Buch über Goldman Sachs:Mit besten Grüßen vom Ex

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Im Frühjahr kündigte der Banker Greg Smith mit großem Aplomb bei seinem Arbeitgeber Goldman Sachs. Er warf der Firma vor, nur noch an Gewinne, nicht mehr an Kunden zu denken - und sorgte für ein weltweites Medienecho. Wenige Stunden vor Veröffentlichung der Goldman-Sachs-Quartalszahlen hat er nun das erste Kapitel seines Buches veröffentlicht.

Oliver Hollenstein

Für viele ist die amerikanische Großbank Goldman Sachs der Inbegriff der Verdorbenheit des Finanzsystems. All jene hatten sich im Frühjahr bestätigt fühlen können, als der Banker Greg Smith unter dem Titel "Warum ich Goldman Sachs verlasse" öffentlich in der New York Times (NYT) bei Goldman kündigte und der Bank vorwarf, sie zocke ihre Kunden ab und stelle den Profit über Vertrauen und Moral.

Nun hat sich Smith erneut zu Wort gemeldet - nur wenige Stunden, bevor Goldman am Montag die Zahlen für das dritte Quartal bekannt gab. "Warum ich Goldman Sachs verlassen habe", heißt ein Buch von Smith, das in der kommenden Woche in Amerika und Ende Oktober in Deutschland erscheinen soll. Am Montag wurde nun eine Vorschau auf das erste Kapitel im amerikanischen iBooks-Store veröffentlicht.

Das Buch scheine ein "Fenster in die Kultur" von Goldman Sachs zu geben, schreibt die NYT über das Kapitel, das den Titel "Ich weiß es nicht, aber ich werde es herausfinden" trägt. Smith, der zwölf Jahre bei Goldman arbeitete und zuletzt Executive Director und Leiter der Aktienderivate in Europa, Nahost und Afrika war, erzählt darin von seinem ersten Praktikum in einem New Yorker Handelssaal der Bank und seiner anfänglichen Begeisterung für die Unternehmenskultur.

Genau diese Kultur sei in den vergangenen Jahren verloren gegangen, hatte Smith im März in der NYT geschrieben. Demut, Rechtschaffenheit, Teamwork und der Willen, immer das beste für die Kunden rauszuholen - das sei einmal die Basis des Erfolgs gewesen und der Grund für ihn bei Goldman zu arbeiten, schrieb Smith.

Inzwischen stehe aber der Profit im Mittelpunkt. Das Klima sei "vergiftet und zerstörerisch", intern würden Kunden als Deppen ("Muppets") bezeichnet, wer nach oben kommen wolle, müsse Kunden über den Tisch ziehen. "Ich habe gemerkt, dass ich nicht mehr Studenten in die Augen schauen und ihnen erzählen kann, was für ein großartiger Platz zum Arbeiten das hier ist."

Medial schlug Smith Abrechnung hohe Wellen. Mehr als drei Millionen Abrufe und zehntausende Twitter-Empfehlungen bekam der Text schon in den ersten 24 Stunden.

Goldman-Chef Lloyd Blankfein sah sich veranlasst, eine Mail an seine Mitarbeiter zu schreiben: Die Anschuldigungen würden weder die Werte noch die Kultur und das Denken der Mitarbeiter widerspiegeln. Die Kunden seien zufrieden - dennoch würden die Vorwürfe natürlich geprüft.

Intern bekam die Untersuchung den Spitznamen "Muppet-Jagd", vor wenigen Tagen berichtete die Financial Times (FT) von den Ergebnissen: Goldman habe alle Emails der Mitarbeiter geprüft und tatsächlich 4000 Mal das Wort "Muppet" gefunden. Allerdings hätten 99 Prozent der Nennungen mit dem gleichnamigen Kinofilm aus dem vergangenen Jahr zu tun gehabt.

Nur ein einziges Mal sei das Wort "Muppet" für Kunden verwendet worden - in einer Email an Smith. Dabei sei es aber nicht darum gegangen, die Kunden abzuzocken, sondern ihnen das Geschäft noch einmal zu erklären, zitierte die FT aus dem Bericht.

Die Verantwortlichen bei Goldman sehen in dem NYT-Artikel von Smith daher vor allem einen Rachakt. Er sei ein solider Mitarbeiter, aber nicht geeignet für eine Beförderung, hätten ihm zwei Vorgestzte zuvor bescheinigt. Außerdem sei er wohl mit seinem letzten Bonus unzufrieden gewesen, berichtete die FT.

Im ersten Kapitel seines Buches erzählt Smith nun, wie er und die anderen 74 Praktikanten zwei Mal in der Woche in einem großen Meeting von erfahrenen Tradern ausgefragt wurden. Es sei hart gewesen, ein "Boot-Camp" für die Super-Elite, manchmal seien die Praktikanten heulend rausgelaufen - aber: "Sie haben uns beigebracht, wie man mit einem harten Kunden am Telefon umgeht."

Viele Passagen widmet der Ex-Banker auch der Tatsache, dass es im Handelssaal weniger Stühle als Praktikanten gibt. Aber auch das deutet er als Lehrstunde: Es habe den Praktikanten gezeigt, dass sie initiativ werden müssten, sich nicht einfach an die Fersen eines Bankers hängen könnte.

Große Enthüllungen über die Machenschaften in der Bankenwelt, wie von vielen erwartet, gibt es auf den ersten Seiten des Buches nicht. Es liest sich eher wie eine Liebeserklärung an den ehemaligen Arbeitgeber. Positiv gewendet, bereitet es vielleicht die Fallhöhe für die späteren Kapitel.

Negativ ausgelegt, bietet es wenig Spannung und Überraschung. Oder wie das Wallstreet Journal am Montag feststellte: "Das erste Kapitel ist, um es vorsichtig zu sagen, langweilig."

Dem Geschäft der Großbank haben die schlechten Nachrichten ebenfalls nicht geschadet: Das Unternehmen profitierte im dritten Quartal von der Erholung der Finanzmärkte und wies einen Gewinn von 1,5 Milliarden Dollar aus. Im vergangenen Jahr hatte Goldman im dritten Quartal noch einen Verlust von 428 Millionen Dollar gemacht.

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