Antidiskriminierung:Coming-out am Arbeitsplatz

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Die Befragten gaben verschiedene Gründe dafür an, ihre sexuelle Orientierung im Büro für sich zu behalten. (Foto: Elena Helade/Imago)

Wollen Lesben und Schwule ihren Kollegen erzählen, wen sie lieben? Eine Umfrage erforscht, wie viele Menschen sich im Job outen.

Von Sophie Scholl

Wann outen sich Menschen am Arbeitsplatz? Das versucht, eine Umfrage der Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG) herauszufinden, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Demnach outen sich 70 Prozent der lesbischen, schwulen, bi- und transsexuellen Beschäftigten während des Einstellungsprozesses oder innerhalb des ersten Anstellungsjahres.

Etwa 8800 Menschen aus 19 Ländern, darunter 316 Deutsche, nahmen an der Umfrage der Unternehmensberatung teil. Der Fokus der Umfrage lag dabei auf Mitgliedern der LGBTQ+-Gemeinschaft. Etwa 61 Prozent der Befragten gehören dieser an. Die Abkürzung LGBTQ+ steht für Lesben, Schwule, Bi- und Transsexuelle und queere Personen; das Plus umfasst symbolisch jedwede weitere sexuelle Orientierung.

Die Umfrage zeigt, dass das erste Jahr für Beschäftigte eine kritische Zeit ist. Während der Großteil sich bereits innerhalb des ersten Jahres outet, tun zehn Prozent dies erst zu einem späteren Zeitpunkt im Beruf. 20 Prozent der Befragten verschweigt ihre sexuelle Orientierung gegenüber ihren Kolleginnen und Kollegen. "Wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im ersten Jahr nicht das Gefühl haben, dass die Firma hinter ihnen steht, dann outen sie sich meist nicht", sagt Annika Zawadzki, Partnerin und LGBTQ+-Expertin von BCG.

Unter Kolleginnen und Kollegen haben sich in Deutschland und Österreich 72 Prozent der Beschäftigten geoutet. Das sind vier Prozent weniger als im Durchschnitt der insgesamt untersuchten Länder. Etwa 45 Prozent der Befragten gaben an, gegenüber Kunden geoutet zu sein.

Firmen können einiges dafür tun, dass sich Mitglieder der LGBTQ+-Gemeinschaft bei ihnen willkommen fühlen

Die nicht geouteten Befragten gaben verschiedene Gründe dafür an, diesen Schritt nicht zu gehen: Sie nannten die Privatsphäre und fehlende Vorbildern im Kollegium sowie eine LGBTQ+-unfreundliche Unternehmenskultur und die Angst vor beruflichen Einschnitten.

19 Prozent der deutschen Befragten nahmen einen beruflichen Nachteil durch ihr Outing wahr. 32 Prozent der Befragten sehen ihr Coming-out hingegen als einen Vorteil an. Etwa die Hälfte glaubt, dass ihr Outing keine Rolle im Berufsleben spielt.

Im Ländervergleich liegt Deutschland mit diesen Ergebnissen auf dem sechsten Platz. Vor Deutschland befinden sich in diesem Ranking unter anderem die USA, Kanada und Norwegen. Dort gaben weniger Befragte an, sich aufgrund ihres Outings benachteiligt zu fühlen. Mexiko schnitt am schlechtesten ab: 40 Prozent fühlen sich durch ihr Outing schlechter gestellt.

Laut René Mertens, Sprecher des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD), sind es meist die Berufseinsteiger, die beim Coming-out zögern. "Junge Menschen outen sich seltener. Sie haben Sorge vor Diskriminierung und davor, in ihrem Beruf schlechter gestellt zu werden", sagt Mertens. Mitglieder der LGBTQ+-Gemeinschaft würden im Beruf häufig Beleidigungen und Ausgrenzung erleben sowie bei Aufstiegschancen benachteiligt werden, so Mertens.

In Deutschland gab die Hälfte der Befragten an, diskriminierende Erfahrungen gemacht zu haben. Insbesondere Transpersonen seien häufig von Diskriminierung betroffen. "Kleidung oder auch die Ansprache sind Dinge, bei denen Transmenschen oft diskriminiert werden", sagt Mertens.

Doch wie kann ein Arbeitgeber ein LGBTQ+-freundliches Arbeitsumfeld schaffen? "Bereits in Stellenanzeigen kann explizit darauf hingewiesen werden, dass Mitglieder der LGBTQ+-Community im Unternehmen willkommen sind", sagt René Mertens vom Lesben- und Schwulenverband. Die Autoren der BCG-Studie schlagen vor, klare Richtlinien gegen Diskriminierung zu formulieren und Ansprechpartner bereitzustellen. Ebenso sei das Aufbauen von LGBTQ+-Netzwerken innerhalb des Unternehmens wichtig. Auch Unisex-Toiletten, genderneutrale Formulare und interne Schulungen könnten zu einem diskriminierungsfreien Umfeld im Unternehmen beitragen.

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