Datenskandal bei der Bahn:"Nun ist aber gut"

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Die Bahn wollte ihre Datenaffäre vorbehaltlos aufklären - doch jetzt soll sie massiv in die Arbeit der Sonderermittler eingreifen. Das erzürnt die bislang recht zahmen Gewerkschaften.

M. Bauchmüller und K. Ott

Aufklärung, vorbehaltslose Aufklärung des Datenskandals bei der Deutschen Bahn - eigentlich sollte das wieder für Ruhe sorgen im Staatskonzern. Viele Beschäftigte sind immer noch sauer, dass sie wiederholt ausgespäht worden sind.

Harte Vorwürfe an die Bahn: Sie soll die Arbeit der Sonderermittler in der Datenaffäre massiv behindern. (Foto: Foto: dpa)

Seit zwei Wochen arbeiten die vom Aufsichtsrat eingesetzten Sonderermittler in der Berliner Konzernzentrale, und was ist los? Helle Aufregung. "Die Volksseele kocht", sagt Claus Weselsky, Chef der Lokführer-Gewerkschaft GDL. "Die Beschäftigten fragen sich, was sie denn da eigentlich für einen Arbeitgeber haben."

Und dabei war die GDL bisher relativ zahm. Weselsky habe Mehdorn nicht verurteilen wollen, ohne dass alle Fakten auf dem Tisch liegen. Heute sagt er: "Nun ist aber gut."

Jüngste Klagen der Sonderermittler Herta Däubler-Gmelin und Gerhart Baum haben für viele Gewerkschafter das Fass zum Überlaufen gebracht. In dieser Woche haben sich die beiden Ex-Minister in einem Brief an Aufsichtsrats-Chef Werner Müller viel Ärger von der Seele geschrieben.

Darin beklagen sie eine massive Behinderung ihrer Arbeit. Sie hätten den Eindruck, schrieben Baum und Däubler-Gmelin, "dass einer schnellen und lückenlosen Aufklärung Steine in den Weg gelegt werden".

Harte Vorwürfe, die auch die Gewerkschaften interessieren. Die hatten durchgesetzt, dass die beiden Ex-Minister mit der Aufklärung beauftragt werden. Das Duo gilt als erfahren bei der Untersuchung von Spitzel- und Spähvorwürfen, es ist auch bei der Telekom im Einsatz.

Bahn-Anwälte bei der Zeugenbefragung

Offenbar versuchte die Bahn, die Ermittlungen geschickt zu kanalisieren. Das geht aus einem Schreiben der Bahn-Personalvorstände Norbert Hansen und Margret Suckale an den Konzern-Betriebsrat hervor, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

Demnach will die Bahn den Aufklärern Baum und Däubler-Gmelin, die zusammen mit der Wirtschaftsprüfgesellschaft KPMG Licht in den Datenskandal bringen sollten, keineswegs freie Hand lassen. Stattdessen sollen an Befragungen von Beteiligten oder Zeugen des Skandals auch die Anwälte der Konzernspitze teilnehmen.

Ein bemerkenswerter Vorgang, sollen doch die Ermittlungen auch Aufschluss geben über eine mögliche Verstrickung von Bahnchef Hartmut Mehdorn. Dass Mitarbeiter bei der Befragung in Gegenwart von Konzernanwälten Belastendes von sich geben, ist wohl eher unwahrscheinlich.

Auch sollten Baum und Däubler-Gmelin nicht von sich aus auf mögliche Zeugen zugehen. "Die Interviewpartner werden telefonisch oder per E-Mail durch das interne Projektteam unter Leitung von Herrn Schaupensteiner über die Gesprächsanfrage informiert", schreiben Hansen und Suckale.

Ex-Staatsanwalt Wolfgang Schaupensteiner, von Mehdorn als Anti-Korruptionsbeauftragter des Konzerns zur Bahn geholt, solle auch Beistand durch die Rechtsabteilung organisieren, falls Mitarbeiter das wünschen. Mit seinem Projektteam solle Schaupensteiner die Untersuchungen unterstützen. Ein Vertrauter Mehdorns hätte damit wohl die Fäden in der Hand.

Empörte Gewerkschaften

Der Aufruhr im Gewerkschaftslager ist enorm - und überbrückt alle Differenzen. Bislang lagen Weselsky und die beiden anderen Gewerkschaftschefs Alexander Kirchner (Transnet) und Klaus-Dieter Hommel (GDBA) in vielen Dingen überkreuz, die Gewerkschaften ringen um Einfluss und Mitglieder. Dass die Bahn nahezu alle Mitarbeiter heimlich überprüft hatte, eint nun die Lager.

Die Anweisung von Hansen und Suckale müsse zurückgenommen werden, verlangt Hommel. "Wenn ich etwas untersuchen will, und setze Aufpasser des Konzerns daneben, dann funktioniert das nicht." Hommel verlangt freie Hand für die Sonderermittler.

Bei Transnet ist die Empörung nicht weniger groß. "Wir lassen nicht zu, dass die Aufklärungsarbeiten behindert werden", sagt Transnet-Chef Kirchner. Die Bahn aber hält an den Vorgaben fest. Es gebe keinen Grund, davon abzurücken, hieß es in Bahnkreisen.

© SZ vom 07.03.2009/gal - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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