Frankreich:Warum die Camembert-Einigung doch nur Käse ist

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Nicolas Durand zeigt 2016 in der Normandie einen frisch hergestellten Camembert. (Foto: Charly Triballeau/AFP)
  • "Camembert" ist, anders als "Camembert aus der Normandie", kein geschützter Begriff.
  • Von 2021 an sollen nun neue Regeln gelten, welcher Käse als Originalprodukt aus der Normandie verkauft werden darf.
  • Doch Véronique Richez-Lerouge, die Vorsitzende eines Vereins zur Verteidigung des französischen Käses, sagt: "Nichts ist geregelt!"

Von Leo Klimm, Paris

Durch die Hallen des Senats, der hohen Parlamentskammer Frankreichs, weht ein strenger Geruch. Der Geruch von Camembert. Mehrere Senatoren aus der Normandie, wo der legendäre - und olfaktorisch manchmal etwas aufdringliche - Weichkäse herkommt, haben ihn kiloweise auf einem Stand aufbauen lassen. Dazu wird Cidre gereicht oder gleich der Apfelbranntwein Calvados, auch dies Spezialitäten aus der nordwestfranzösischen Region. Es gilt, eine "historische Vereinbarung" zu feiern: "Der Camembert-Krieg ist vorbei", wie Patrick Mercier verkündet, ein eigens nach Paris angereister Käser. Besagter Vereinbarung zufolge sollen von 2021 an neue Regeln gelten, welcher Käse als Originalprodukt aus der Normandie verkauft werden darf. Und welcher nicht.

Wenn da nicht zu früh gefeiert wird. Hatte nicht Frankreichs Ex-Präsident Charles de Gaulle die berüchtigte Streitlust seiner Mitbürger einst in dem Bonmot zusammengefasst, ein Land, in dem es 258 verschiedene Käsesorten gebe, sei schlicht unregierbar? Der Camembert wiederum, benannt nach einem Dorf inmitten lieblicher Wiesenlandschaften, steht wie kein zweiter Käse für dieses Land - und der Streit um ihn geht ungeachtet der Friedensbeschwörungen weiter.

So hat sich in dem von Gerüchen umfangenen Saal im Senat auch Merciers größte Widersacherin eingefunden, Véronique Richez-Lerouge, die Vorsitzende eines Vereins zur Verteidigung des französischen Käses. "Von wegen, nichts ist geregelt!", schimpft sie. Für sie ist der Käse längst nicht gegessen. Das Geschäft, auf das sich Mercier und andere kleine Hersteller eingelassen haben, sieht sie als Verrat. Als Kniefall vor Europas größtem Molkereikonzern Lactalis. Der unbekannte Riese aus Westfrankreich beherrscht nicht nur das Geschäft mit italienischem Parmesan, sondern mit der Marke Président längst auch den Camembert-Markt.

Nur ein Hauch von Normandie

Im Kern geht der seit Jahrzehnten währende Streit um die Frage, ob nur solcher Weichkäse als echter Normandie-Camembert bezeichnet werden darf, der aus Rohmilch und von Hand mit der Schöpfkelle hergestellt wird. Oder ob auch pasteurisierte, also zur Abtötung von Mikroorganismen erhitzte Milch verwendet werden darf. Aus ihr entsteht, sagen die Kritiker, ein ebenso geruchs- wie geschmacksarmer Brotbelag. Den Grundsatz, dass nur Rohmilchkäse als Normandie-Original gilt, unterlaufen Lactalis und andere Großmolkereien, indem sie pasteurisierte Milch in die Region bringen und den Käse dort industriell fertigen. Auf den Verpackungen steht dann "hergestellt in der Normandie". Eine Täuschung der Verbraucher sei dies, wettert Richez-Lerouge.

Ihr Gegner Mercier klagte noch 2012 selber gegen solche Praktiken. Doch angesichts der erdrückenden Dominanz von Lactalis schloss er später einen an Subtilitäten reichen Kompromiss. Diesen Deal will Frankreichs Aufsichtsbehörde für geschützte Herkunftsbezeichnungen verbindlich machen. Demzufolge darf der Industriekäse von 2021 an auch ganz offiziell die einträgliche Herkunftsbezeichnung führen. Damit verbunden sind strengere Auflagen als bisher - etwa, dass 30 Prozent der verwendeten Milch tatsächlich aus der Gegend stammen müssen. Und der traditionelle Rohmilch-Camembert darf, um sich etwas abzuheben, zusätzlich mit dem Adjektiv "véritable" beworben werden. Mercier sieht darin einen "Sieg" und glaubt, dass die Bauern der Normandie gegenüber Lactalis künftig höhere Preise als bislang durchsetzen können.

Für Käse-Puristen wie Richez-Lerouge ist dieser Kompromiss faul wie ein überreifer Camembert. "Es geht allein um den Willen von Lactalis, Masse zu produzieren", sagt sie. Das laufe dem Sinn von Herkunftsbezeichnungen zuwider, die Qualität garantieren sollen. Sie hofft, dass die Vereinbarung noch an der Zertifizierung durch die Behörden scheitert. Wenn nicht in Frankreich, dann auf EU-Ebene.

"Camembert" ist, anders als "Camembert aus der Normandie", kein geschützter Begriff. Deswegen wird der Käse in aller Welt hergestellt, meist industriell. Den Titel des besten Camembert errang bei einer Käse-Weltmeisterschaft 2018 übrigens ein Erzeugnis aus Kanada.

© SZ vom 04.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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