Commerzbank:270 Folien für einen radikalen Umbau

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259 Meter, 56 Stockwerke: Seit bald zwanzig Jahren ist der Commerzbank-Tower das höchste Gebäude in Frankfurt. Braucht die Bank langfristig überhaupt noch so viel Platz? (Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Die Commerzbank will im Inland 7800 Stellen streichen. Der Betriebsrat kritisiert das.

Von Jan Willmroth, Frankfurt

Wer eine ganze Bank umbauen will, muss kreativ werden. Insofern darf man Commerzbank-Chef Martin Zielke ziemlich viel Kreativität unterstellen, schließlich hat er seinem Institut eine radikale Kur verordnet. Für den Titel dieses Konzernumbaus reichte die Kreativität aber offenbar nicht mehr aus: "Commerzbank 4.0" lautet er, das klingt irgendwie nach Fortschritt, nach Zukunft und digitalen Projekten. Für die Mitarbeiter aber heißt diese Überschrift seit einem halben Jahr vor allem: Viele wissen noch nicht, ob sie ihre aktuelle Stelle behalten können, geschweige denn, wie lange noch.

Sechs Monate, nachdem Zielke den Umbau angekündigte, hat die Konzernführung die Belegschaft erstmals über ihre konkreten Pläne informiert. Demnach wolle die Bank allein im Inland etwa 7800 Stellen streichen, heißt es in einem internen Schreiben des Gesamtbetriebsrats. Damit würde bis zum Ende des Jahrzehnts mehr als ein Fünftel der Stellen in Deutschland wegfallen. "Sehr viel mehr Mitarbeiter sind von dem Umbau betroffen", heißt es in der Mitteilung.

"Die betrieblichen Auswirkungen auf die Mitarbeiter wurden nur im Ansatz dargestellt"

Darin bemängelt der Betriebsrat auch die Informationspolitik des Managements. Die Arbeitnehmervertreter seien in einer neunstündigen Sitzung mit 270 Folien zu den Folgen des Umbaus für die jeweiligen Konzernbereiche nur unzureichend informiert worden. Auf Nachfragen sei ausweichend geantwortet - und am Schluss auf zwei Aktenordner mit 1000 Seiten Unterlagen verwiesen worden, die am Ende der Sitzung vergangene Woche an alle Anwesenden verteilt wurden. "Die betrieblichen Auswirkungen auf die Mitarbeiter wurden nur im Ansatz dargestellt", schreiben die Betriebsräte.

Die Bank will derzeit nichts dazu sagen und bittet um Verständnis: Zu konkreten Zahlen und zum Stand der Verhandlungen mit den Arbeitnehmergremien äußere man sich nicht. "Konkrete Ergebnisse stehen erst nach Abschluss der Verhandlungen fest", sagte eine Sprecherin. Der Bank ist wichtig zu betonen, dass die bundesweit etwa tausend Filialen erhalten bleiben sollen. Verknüpft mit den bereits bekannten Details aus Zielkes Plänen heißt das: Die Filialen bleiben, werden aber mit verschiedenen Konzepten umgestaltet und kommen künftig mit viel weniger Mitarbeitern aus, die Kunden vor Ort beraten.

Bis 2020 soll der Umbau des Kreditinstituts abgeschlossen sein. Bereits Ende September hatte Zielke angekündigt, 9600 Stellen streichen zu wollen und zugleich etwa 2300 Stellen in zukunftsträchtigen Abteilungen zu schaffen. Im Mittelpunkt der Zielke-Pläne steht die Konzernstruktur. Das Investmentbanking und das Geschäft mit großen Unternehmenskunden werden verschmolzen, von bislang drei Konzernbereichen bleiben zwei übrig. Ein Großteil der Abläufe innerhalb der Bank soll digitalisiert werden, allein das lässt einen Stellenabbau logisch erscheinen. Die Wertpapierabwicklung - dort läuft der komplexe Prozess im Hintergrund ab, wenn Aktien, Anleihen oder Derivate den Besitzer wechseln - will die Bank auslagern. Angeblich steht mit einer Tochter der britischen Großbank HSBC bereits ein möglicher Käufer bereit.

Vor allem im Privatkundengeschäft, das Zielke zwischen 2010 und 2016 selbst geleitet hat, will die seit der Finanzkrise teilstaatliche Bank in den kommenden Jahren wachsen. Erst einmal aber müssen im Zuge des 1,1 Milliarden Euro teuren Umbaus die Kosten sinken. Man sorge dafür, dass "unsere Mitarbeiter dort arbeiten, wo sie ihre Fähigkeiten im Hinblick auf den Bedarf der Bank am besten entfalten können", steht im aktuellen Geschäftsbericht geschrieben. Das wird für Tausende Mitarbeiter bedeuten: wahrscheinlich nicht mehr bei der Commerzbank.

© SZ vom 06.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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