Brexit:Champagner, aber lauwarm

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Erst mal abwarten: Nicht nur die Gegner eines EU-Austritts Großbritanniens beobachten die Entwicklungen mit Sorge. (Foto: Mary Turner/Getty Images)

Was kommt nach dem Brexit? Die Fondsbranche kann sich nicht so richtig über ihre Erfolge freuen. Denn die Unsicherheit ist groß.

Von Katharina Wetzel

In der Investmentfondsbranche kommt derzeit keine allzu große Freude auf. Die Zahlen im ersten Quartal sind zwar gut. Das europaweit in Investmentfonds verwaltete Vermögen stieg von 9,4 Billionen Euro auf 10,6 Billionen Euro an. Die zunehmende Regulierung und der Brexit bereiten der Branche aber Sorgen. "Eigentlich ist Champagner-Stimmung. Doch es kann ja nicht jedes Jahr ein Rekordjahr wie 2015 sein", sagt Detlef Glow, Leiter der Fondsanalyse bei Thomson Reuters Lipper.

Bei näherer Analyse zeigt sich: "Es gibt nur wenige Gewinner, viele sind enttäuscht", sagt Glow. Dabei gehörten nicht nur große Anbieter zu denjenigen, die sich über Zuflüsse freuen können. Im Vorteil seien Finanzinstitute wie Deka oder Union Investment, die einen eigenen Vertriebskanal haben, aber auch kleine, feine Nischenanbieter wie Flossbach von Storch, sagt Glow und zitiert einen immer noch gültigen Spruch der Branche. "Performance brings you in the game, service keeps the money flowing." Was darauf hinweist, dass Anleger vor allem Anbieter wählen, die in der Vergangenheit eine gute Performance hingelegt haben, obwohl der Rückspiegel-Blick noch nichts über die Zukunft aussagt. Nach der Performance ist der Service das entscheidende Kriterium für die Fondsauswahl. "Professionelle Investoren warten nicht zwei Tage, bis ihre Anfragen beantwortet werden", sagt Glow.

Vor diesem Hintergrund ist der Brexit durchaus ein Thema, mit dem sich Fondshäuser beschäftigen müssen. "Britische Fondsgesellschaften werden gebeutelt sein, wenn sie keine europäische Produktpalette haben. Sie müssen eine eigene Präsenz in der EU aufbauen oder Ucits-kompatible Produkte haben", meint Glow. Die Richtlinie Ucits regelt, in welche Vermögensgegenstände und Finanzinstrumente eine Fondsgesellschaft investieren darf. Anleihenfonds waren im ersten Quartal die meistverkaufte Produktgruppe laut Thomson Reuters Lipper, aber auch Themen wie Immobilien und Infrastruktur werden nachgefragt. "Institutionelle Anleger sind auf der Jagd nach Rendite. Davon profitieren alternative Investments", sagt Florian Martin, Geschäftsführer des Grünwalder Asset Managers KGAL Capital. Auch die Regulierung Solvency II verstärke die Nachfrage alternativer Anlagen. Versicherer sind demnach angewiesen, ihre Anlagen stärker zu diversifizieren. Das treibt Nischenanbietern mehr Geschäft zu.

Der schlimmste Fall wäre ein harter Brexit. Alle hoffen, dass es nicht so weit kommt

Für große Unsicherheit sorgt indes das Brexit-Votum. Anders als einige Banken, die schon Standortverlagerungen angekündigt haben, ist die Investmentfondsbranche noch zurückhaltend. "Derzeit warten viele noch ab, wie hart die Brexit-Karte gespielt wird. Im Moment ist ja noch alles beim Alten", sagt Martin.

Zu den wenigen, die sich bereits geäußert haben, gehört das britische Fondshaus Columbia Threadneedle Investments. "Unser Hauptsitz für Europa wird weiterhin in London bleiben", sagt Dominik Kremer, Vertriebsleiter bei Columbia Threadneedle. Dies gelte auch für die große Mehrheit der Mitarbeiter. "Als Investoren sind wir natürlich besorgt über die Auswirkungen des Austritts Großbritanniens aus der EU", sagt Kremer. Eine Rückkehr des Protektionismus in Europa schaffe weltweit nur mehr Unsicherheit und Gegenwind für die wirtschaftliche Entwicklung. Die direkten Auswirkungen des Brexit schätzt Kremer für sein Fondshaus jedoch als relativ gering ein. Denn Columbia Threadneedle ist mit zehn Niederlassungen in Europa vertreten, unter anderem in Luxemburg, Paris, Frankfurt, Mailand, Madrid und Wien. "Wir sind also in der guten Lage, bei jeder Veränderung rasch reagieren zu können", sagt Kremer.

Wer als britische Kapitalverwaltungsgesellschaft im Raum der europäischen AIFM-Richtlinie über eine lizenzierte Tochtergesellschaft im Konzern verfüge, habe kein Problem, meint Aykut Bußian, Partner bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Baker Tilly. "Die meisten haben das aber nicht", sagt Bußian. Insbesondere Fondsanbieter, die bislang nur am britischen Markt angesiedelt waren und von dort aus ihre Geschäfte im EU-Raum betrieben haben, müssen sich wappnen. Als schlimmster Fall wird derzeit ein harter Brexit angesehen, also ein unkontrollierter Austritt Großbritanniens aus der EU. Doch davon will niemand in der Branche ausgehen. "Derzeit hoffen alle auf Ausnahmevorschriften und versuchen, Lücken auszuspähen", sagt Bußian.

Steven Maijoor, Chef der Europäischen Wertpapieraufsicht Esma, warnte kürzlich laut Presseberichten vor Stabilitätsrisiken, falls bis nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU im März 2019 keine ausreichenden Regeln gelten. Ende Mai / Anfang Juni will die Esma eine Stellungnahme veröffentlichen, die auch klären soll, wie die nationale Aufsicht künftig sichergestellt werden kann, wenn Aktivitäten aus Großbritannien in die EU verlagert werden. Ein Ziel sei es, regulatorische Arbitrage, also das Ausnutzen günstigerer Standortbedingungen, zu verhindern. Dabei werde auch diskutiert, ob Auslagerungen möglicherweise begrenzt werden können.

Sicher ist: "Institutionelle Anleger dürften interessiert daran sein, regulierte Anlagen nach europäischen Standards zu haben", sagt Florian Martin. Ausländische Fondshäuser aus den USA oder aus Australien werden sich nach Alternativen umsehen. Der ohnehin schon beliebte Fondsstandort Luxemburg könnte davon profitieren. Denkbar sind aber auch Kooperationen. "Eine Möglichkeit wäre auch eine Art "Lizenz-Sharing" über ein Joint Venture. Es bleibt abzuwarten, wie dann die Aufsicht diese Modelle beäugt", sagt Martin.

Ein Trost bleibt: Ab 2018 greift der Drittstaatenpass. Fondsanbieter aus Drittstaaten wie etwa den USA können sich dann im AIFM-Raum direkt lizenzieren lassen. Das Zulassungsverfahren dauere jedoch mindestens sechs Monate, sagt Bußian. Eine Champagner-Stimmung will da einfach nicht aufkommen.

© SZ vom 16.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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