Bundesbankvorstand Fabritius:"Nicht zum Nulltarif"

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Bundesbankvorstand Fabritius über die Kosten des Euro-Umlaufs, Zahlungsgewohnheiten der Deutschen - und horrende Automatengebühren.

Helga Einecke

Die meisten Deutschen bevorzugen das Geldausgeben mit Banknoten, die sie bequem aus dem Automaten ziehen. Bundesbankvorstand Hans Georg Fabritius erklärt, wie aufwendig der Umschlag der baren Euros ist und warum die Notenbank dieses Geschäft mit der Privatwirtschaft teilen will. Er selbst zahlt übrigens meist mit Karte. Wenn er sie dabei hat.

SZ: Herr Fabritius, wie viel Bargeld haben Sie in der Tasche?

Fabritius: Heute morgen gar keins. Gestern waren es 65 Euro. Die reichten für die Tankfüllung eines Kleinwagens und zwei Lollis für meine Enkel.

SZ: Das ist wenig. Im Schnitt hat der Deutsche 116 Euro im Portemonnaie.

Fabritius: Nach unserer Analyse schätzen die Deutschen Bargeld als bequemes und schnell verfügbares Zahlungsmittel. Es ist vertraut und kann anonym verwendet werden. Die Deutschen zahlen häufiger mit Bargeld als andere Europäer, was auch mit einer geringeren Ausstattung der Geschäfte mit Karten-Lesegeräten zusammenhängt.

SZ: Wie hoch ist denn die Nachfrage nach Bargeld?

Fabritius: Die Bundesbank gibt im Euro-Raum fast jeden zweiten Euro in Umlauf. Ein Viertel bis ein Drittel davon geht ins Ausland, der überwiegende Teil landet in den Taschen der Bürger und der Unternehmen.

SZ: Stimmt es, dass nur der kleinere Teil des Bargelds zum Einkauf genutzt wird, der größere aber in Tresoren liegt oder für die Bezahlung von Schwarzarbeit genutzt wird?

Fabritius: Dazu haben wir keine gesicherten Zahlen. Natürlich wird Geld auch gehortet, aber das fließt auch ab, wenn es zum Bezahlen gebraucht wird. Eine klare Trennung ist schwierig. Zum Ausmaß der Schattenwirtschaft gibt es auch nur Vermutungen.

SZ: Gibt nicht die Nachfrage nach 500-Euro-Scheinen Hinweise auf das Horten und das Schwarzgeld?

Fabritius: Es ist einfacher, Banknoten von hohem Wert aufzubewahren. Die Geldbündel sind dünner. Das dürfte eine Rolle bei den Beträgen spielen, die ins Ausland fließen. Dem Wert nach fallen die 500er Scheine ins Gewicht. Aber am meisten verbreitet ist der 50er Schein, und am häufigsten im Portemonnaie befindet sich der Zehner.

SZ: Kommt der Ein-Euro-Schein?

Fabritius: Für den gibt es keinen Bedarf. Eine Ein-Euro-Note würde erhebliche Kosten verursachen. Dabei ist an die Herstellung, die Bearbeitung der Banknoten und die Umstellung der Automaten zu denken. Kleine Scheine nutzen sich zudem schneller ab als Münzen und müssen häufiger ersetzt werden als hohe Stückelungen. Wir ändern die Stückelung der Banknoten bei der neuen Euro-Serie nicht.

SZ: Wann kommt die neue Euro-Serie?

Fabritius: Die wird gerade entwickelt. Start soll in einigen Jahren mit einer ersten Banknote sein. Etwa im Jahresrhythmus werden dann die weiteren folgen. Banknotenentwicklung ist sehr komplex und benötigt viel Zeit.

SZ: Das Abheben der Banknoten an Geldautomaten ist für einige Kunden sehr teuer. Was halten Sie vom Vorschlag, diese Gebühren zu deckeln?

Fabritius: Das Befüllen der Automaten und ihre Sicherung kostet Geld, das muss der Kunde bedenken. Aber ich bin für Transparenz. Der Kunde sollte am Automaten sehen, welche Gebühren er zahlen muss. Denn das ermöglicht Wettbewerb. Und Wettbewerb sollte Preistreiberei verhindern.

SZ: Warum machen die Banken das nicht untereinander aus?

Fabritius: Es gibt Verträge und Abkommen zwischen Kreditinstituten. Das Ergebnis ist offensichtlich unbefriedigend. Preistransparenz für den Kunden wäre besser. Ich begrüße deshalb, dass die Kreditwirtschaft aktuell an einer Anpassung arbeitet, die hoffentlich zu diesem Ziel führt. Letztlich geht es um den Aufwand, der mit Bargeld verbunden ist.

SZ: Das müssen Sie erklären.

Fabritius: Bargeld gibt es nicht zum Nulltarif. Bargeldbearbeitung und Logistik sind für Banken, Handel und Wertdienstleister mit erheblichen Kosten verbunden. Was eine einzelne Bargeldtransaktion insgesamt kostet, wissen wir nicht genau, deshalb startet das Euro-System gerade eine Analyse, welche Kosten mit welchem Zahlungsmittel - ob bar oder unbar - verbunden sind.

SZ: Was kostet das Bargeld denn die Bundesbank?

Fabritius: Etwa 60 Prozent der Kosten der Bundesbank entfallen auf den Bereich Bargeld. 2009 waren das fast 550 Millionen Euro. Knapp 30 Prozent unserer Mitarbeiter sind direkt mit der Bearbeitung des Bargelds beschäftigt. Pro Jahr werden bei der Bundesbank 15 Milliarden Banknoten bearbeitet. Unser Kassenumsatz liegt bei etwa einer Billion Euro.

SZ: Soll es dabei bleiben?

Fabritius: Wir wollen private Unternehmen stärker an der Bargeldbearbeitung beteiligen. Unser Anteil soll auf etwa 50 Prozent sinken. Natürlich ohne Abstriche bei Qualität und Sicherheit.

SZ: Wie soll das gehen?

Fabritius: Derzeit bringen Werttransportunternehmen das Bargeld von den Bundesbankfilialen zu den Banken und deren Automaten, von denen es die Verbraucher abheben. Der Verbraucher gibt das Bargeld in den Geschäften aus, von dort gelangt es über die Banken und Wertdiensttransporteure wieder zurück zur Bundesbank. In unseren Filialen wird das Bargeld bearbeitet, nicht mehr umlauffähige Scheine werden vernichtet, Falschgeld aussortiert. Dann bündeln wir die Banknoten und geben sie wieder in den Kreislauf.

SZ: Wo bleiben die privaten Firmen in diesem Geldkreislauf?

Fabritius: Der Zusammenbruch des ehemaligen Wertdienstleisters Heros hat die Branche Zeit und Vertrauen gekostet. Nun gibt es neue Regeln. Wertdienstleister, die Bargeld nicht nur transportieren, sondern auch aufbereiten wollen, brauchen eine Zulassung. Diese erteilt die Bafin. Das neue Gesetz regelt Eigenkapital, Risiko-Management und den Umgang mit Kundengeldern.

SZ: Dazu brauchen die Firmen sicher vor allem zuverlässiges Personal.

Fabritius: Nicht nur das. Sie brauchen auch Maschinen. Wir testen und zertifizieren, ob die Maschinen unsere Anforderungen erfüllen. Weiter wird in Stichproben geprüft, ob die Maschinen im laufenden Betrieb tatsächlich Falschgeld erkennen und beschädigte Banknoten aus dem Verkehr ziehen. Außerdem werden die Unternehmen selbst kontrolliert. Das ist Aufgabe der Bankenaufsicht.

SZ: Wo deponieren die Dienstleister denn das Bargeld?

Fabritius: Natürlich haben die Wertdienstleister Tresore. Im Übrigen führt die Bundesbank für lizenzierte Unternehmen wieder Girokonten. Unternehmen, die Geld aufbereiten und wieder ausgeben, brauchen solche Konten als Drehscheibe. Direkt nach der Heros-Pleite haben wir diese Konten geschlossen.

SZ: Transportiert die Bundesbank auch Geld?

Fabritius: Ja, aber nur intern, das heißt von der Druckerei zur Bundesbank sowie zwischen den Bundesbankfilialen. Die übrigen Geldtransporte organisieren die Banken und der Handel.

SZ: Rechnen Sie damit, dass Sie Ihren Anteil an der Bargeldbearbeitung schnell verkleinern können?

Fabritius: Das geht nicht von heute auf morgen. Alle Beteiligten müssen sich mit ihren Prozessen und Geschäftsmodellen dem neuen Umfeld anpassen, also Handel, Banken und Wertdienstleister. Qualität und Sicherheit müssen dabei Priorität haben.

© SZ vom 07.04.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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