für Bahnkunden. Sie soll nach dem Willen des Parlaments außerdem Menschen mit Behinderung eine kostenlose Unterstützung am Bahnhof garantieren und den Transport von Fahrrädern erleichtern.
Keine Änderungen dürfte es vorerst an dem Verfahren geben, mit dem Fahrgäste in Deutschland ihre Forderungen geltend machen müssen und das in Zeiten von Online-Tickets eher antiquiert wirkt. Formular ausfüllen, unterschreiben, im Reisezentrum abgeben oder per Post an die Bahn schicken - es sei verständlich, dass viele Kunden das als nicht mehr zeitgemäß empfinden, räumt ein Bahnsprecher ein. Auf lange Sicht wolle die Bahn das Verfahren ändern, doch eine Umstellung sei technisch komplex und herausfordernd. Immerhin ist der Abdruck der Schaffner-Zange auf dem Ticket nicht mehr erforderlich. Ob eine Verspätung vorlag, lasse sich bei der Antragsprüfung im System nachvollziehen. Zuletzt dauerte es nach Angaben des Bahnsprechers rund zehn Tage bis zur Auszahlung. Anders als bei vielen Airlines ließen sich Ansprüche gegenüber der Bahn in der Regel ohne Probleme durchsetzen, sagt Karl-Peter Naumann vom Fahrgastverband Pro Bahn.Ob der Zug wegen eines technischen Defekts, wegen eines Streiks oder wegen eines Unwetters Verspätung hatte, spielt für die Entschädigung keine Rolle. Auf höhere Gewalt kann sich die Bahn im Unterschied zu Fluggesellschaften nicht berufen.