Cybersicherheit:Alpenblick in Tel Aviv

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In Israel arbeiten viele Unternehmen an Systemen gegen Hackerangriffe. Oft bringen Gründer Erfahrungen aus dem Militärdienst ein - so auch im Start-up Argus, das von einer deutschen Firma gekauft wurde.

Von A. Föderl-Schmid, Tel Aviv

Die Schweizer Alpen mit sattgrünen Wiesen und wiederkäuenden braunen Kühen: So eine Kulisse erwartet man nicht, wenn man in Israel ein Unternehmen besucht. Aber statt für Autos oder den Strand, den man hier in Tel Aviv ohnehin in Gehweite hat, entschieden sich die Mitarbeiter von Argus Cyber Security vor eineinhalb Jahren für dieses Motiv auf den riesigen Fototapeten in ihren Besprechungsräumen. Es hat eine Abstimmung darüber gegeben, so wie vieles gemeinschaftlich entschieden und dann in den umliegenden kleineren Glaskästen umgesetzt wird.

Hier, vom zehnten Stock eines Büroturms im Norden von Tel Aviv blickt das Argus-Team in die Zukunft. Junge Menschen Ende zwanzig, Anfang dreißig, drängen sich um einzelne Computer, die Räume sollen Wohnzimmeratmosphäre schaffen. Das ist wichtig, denn die Kollegen müssen schreckliche Szenarien vordenken. "Das ist ein bisschen wie Science-Fiction, aber nicht so wie bei James Bond", beschreibt Vorstandsmitglied Yoni Heilbronn die Anforderungen.

Argus Cyber Security rüstet sich und andere gegen Cyberattacken auf Fahrzeuge. Jedes Fahrzeug hat Millionen elektronische Verbindungen - und genau so viele Möglichkeiten, das Auto zu hacken. "Das ist nicht trivial, dazu braucht man schon mehr als einen Tag", sagt Heilbronn. "Aber es ist möglich." Das Unternehmen hat Schritt für Schritt einen digitalen Schutzmantel entwickelt, der aus vielen verschiedenen Komponenten besteht und Sicherheit gewährleisten soll. Das ist insbesondere für autonomes Fahren wichtig, wenn der Mensch als Lenker ausfällt und allein der Computern steuert. Schalten etwa Hacker aus der Ferne die Bremsen aus, droht Lebensgefahr für Insassen und Passanten. "Es gibt keine hundertprozentige Sicherheit vor Cyberattacken, nur höchstmögliche", so Heilbronn. Wichtig seien konsequente Updates, denn ständig gebe es neue Viren und andere Schädlinge. Und anders als ein Handy werde ein Auto durchschnittlich zehn bis zwölf Jahre benutzt.

Vor wenigen Wochen hat Continental die israelische IT-Sicherheitsfirma gekauft

Argus gilt weltweit als jenes Unternehmen, das die am weitesten fortgeschrittenen und zur Marktreife geführten Entwicklungen zur Abwehr dieser Angriffe im Automobilbereich vorweisen kann. Das Unternehmen wurde 2013 gegründet, eigentlich wollten die Gründer Handys vor Cyberattacken schützen. Doch nach mehreren Monaten Arbeit stoppten sie das Projekt und nahmen Autos in Visier. 30 Millionen US-Dollar hat Argus bei Venture Capital Funds wie Magma und Vertex eingesammelt, auch Allianz und Magna stellten Kapital.

Mächtige Berge, glückliche Kühe – Gründer Yoni Heilbronn vor der Fototapete, die das Team des Start-ups Argus von düsteren Zukunftsszenarien ablenken soll. (Foto: N/A)

Vor wenigen Wochen hat Continental die israelische IT-Sicherheitsfirma gekauft. Als Kaufsumme wurden 400 Millionen Euro genannt - keines der beiden Unternehmen will diese Zahl kommentieren, aber auch nicht dementieren. Bestätigt wird lediglich ein dreistelliger Millionenbetrag. Der zweitgrößte Autozulieferer der Welt will sich mit diesem Kauf für die digitale Zukunft rüsten und Cyberattacken abwehren können.

Was ist so viel wert an einem Unternehmen, das rund 70 Beschäftigte hat und wenig Umsatz macht? Heilbronn kommt etwas ins Schwimmen, verweist auf 38 existierende oder bereits angemeldete Patente und auf Standorte in Stuttgart, Tokio, in Michigan und im Silicon Valley. "Wir haben das größte Portfolio und bieten mehr Lösungen an als die Konkurrenz." Die Mitarbeiter bekommen Aktienoptionen. Und anders als in Israel üblich zielen die Gründer nicht auf einen Unternehmensverkauf, sie wollen die Firma weiterführen.

Die neuen Eigentümer aus Niedersachsen arbeiten bereits mit Argus zusammen. Continental-Tochter Elektrobit bietet seit dem Vorjahr gemeinsam mit dem israelischen Start-up eine Technologie für drahtlose Software-Updates an. Argus soll ein Teil von Elektrobit werden. "Es wird mehr eine Form von exklusiver Partnerschaft sein. Eine Kollaboration", meint Nicole Donhauser, die Marketingchefin von Elektrobit aus der Zentrale in Erlangen, die zufällig beim Termin in Tel Aviv anwesend ist. Das im Bereich Automotive Software tätige, 1988 gegründete Unternehmen Elektrobit genießt weitgehend Eigenständigkeit im Conti-Reich. Mit etwas mehr als 1000 Mitarbeitern erwirtschaftet Elektrobit rund 143 Millionen Euro Umsatz.

Continental ist auch an der branchenübergreifenden Allianz von BMW für selbstfahrende Autos beteiligt. Die Münchner wollen solche Fahrzeuge zusammen mit Partnern bis 2021 auf die Straße bringen. Argus dagegen geht mit Zahlen und Namen von Firmen, mit denen das Start-up kooperiert, nicht so offen um: Man arbeite mit den wichtigsten Unternehmen zusammen und wolle das auch weiter so halten. "Da können auch Konkurrenten von Continental dabei sein. Sonst können wir unsere Gründungsmission nicht erfüllen", sagt Heilbronn.

Die Gründer haben ihr Know-how beim israelischen Militär gelernt

Ein beträchtlicher Teil der Mitarbeiter, darunter Heilbronn und die drei Gründungsmitglieder, haben ihr Know-how in der Einheit 8200 bei den israelischen Streitkräften erworben. "Da hat man die Möglichkeit, schnell zu lernen und wird mit Missionen betraut, die wie Science-Fiction wirken." Es herrsche Unternehmergeist und sei kein Zufall, dass sich in 80 bis 90 Prozent der israelischen Hightech-Firmen Personal finde, das vorher beim Militär gedient habe.

"So kommen jedes Jahr Hunderte junge Menschen auf den Jobmarkt, die gut ausgebildet sind. So ein Phänomen gibt es sonst nirgendwo auf der Welt." Heilbronn selbst blieb zehn Jahre, ehe er in die Wirtschaft wechselte. Die enge Verbindung mit dem Militär zeigt sich auch daran, dass rund 400 Unternehmen im Land auf Cybersecurity spezialisiert sind. Israel hat damit einen für ein Land mit 8,5 Millionen Einwohnern vergleichsweise großen Anteil von 25 Prozent am Weltmarkt.

Den will Argus ausbauen, kräftig expandieren und Leute einstellen. Viel enger kann man nicht zusammenrutschen, also werden sie neue Räumlichkeiten suchen müssen. Und dann soll es wieder eine Abstimmung geben über die Wandgestaltung. "Vielleicht nehmen wir deutsche Kühe und deutsche Berge", meint Heilbronn.

© SZ vom 29.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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