Brüssel:Mehr Zeit für Lissabon

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Die Kommission billigt Portugals strittigen Finanzplan. Das ergab eine Sondersitzung der Behörde. Aber die Risiken seien noch nicht aus der Welt.

Von Thomas Kirchner, Brüssel

Die EU-Kommission hat Portugals Haushaltsplan trotz starker Bedenken vorerst gebilligt. Nach einer Sondersitzung erklärte die Behörde am Freitag, die von der Regierung in Lissabon angekündigten Einsparungen ließen zwar erwarten, dass das Land die europäischen Empfehlungen nicht erfülle könne. Doch liege die Abweichung in einem Bereich, der im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts noch toleriert werden könne. "Die Risiken sind nicht aus der Welt geräumt", sagte EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici. "Wir werden das sehr genau im Auge behalten."

Portugal hatte den Haushalt wegen der komplizierten Regierungsbildung erst vor zwei Wochen eingereicht. Die Kommission forderte vergangene Woche Nachbesserungen, seither liefen intensive Verhandlungen. Brüssel rechnet in der jüngsten Vorausschau auf der Basis der portugiesischen Angaben mit einem Staatsdefizit von 3,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im laufenden Jahr. Der Internationale Währungsfonds erwartet 3,2 Prozent. Die Maastricht-Kriterien lassen nur drei Prozent zu. Die von dem Sozialdemokraten Antonio Costa geführte Minderheitsregierung hat versucht, den strengen Sparkurs ihrer konservativen Vorgänger abzumildern. Kurz nach Amtsantritt erhöhte sie den Mindestlohn und die Gehälter im öffentlichen Dienst. Nach Ansicht der Kommission verstieß der erste Haushaltsentwurf gegen die Regeln. Umstritten war auch die nach Brüssler Ansicht übermäßig optimistische Wachstumsannahme Lissabons.

Die Portugiesen hätten seit vergangenem Samstag drei Sparvorschläge eingereicht, sagte Moscovici: zunächst 515 Millionen Euro, dann 475 und am Freitagabend noch einmal 135 Millionen, die den Ausschlag gegeben hätten. Von dieser Summe akzeptierte die Kommission 845 Millionen. "Wir haben uns das sehr genau angeschaut", sagte Moscovici, "hier geht es ja um die Glaubwürdigkeit." Letztlich habe man über einen Dialog aber mehr erreicht, als man mit einer Zurückweisung des Haushaltsentwurfs hätte erreichen können. Das sei auch gut für die Euro-Zone, denn andernfalls wäre mit negativen Reaktionen der Finanzmärkte zu rechnen gewesen. Im Mai will die Kommission Portugals Anstrengungen neu bewerten.

© SZ vom 06.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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