Cum-Ex-Deals:Erster Prozess terminiert

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Von Anfang September an stehen zwei Aktienhändler in Bonn vor Gericht. Sie haben in annähernd 50 Vernehmungen umfangreich ausgesagt und mehrere Kollegen, Banken und Rechtsanwälte schwer belastet.

Von Klaus Ott und Jan Willmroth, Frankfurt

Im größten Steuerskandal in der bundesdeutschen Geschichte steht der erste Strafprozess bevor. Das Landgericht Bonn hat die Eröffnung eines Verfahrens gegen zwei Aktienhändler beschlossen, die sich mit einem systematischen Griff in die Staatskasse der schweren Steuerhinterziehung schuldig gemacht haben sollen. Der erste Verhandlungstag ist nach Informationen der Süddeutschen Zeitung der 4. September. Danach hat das Gericht größtenteils drei Verhandlungstermine pro Woche angesetzt, um schnell voranzukommen. Mit dem Strafprozess würde erstmals geklärt, ob Cum-Ex-Geschäfte strafbar waren, was viele Beteiligte bestreiten.

Vorerst sind Verhandlungstage bis Anfang 2020 anberaumt. Eine Liste mit zu ladenden Zeugen gibt es den Informationen zufolge noch nicht. Über die geplanten fünf Nebenbeteiligten, darunter die Privatbank Warburg, eine US-Bank und drei Fondsgesellschaften, soll im August entschieden werden. Das Gericht hatte Anfang 2018 in Erwartung komplizierter Verfahren wegen Cum-Ex-Geschäften eine neue Strafkammer gegründet, der nunmehr das erste Verfahren bevorsteht.

Mit Aktiengeschäften vor (cum) und nach (ex) dem Zahltag der Dividende hatten etliche Banken, Fonds und Händler jahrelang den Fiskus getäuscht. In den Jahren 2007 bis 2012 nutzten sie mehrere Gesetzeslücken, um sich eine nur einmal gezahlte Kapitalertragsteuer doppelt oder mehrfach erstatten zu lassen. Vor allem die Staatsanwaltschaft Köln ermittelt seit Jahren intensiv gegen mutmaßliche Täter und geht nunmehr auch Hinweisen nach, dass die Deals nach 2012 weitergingen.

Die beiden angeklagten Händler standen einst in Diensten der Hypo-Vereinsbank und machten sich später mit einer eigenen Fondsfirma selbständig. Sie haben in annähernd 50 Vernehmungen umfangreich ausgesagt und zahlreiche Kollegen, Banken und Rechtsanwälte schwer belastet. Die Anklageschrift umfasst mehr als 600 Seiten und enthält unter anderem den Vorwurf der schweren Steuerhinterziehung in 33 Fällen. Um 447,5 Millionen Euro sollen allein die zwei britischen Staatsbürger zusammen mit Komplizen den deutschen Fiskus geschädigt haben. Insgesamt schätzen Steuerfahnder den Schaden auf mehr als zehn Milliarden Euro allein in Deutschland, wobei auch die Staatskassen weiterer europäischer Länder systematisch geplündert worden sein sollen. Verlauf und Ausgang des Verfahrens in Bonn dürften Signalwirkung haben für alles, was in Sachen Cum-Ex noch folgt. Die Staatsanwaltschaft ist sich sicher: Den Beteiligten sei es nur um betrügerischen Profit mit Steuergeld gegangen - in voller Absicht.

© SZ vom 16.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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