Davos:Gipfel-Diplomatie

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Wenn sich nächste Woche Politik und Wirtschaft im schweizerischen Skiort Davos treffen, wird sich alles um Donald Trump drehen. Der will vor allem über die USA reden.

Von Thomas Fromm und Andrea Rexer

Davos im Schnee. Einmal im Jahr wird dort über die Krisen und Verschiebungen in der Welt geredet. (Foto: Harold Cunningham/Getty Images)

Vor einem Jahr schickte Donald Trump einen Hedgefonds-Manager in die Berge, der Anthony Scaramucci hieß und der zuerst sein Berater, später dann für einige Tage auch sein Sprecher war. Dieser Scaramucci, der Trump einmal ein "politisches Genie" nannte, ist, politisch gesehen, heute weitgehend Geschichte. Trump dagegen wurde kurz nach dem Weltwirtschaftsgipfel 2017 als Präsident vereidigt, und so wie es aussieht, wird er in der nächsten Woche für ein spektakuläres Davos-Treffen sorgen.

Seit der Milliardär vor einer Woche die Bombe platzen ließ und erklärte, dass er Ende Januar in die Schweizer Berge kommt, steht nicht nur das Dorf im Kanton Graubünden Kopf. 70 Staats- und Regierungschefs, 340 Minister und an die 2000 Wirtschaftsführer sollen zum 48. Weltwirtschaftsforum kommen - das wäre ein Rekord. In letzter Minute hat sich nun auch noch Kanzlerin Angela Merkel angemeldet. Ein Treffen zwischen ihr und Trump soll es jedoch nicht geben.

Wenn der US-Präsident mit seiner Delegation, darunter Handelsminister Wilbur Ross, Finanzminister Steven Mnuchin, Außenminister Rex Tillerson und Schwiegersohn und Berater Jared Kushner zum Weltwirtschaftsforum nach Davos kommt, dann geht es um existenzielle Fragen: Wie soll es jetzt weitergehen mit diesem Präsidenten, der mit der Botschaft "America first" in die Schweiz reist und seinen Gesprächspartnern eine Welt erklären will, in der es Mauern statt Freizügigkeit und Zölle statt Freihandel geben soll?

Lange bevor Trump sein Erscheinen angekündigt hat, hatten die Organisatoren das Motto des diesjährigen Forums festgelegt. Es lautet: "Für eine gemeinsame Zukunft in einer zersplitterten Welt". Dass die Welt gerade so zersplittert ist, hat auch etwas mit jenem Trump zu tun. Schon kurz vor dem Treffen hatte Handelsminister Ross neue Strafzölle gegen China angekündigt, von 174 Prozent auf Edelstahl und 40 Prozent auf Polyester-Produkte war die Rede. Das könnte, so fürchtet man nicht nur in Peking, der Auftakt sein zu einem großen Handelskrieg, der am Ende auch Europa mit hineinziehen könnte.

Ironie der Geschichte: Vor einem Jahr war der chinesische Präsident Xi Jinping nach Davos gekommen und hatte sich - außergewöhnlich für den obersten Dienstherrn einer kommunistischen Planwirtschaft - zum Anwalt eines freien Welthandels gemacht. Es war also der Tag, an dem die USA, zumindest was die Frage nach einer liberalen Wirtschaftsordnung betrifft, von Chinesen überholt wurden. Ausgerechnet beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos. Und jetzt kommt Trump, der erste amerikanische Staatschef, der sich in Davos blicken lässt seit Bill Clinton. Und das war im Jahre 2000.

Größer könnte der Gegensatz zwischen zwei Präsidenten in Davos kaum sein. Während Clinton seine Rede damals dazu nutzte, die stockenden Freihandels-Verhandlungen im Rahmen der WTO wieder in Bewegung zu bringen, ist Trump ein erklärter Protektionist. Einer, der sagt, dass er nicht für irgendwelche, sondern für amerikanische Arbeiter Politik machen wolle, der dafür sorgen will, dass US-Konzerne Jobs zurück in die USA verlagern und der mit einer Steuerreform Milliarden, die US-Konzerne wie Apple oder Microsoft im Ausland horten, zurück ins Land holen will. Der das Transpazifische Freihandelsabkommen TPP aufgekündigt hat und der das Nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA, also den Wirtschaftsverbund von Kanada, den USA und Mexiko, in Frage stellt. Wie soll man mit so etwas umgehen?

Netzwerker

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(Foto: picture alliance/AP Photo)

Klaus Schwab hat 1971 zum ersten Mal die Wirtschaftselite nach Davos eingeladen. Der Deutsche hat Maschinenbau und Wirtschaft studiert und war bis 2003 Professor für Unternehmenspolitik in Genf.

Der deutsche Manager Bernhard Mattes war lange in Führungspositionen beim US-Autobauer Ford tätig und ist heute Präsident der Amerikanischen Handelskammer in Deutschland. Er sagt: "America First kann einseitig nicht funktionieren, da kein Land auf Dauer auf Kosten anderer Länder prosperieren kann. Die Welt braucht freien Handel." Die Unsicherheit in Politik und Wirtschaft sei groß - und die Reise Trumps nach Davos auch eine Chance. "Der US-Präsident könnte in Davos nun endlich für Klarheit sorgen: Wohin will er die USA steuern? Da brauchen die Teilnehmer eine klare Antwort."

Es wäre nicht zum ersten Mal, wenn am Rande des Weltwirtschaftsforums Weltpolitik gemacht würde. Schon im zweiten Jahr seines Bestehens trat der erste Regierungschef auf Podium, es war der Luxemburger Ministerpräsident Pierre Werner. In einer Grundsatzrede präsentierte er den sogenannten "Werner-Plan", der nichts Geringeres war als die Blaupause für die Europäische Währungsunion - und damit für den Euro. Das Zusammenwachsen Europas stand in den ersten Jahren im Fokus der Gespräche, die damals auch noch Europäische Wirtschaftsgespräche hießen und erst in den 80er Jahren umbenannt wurden.

Ist Davos überhaupt der richtige Ort, um die Brüche in der Welt zu heilen?

Im Jahr 1990 traf der deutsche Kanzler Helmut Kohl auf den letzten Ministerpräsidenten der DDR, Hans Modrow. Legendär war auch das Zusammentreffen von Palästinenser-Chef Yassir Arafat und dem israelischen Außenminister Schimon Peres 1994. Etwas unwillig, aber doch, reichten sie sich die Hand. Die Kameras klickten. Die Begegnung schürte große Hoffnungen, letztlich blieb sie aber doch nur eine Episode im Nahostkonflikt.

Wie nachhaltig wird wohl Trumps Besuch werden? Er wird die Veranstaltung am kommenden Freitag mit seiner Rede abschließen, und so haben die Teilnehmer eine Woche lang Zeit, zu spekulieren: Wird die Welt nach der Rede dieses Präsidenten, der das Pariser Klimaschutz-Abkommen für überflüssig hält und die Herkunftsländer vieler Einwanderer als "Drecksloch-Länder" beschimpft, noch zersplitterter sein?

Kurz dem Treffen veröffentlichten die Organisatoren des WEF ihren diesjährigen Risikobericht; eine beunruhigende Bestandsaufnahme der Weltsituation: Dramatische Umweltprobleme, Wirtschaftskrisen, geopolitische Risiken wie der Streit mit Nordkorea, die Abkühlung in der amerikanisch-russischen Beziehungen, weltweiter Terrorismus und die Frage, welche Richtung Europa und der Euro in den kommenden Jahren einschlagen werden. Bei all dem geht es in Davos vor allem um die eine entscheidende Frage: Wie kann jetzt verhindert werden, dass die Krisen dieser Welt noch weiter eskalieren und es zum großen Kollaps kommt? "Wir haben zugelassen, dass Brüche entstehen, die Institutionen, Gesellschaften und die Umwelt schwächen - diese Brüche gilt es nun zu heilen", sagte WEF-Gründer Klaus Schwab vor dem Treffen.

Nun war es noch nie so, dass das Weltwirtschaftsforum politische oder ökonomischen Entscheidungen getroffen hat - dafür ist Davos nicht das Forum. Die Menschen, die hierher kommen, egal ob Politiker oder Manager, wollen stattdessen hinter den Kulissen miteinander verhandeln, Geschäfte machen, sich kennenlernen oder politische Stimmungen ausloten. Gerade das wird seit Jahren kritisiert: Dass die Elite in die Berge geht, um Weltpolitik zu betreiben.

Schwab, inzwischen 79 Jahre alt, wird seit vielen Jahren nachgesagt, dass sein eigentliches Ziel nicht die öffentlichkeitswirksame Gewinnmaschine Weltwirtschaftsforum sei, sondern der Friedensnobelpreis. Bisher hat er vergeblich darauf gewartet.

© SZ vom 20.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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