Der Generationenkonflikt:Es knallt in der Konsensrepublik

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Aufruhr um das Alter: Senioren demonstrieren für höhere Renten, 20- bis 40-Jährige fühlen sich provoziert - Deutschland muss diskutieren, was gerecht ist zwischen Alt und Jung.

Alexander Hagelüken

Diesmal waren es schon Tausend. Tausend Senioren, die sich vor ein paar Tagen vor dem Braunschweiger Dom sammelten, in Trillerpfeifen bliesen und Forderungen skandierten. Sie nennen es Montagsdemo.

Rentner demonstrieren in Braunschweig für höhere Altersbezüge. (Foto: Foto: ddp)

Als Ostdeutsche vor knapp zwanzig Jahren die Montagsdemos begründeten, ging es ihnen um den Sturz einer Diktatur. Worum geht es diesmal? Um mehr Geld. Um mehr Rente für eine Rentnergeneration, die nach Ansicht der meisten Forscher von der staatlichen Alterssicherung so gut versorgt ist wie keine vor ihr - und besser als künftige Generationen.

Die Senioren vor dem Braunschweiger Dom empören sich trotzdem. Sie ärgern sich über Nullrunden bei der gesetzlichen Rente. Sie haben das Gefühl, nach einem harten Arbeitsleben mehr verdient zu haben.

Dass die Große Koalition das Gesetz ändert und die Rente dieses Jahr auf Kosten der Arbeitnehmer außerplanmäßig erhöht - aus ihrer Sicht bloße "Almosen". "Niemand kümmert sich um unsere Forderungen", beklagt ihr Sprecher Walter Bromberger. "Die Renten müssen deutlich stärker steigen als die Inflation". Hier artikuliert eine bisher eher stille Gruppe lautstark ihre Wünsche. Es knallt in der Konsensrepublik Deutschland.

20- bis 40-Jährige fühlen sich provoziert

Womöglich münden diese Aufwallungen in einen Dauerkonflikt, an den sich das Land gewöhnen muss. Während erste Rentner demonstrieren, hält die andere Seite, die Jungen von heute, kaum dagegen. Die Jungen halten bemerkenswert still. Bisher. Das kann sich rasch ändern. Denn manche 20- bis 40-Jährige müssen die Montagsdemos Ergrauter als Provokation empfinden.

Altersarmut war vor zwei Jahrzehnten ein Problem. Für die meisten Senioren von heute ist sie nur ein Schlagwort. Erst in zwei Jahrzehnten droht sie wieder zum Massenphänomen zu werden (siehe ganz Artikel unten). Die Alterung der Gesellschaft fordert einen Preis, den vorwiegend die Jungen von heute entrichten werden.

Potential für Dienstagsdemos

Wer heute arbeitet, zahlt meist mehr in die Rentenversicherung ein und bekommt weniger heraus als heutige Senioren. "Um die beschlossenen Kürzungen der gesetzlichen Alterssicherung auszugleichen, muss ein 40-Jähriger acht Prozent seines Bruttoeinkommens zurücklegen", kalkuliert Meinhard Miegel vom IWG-Institut, das für die SZ die Entwicklung der Rentenauszahlungen berechnet hat.

Knapp wird es auch in der Gesundheitsversorgung, sagt Miegel voraus: "In 30 Jahren können Senioren froh sein, wenn sie abends schmerzfrei ins Bett gehen". Womöglich klingt dies manchem zu düster.

Unstrittig ist, dass auf die nächsten Generationen noch andere Lasten zukommen: Hohe Staatsschulden und ungedeckte Pensionsverpflichtungen für hunderttausende Beamte. Das ist Potential für Ärger - und für Dienstagsdemos, auf denen die Jungen Rentenkürzungen fordern könnten, um das Geld zwischen Alt und Jung anders zu verteilen.

Wie soll Gerechtigkeit hergestellt werden?

Doch wie sieht eine Politik aus, die Gerechtigkeit zwischen den Generationen herstellt? Das ist eine schwierige Frage, weil das Wohlergehen der Rentner von Morgen von ungewissen Entwicklungen abhängt: Von den Wirkungen der Globalisierung, der Arbeitslosenrate, den Erbschaften, dem Wachstum, dem technischen Fortschritt.

Solche Unwägbarkeiten verlangen nach Politikern mit Weitblick, die den Alten genug lassen, ohne die Bedürfnisse der Jungen zu ignorieren. Die jüngste Rentenerhöhung hat Zweifel geweckt, ob Deutschland über solche Volksvertreter verfügt, die alle Generationen im Blick haben.

Union und SPD schielen darauf, dass die Rentner bei der nächsten Bundestagswahl bereits die Mehrheit stellen. Innerhalb der Parteien verschieben sich die Gewichte: Waren 1990 erst 30 Prozent der CDU-Mitglieder über 60, sind es heute die Hälfte. Und vom politischen Rand drängt die Linkspartei (Seniorenanteil: 70 Prozent) auf mehr Geld für die Alten.

Angesichts dieser Trends kursieren ungewöhnliche Vorschläge, wie den Jüngeren in Deutschland mehr Gehör zu verschaffen ist. Etwa, in dem das Prinzip der Generationengerechtigkeit im Grundgesetz verankert wird. Oder indem Kinder (als Rentenempfänger von übermorgen) ein Wahlrecht erhalten, das ihre Eltern für sie ausüben.

Ungewöhnlich, aber womöglich nötig, um allen Generationen das Gefühl zu geben, dass es zwischen ihnen gerecht zugeht. Die Alterung greift die Sozialsysteme an, gefährdet die Balance zwischen Jung und Alt und fordert das Land heraus. Aus ein paar Montagsdemos könnte schnell ein Sturm werden, der die Gesellschaft entzweit.

© SZ vom 06.05.2008/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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