Brexit:Das stärkste Beben seit der Finanzkrise

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  • An den Finanzmärkten hat das Votum der Briten für einen Brexit heftige Reaktionen ausgelöst. Vor allem die Kurse von Banken brachen ein.
  • Großbritanniens Notenbank kündigt an, mehr als 250 Milliarden Pfund bereitzustellen, um die Lage an den Finanzmärkten zu stabilisieren.

Es war kurz nach 23 Uhr, als sich das Entsetzen breitmachte: Während die Nachrichtenagenturen noch vage Anzeichen dafür sahen, dass die EU-Befürworter vorne lägen, machte sich das britische Pfund bereits auf den Weg nach unten. Erst langsam, dann immer schneller. Den vorläufigen Tiefpunkt erreichte die Währung gegen halb fünf am Morgen, da kostete ein Pfund nur noch 1,2030 Euro. Es war der tiefste Stand seit der Finanzkrise - im Vergleich zum Dollar sogar der tiefste Stand seit 1985.

Seit Monaten hatten sich die Finanzmärkte auf den Brexit eingestellt. Signalisierten Umfragen, dass ein Verbleib Großbritanniens in der EU wahrscheinlicher werde, wurde dies mit Kursanstiegen belohnt. Rückte in den Prognosen ein Brexit näher, ging es abwärts. "Einpreisen" nennen das die Experten, wenn sich mögliche zukünftige Ereignisse bereits in den aktuellen Kursen widerspiegeln. Ausgerechnet in den vergangenen Tagen hatte sich viel Hoffnung breitgemacht. Die Wettquoten der Buchmacher signalisierten das Scheitern des Brexit-Plans so deutlich, dass die Kurse allerorts stiegen. Nun ist alles anders gekommen, darum fällt an diesem Freitag die Reaktion an den Finanzmärkten so heftig aus.

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Der Dax etwa brach zu Handelsbeginn gleich um zehn Prozent ein. Es war einer der größten Verluste in der Geschichte des deutschen Aktienmarktes. Zum Vergleich: Am 15. September 2008, dem Tag der Lehman-Pleite, verlor der Dax zeitweise knapp fünf Prozent und schloss 2,7 Prozent tiefer. Und am 16. Oktober 1989 stürzte der Dax um 13 Prozent ab - es ist bis heute der größte Tagesverlust des Aktienindexes. Der Euro verlor bis zum Nachmittag gut zwei Prozent.

Besonders deutlich fielen die Kursrückgänge an diesem Freitag bei den Banken aus. Die Aktien der Deutschen Bank etwa sackten zeitweise um 17 Prozent ab. Aber auch mit den Aktien der Autohersteller ging es teils mit zweistelligen Prozentwerten abwärts. Später erholte sich der Dax leicht, am Nachmittag lag er aber immer noch mit 7,5 Prozent im Minus.

Noch drastischer fielen die Kursrückgänge in Großbritannien aus: Aktien wie die der Bauunternehmen Taylor Wimpey und Persimmon, der Lloyds Bank oder von Easyjet verloren teils mehr als ein Fünftel ihres Werts. Gerade die Bauwerte stehen im Fokus der Anleger, weil Experten nach dem Brexit eine Abkühlung des überhitzten Immobilienmarktes in Großbritannien prognostizieren.

Allerdings konnte sich der britische Aktienmarkt insgesamt vergleichsweise gut halten. Der Index FTSE-100 verlor mit knapp fünf Prozent weniger als viele andere europäischen Börsen. Einer der möglichen Gründe dafür: Die britischen Unternehmen profitieren von dem starken Verlust des Pfund, denn sie können nun ihre Waren günstiger ins Ausland verkaufen.

Die Verluste an den New Yorker Börsen fielen vergleichsweise moderat aus: Der Dow verlor im frühen Geschäft 2,4 Prozent, die Nasdaq 2,8 Prozent.

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Zuflucht suchten Anleger - wie meist in solchen Momenten - beim Gold, das gleich um fünf Prozent zulegte. Aber auch deutsche und britische Anleihen waren gefragt.

Die Verluste an den Finanzmärkten durch das Referendum in Großbritannien sind gleichwohl enorm: Ein Experte der DZ Bank rechnete aus, dass der Börsencrash an diesem Freitag fünf Billionen Dollar an Marktwert vernichtet habe. Allein in Deutschland hätten sich durch die Kursrückgänge 95 Milliarden Euro in Luft aufgelöst.

Um Ruhe zu verbreiten, wandte sich der britische Notenbankchef Mark Carney nach der Rücktrittserklärung von Premierminister David Cameron in einer Fernsehansprache an das britische Volk. Er sagte, dass nun eine Phase der "Unsicherheit und Anpassungen" unvermeidlich sei. Er verwies aber auch darauf, dass die Kapitalausstattung der britischen Banken erheblich besser sei als vor der Finanzkrise und dass die Bank of England notfalls mehr als 250 Milliarden Pfund bereitstellen werde, um die Lage an den Finanzmärkten zu stabilisieren.

Und auch die Europäische Zentralbank hat noch mal bekräftigt, dass sie für die Folgen an den Finanzmärkten gewappnet sei. Die EZB "steht bereit, zusätzliche Liquidität zur Verfügung zu stellen, wenn dies nötig sein sollte", teilte die Zentralbank mit.

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