Carl-Peter Forster:"Den Staat um Hilfe zu bitten, ist uns unangenehm"

Lesezeit: 5 min

Opel-Aufsichtsratschef Carl-Peter Forster über den Überlebenskampf seines Unternehmens und die schwierige Suche nach einem Investor.

Marc Beise und Ursula Welter

Das Interview mit dem Opel-Manager Carl-Peter Forster entstand innerhalb der Reihe "Spitzengespräche", dabei handelt es sich um eine Kooperation zwischen der Süddeutschen Zeitung und dem Deutschlandfunk.

Opel-Manager Carl-Peter Forster (rechts) und Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg nach dem Treffen im Kanzleramt am vergangenen Freitag. Bis Ende März will die Regierung über mögliche Opel-Hilfen entscheiden. (Foto: Foto: AP)

Das Land ist gespalten. Kann Opel gerettet werden? Soll der Staat Opel retten? Der deutsche Auto-Manager Carl-Peter Forster, 54, soll die Voraussetzungen dafür schaffen und die Firma aus der GM-Familie herauslösen. Gesucht wird ein neuer Investor. Aber ganz ohne General Motors (GM), sagt Forster, geht es nicht.

Frage: Herr Forster, Sie sind passionierter Segler. Der Opel-Kapitän ist in schwerer See unterwegs, oder?

Forster: Zum Segeln ist schon lange keine Zeit mehr. Ja, die Wellen schlagen hoch. Es sind stürmische Zeiten für die Autoindustrie. Unser Boot wird gerade hin- und hergeworfen. Wir müssen einen erfolgreichen Weg durch diese Wellen finden. Da sind wir dabei.

Frage: Sie pendeln zwischen Deutschland und den USA, um noch zu retten, was zu retten ist. Der Druck ist riesengroß. Überfordert Sie das nicht?

Forster: Ich bin ja nicht alleine, ich kämpfe mit vielen gemeinsam für Opel. Aber ich reise nicht jede Woche in die USA, sondern erledige viel über Telefonate und Konferenzschaltungen. Und wir sind bekanntlich hin und wieder in Berlin bei der Bundesregierung, für deren Arbeit in der derzeitigen schwierigen Situation man auch Respekt haben muss.

Frage: Die Opel-Mitarbeiter in Deutschland haben ganz andere Interessen als die GM-Manager in den USA. Wie wollen Sie das ausgleichen?

Forster: Das Ziel ist klar: Wir brauchen eine Lösung, um Opel zu retten. Die innere Anspannung bei uns allen ist in der Tat groß, weil es um viel geht, um sehr viele Arbeitsplätze. Und es geht um ein Traditionsunternehmen, das eine wichtige Rolle in der Autoindustrie spielt. Das wissen auch meine amerikanischen Kollegen, die für GM eine Lösung suchen. Eigentlich wollen wir alle das Gleiche: das Unternehmen durch diese stürmische Zeit zu bringen.

Frage: Aber es gibt unterschiedliche Interessen. Sie sind früherer Opel-Chef und jetzt Opel-Aufsichtsratschef. Gleichzeitig sind Sie ein hochrangiger GM-Manager. Diese Kombination ist ungewöhnlich. Wem gehört Ihre Loyalität?

Forster: Meine Loyalität gehört den Menschen, die die Autos bauen. Manchmal muss man Diplomat sein und zwischen europäischem und amerikanischem Verständnis vermitteln. Man kann sich in den USA vorstellen, dass die Regierung einem Geld dafür gibt, dass man Kapazitäten, sprich Arbeitsplätze, abbaut. Das ist in Europa sicherlich nicht möglich. Das muss ich den amerikanischen Kollegen sehr deutlich erklären.

Aber ganz klar: Ich bin Europäer - unsere Aufgabe ist hier.

Frage: Wie steht es um das Rettungskonzept für Opel?

Forster: Wir sind davon überzeugt, dass Opel eine Zukunft hat. Dies ist die Voraussetzung gewesen, um auf die Regierung mit der Bitte um Hilfe zuzugehen. Wir bitten letztendlich um des Steuerzahlers Geld. Da muss man sicher sein, dass das Unternehmen erfolgreich sein kann. Opel ist als Marke sauber aufgestellt in Europa, kann Geld verdienen und profitabel sein.

Frage: Die Bundesregierung scheint daran Zweifel zu haben...

Forster: Wir nehmen die Kritik und die Anregungen der Bundesregierung sehr ernst, aber wir haben gehört, dass das Konzept als im Prinzip plausibel und solide anerkannt wurde. Es ist noch Detailarbeit nötig.

Frage: Es geht bei dem Konzept um die Loslösung von GM und den möglichen Einstieg eines neuen Investors bei Opel. Können Sie sich überhaupt von der Mutter GM trennen, mit der Sie eng verflochten sind?

Carl-Peter Forster: "Es gibt Interessenten aus dem In- und Ausland." (Foto: Foto: dpa)

Forster: Es gibt die Hoffnung der Opelaner und eine politische Forderung, dass das europäische Geschäft deutlich selbständiger aufgestellt wird. Öffnet sich Opel für einen neuen Anteilseigner, muss eine andere gesellschaftliche Struktur her, denn der Investor möchte mitentscheiden. Die Verbindung zu GM bleibt im ersten Schritt aber ganz wichtig. Jeder Autohersteller muss die kritische Größe an verkauften Fahrzeugen erreichen; Opel allein liegt mit 1,5 Millionen deutlich darunter. Nur in enger Zusammenarbeit kann man moderne Motoren und neue Antriebssysteme entwickeln. Denn das ist sehr teuer. Und es geht um Vorteile im Einkauf, bessere Konditionen gibt es bei größeren Mengen.

Frage: Wer könnte dieser neue Investor sein?

Forster: Das wissen wir noch nicht. Es gibt Interessenten aus dem In- und Ausland. Aber es gibt noch keine formellen Gespräche. Dafür ist ein weiter ausgearbeiteter Rettungsplan notwendig.

Frage: Sie halten die Hilfe des Staates und damit des Steuerzahlers für existenziell wichtig. Aber der Staat kann nicht jedes Unternehmen retten, das in Not ist. Warum ausgerechnet Opel?

Forster: Erstens stecken wir in einer atypischen Krise. Überall geht es abwärts. Aber: In der Krise werden die Strukturen der Zukunft geschaffen. Zweitens: Wir haben Tausende Ingenieure bei Opel. Die Entwicklungsleistung, die diese Leute bringen, hat einen Wert von mehr als 1,5 Milliarden Euro. Die gleiche Leistung bei den Zulieferern kommt hinzu. Diese drei bis vier Milliarden Euro an Entwicklungsleistungen, die in Europa durch Opel erbracht werden, würden wegfallen. Und es geht um wichtige Arbeitsplätze. Aber wir können natürlich auch Skepsis nachvollziehen. Klar ist: Wir möchten niemand unter Druck setzen. Wir gehen nicht gerne nach Berlin und bitten um Staatshilfe. Das ist uns unangenehm.

Frage: Wie viel Geld wollen Sie mittlerweile?

Forster: Wir wollen kein Geld, sondern Bürgschaften, ohne die wir am Kapitalmarkt, der in Folge der Finanzkrise nicht mehr funktioniert, keine ausreichende Finanzierung erhalten. Wir brauchen europaweit eine Bürgschaft über 3,3 Milliarden Euro, um uns Darlehen von Banken holen zu können. In Spanien haben wir schon eine Bürgschaft für ein konkretes Projekt und können mit den Banken verhandeln. In Deutschland brauchen wir eine Garantie für 2,6 Milliarden Euro.

Frage: Ein Unternehmen ohne Patente ist wertlos. Die Opel-Patente liegen in den USA und sind verpfändet an die dortige Regierung. Scheitert daran eine Rettung von Opel?

Forster: Das ist ein Thema, das geklärt werden muss. Daran arbeiten wir auch auf politischer Ebene. Klar ist: Wir brauchen den Zugriff auf diese Patente. GM hat uns schriftlich die Bereitschaft dazu erklärt.

Streik bei Opel
:Demonstrieren fürs Überleben

Tausende Opel-Mitarbeiter gehen auf die Straße: Sie wollen, dass der Staat das Unternehmen rettet. Auch im übrigen Europa demonstrieren tausende Mitarbeiter des General-Motors-Konzerns. In Bildern.

Frage: Für den Außenstehenden ist das alles sehr undurchsichtig. Politiker werfen Opel vor, bei den Zahlen intransparent zu sein. Was sagen Sie dazu?

Forster: Sollten Fragen offen geblieben sein, sind wir jederzeit bereit, Antworten zu geben. Neue Investoren und der Staat, der uns hoffentlich Darlehen verbürgen wird, wollen wissen, was da ist. Es muss ja auch gegenüber dem Steuerzahler dann klar genug sein.

Frage: Wie weit reicht die Liquidität noch?

Forster: Wir setzen alles daran, dass sie bis zu einer Lösung reicht.

Frage: Sie könnten auch in die Insolvenz gehen und dann mit leichteren Bedingungen weiterarbeiten. Das ist ein gängiges Verfahren in Krisenzeiten.

Forster: Zum Thema Insolvenz gibt es immer den einen oder anderen, der über die Idee nachdenkt. Insolvenz ist ein schwieriges Thema und ist vor allen Dingen ein schwieriges Thema für ein Unternehmen, das auf Kundenvertrauen aufbaut und zwar auf langfristiges Kundenvertrauen. Wir haben dieses Szenario einmal durchgespielt. Es ist für uns keine Alternative, die wir aktiv vorantreiben.

Frage: Sie sprechen also nicht mit Insolvenzverwaltern?

Forster: Es gibt dieses Gerücht, weil wir mit Rechtsanwälten sprechen, die auch Insolvenzen abwickeln. Aber das sind Restrukturierungsanwälte.

Frage: Nehmen wir an, der Staat hilft. Welche Kosteneinsparungen werden dann nötig sein? Werden Sie Standorte schließen?

Forster: Wir werden sicherlich die Kosten straffen müssen, allerdings mit dem Ziel, so viele Arbeitsplätze zu sichern wie möglich. Die Frage ist wie? Wenn Sie immer ganz hart rangehen und sich fragen, was ist die ideale Lösung, ohne an Jobs zu denken und an menschliche Schicksale - dann würden wir mit drei Werken weniger auskommen. Aber genau das wollen wir verhindern - und suchen daher intensiv mit unseren Arbeitnehmern nach entsprechenden Lösungen.

Frage: Ohne Lohnverzicht wird es dann nicht gehen. Wie stellen sich die Mitarbeiter dazu? Es hat im Ruhrgebiet Hinweise gegeben, dass Werke lahmgelegt werden sollen für den Fall, dass der Lohnverzicht zu hoch ausfällt.

Forster: Im Gespräch mit den Mitarbeitern machen wir Fortschritte. Aber das sind keine einfachen Gespräche. Kein Arbeitnehmervertreter tut sich im Moment leicht, wenn es um Lohnverzicht geht. Da ist sehr viel Überzeugungsarbeit zu leisten.

Diese Fassung ist eine gekürzte und bearbeitete Fassung des Audio-Interviews, das am Mittwoch im Deutschlandfunk ausgestrahlt worden ist. Die komplette Audio-Fassung ist im Internet-Angebot der Süddeutschen Zeitung abrufbar unter www.sz-audio.de/wirtschaft

© SZ vom 12.03.2009/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: