Coronavirus:So könnte das Impfen funktionieren

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Wie werden Termine für die Menschen vergeben, die sich impfen lassen wollen? Zwei Firmen aus dem Bertelsmann-Umfeld glauben, dass sie die Lösung haben.

Von Kaja Adchayan und Herbert Fromme, Köln

Die Hoffnungen sind groß, dass die neuen Impfstoffe der Pandemie ein Ende bereiten. Länder und Gemeinden bauen Impfzentren auf, Speditionen bereiten Logistikketten vor, Ärzte und Fachkräfte werden gesucht. Aber wer organisiert, dass 20 oder 30 Millionen Einwohner, die geimpft werden wollen, in kurzer Zeit einen Termin bekommen, erinnert werden und nachfragen können? Die Gesundheitsämter? Die Artzpraxen? Die Kassenärztlichen Vereinigungen?

3C und Majorel, zwei Firmen aus dem Umfeld des Bertelsmann-Konzerns, glauben, dass sie eine digitale Lösung haben - und nennen als Referenz das Vergleichsverfahren für Geschädigte im VW-Dieselskandal. Da haben sie binnen kurzer Zeit für 425 000 Anspruchssteller die Online-Logistik und Servicecenter bereitgestellt.

"Wir können die Terminlogistik für das Impfen darstellen", sagt Björn Hinrichs selbstbewusst, Geschäftsführer bei 3C. "Die Frage ist, wie der Impfling ins Impfzentrum kommt", erläutert Olaf Tenge, Mitglied der Geschäftsleitung bei Majorel.

Es gibt die Vorstellung, alles über die Notrufnummer 116 117 der Kassenärztlichen Vereinigungen zu organisieren. Allein dürften die Plattformen dahinter die Aufgabe kaum bewältigen. Wahrscheinlich wird es Kooperationslösungen geben.

Das Bundesgesundheitsministerium will bis Mitte Dezember eine funktionierende Infrastruktur

"Die Erreichbarkeit und die Terminvergabe müssen solide gewährleistet sein", sagt Hinrichs. Dafür müsse eine nur für diesen Zweck konzipierte Online-Plattform bestehen. Außerdem sei es zwingend nötig, dass alle Betroffenen die Möglichkeit haben, sich telefonisch anzumelden oder zu erkundigen.

Aktuell sprechen die beiden Unternehmen mit den Gesundheitsministerien der Länder. Es seien noch keine Aufträge vergeben worden, sagt Tenge. "Das Bundesgesundheitsministerium drängt aber darauf, dass bis Mitte Dezember die Infrastruktur steht." Das sei sehr anspruchsvoll.

"Wir haben mehr als sechs Jahre Erfahrung mit der Terminierung von Massenereignissen", erläutert Hinrichs. Die Impf-Terminlogistik beginnt mit der Echtzeitbeobachtung der physischen Logistik der Impfdosen, damit das System weiß, wie viele Impfungen überhaupt vorgenommen werden können. "Termine werden dann in Selbstbedienung auf der Plattform geholt, wer keinen Online-Zugang hat, kann das telefonisch im Servicecenter tun." Das System lädt automatisch ein und erinnert Betroffene. Für Risikogruppen wird eine bevorzugte Terminvergabe eingerichtet, so der Plan.

Ein wichtiger Bestandteil der Impfstrategie des Bundes und der Länder müsse eine realistische Vorbereitung der Bevölkerung sein, sagt Tenge. "Sie müssen klarmachen, dass zu Beginn nicht für jeden der Impfstoff zur Verfügung steht." Sonst seien alle Server und Hotlines, gleich von welchem Anbieter, mit Sicherheit überlastet.

3C gehört seit Juli 2020 mehrheitlich dem britischen Dienstleister Experian, Bertelsmann hält 40 Prozent. 3C kooperiert mit Majorel, einem Gemeinschaftsunternehmen von Bertelsmann und der marokkanischen Saham-Gruppe. Majorel betreibt Callcenter und bietet weitere Dienstleistungen an.

3C hat eigentlich seinen Schwerpunkt in der Schadenabwicklung für Versicherer. Aber seit der VW-Aktion gehen die Ambitionen deutlich darüber hinaus. Im Februar 2020 erteilte VW den Auftrag, die vom Verbraucherzentrale Bundesverband initiierte Musterfeststellungsklage mit 430 000 Klägern gegen den Autohersteller auf einer Plattform digital abzuwickeln.

In vier Wochen konnten 3C und seine Partner das Portal auf die Beine stellen. "Am 20. März musste es live geschaltet werden, weil am 8. Mai der Termin vor dem Bundesgerichtshof war, von dem viele erwartet haben, dass er für VW nicht gut ausgehen könnte", berichtet Hinrichs. Der Konzern wollte die Klagen bis dahin beigelegt haben, denn nach dem Urteil wären die Entschädigungssummen höher ausgefallen.

425 000 Briefe mit Login-Daten für das Portal verschickte 3C an die Kläger. Am 20. März 2020 wurde das Portal freigeschaltet - und brach prompt unter dem Ansturm zusammen. "Wir hatten innerhalb kürzester Zeit 12 000 technische Transaktionen pro Sekunde", so Hinrichs. Die Entwickler hatten mit 9000 Transaktionen am Tag gerechnet. Nachdem die Plattform auf einen größeren Server gesetzt worden war, war sie ab 13 Uhr am selben Tag stabil verfügbar. Bis Ende Mai nahmen 242 000 Kläger ihr individuelles Vergleichsangebot an.

Die Impf-Terminlogistik wird deutlich aufwändiger. "Dafür muss man alles mobilisieren, was in diesem Bereich irgendwie geht", sagt Tenge. "Kein Anbieter wird auf Anhieb das Personal für eine solche Aufgabe haben."

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