Breitbandausbau in Deutschland:Wenn das Internet aus der Leitung tröpfelt

Lesezeit: 4 Min.

Glasfaserleitungen in Frankfurt am Main. (Foto: picture alliance / dpa)
  • Während Ballungsräume gut versorgt sind, tropft das Internet in vielen ländlichen Regionen mit nicht mal zwei Megabit pro Sekunde aus der Leitung.
  • Für einen Ausbau fehlt das Geld. Dabei hatte die Bundesregierung allen deutschen Haushalten 50 Megabit pro Sekunde versprochen. 2018 sollte es soweit sein.
  • Wo sich das Verbuddeln von Kabeln nicht lohnt, soll Funk helfen. Doch die Frequenzen werden häufig von Rundfunkanstalten genutzt.

Von Varinia Bernau, München

Wenn sie gar nicht mehr weiterwissen, fragen sie Franz Frauenhoffer. Der 54-Jährige kennt sich mit Technik aus. Er weiß, wie man Kontakte knüpft und Geld auftreibt. Lange hat er beim Autokonzern Daimler internationale IT-Projekte gestemmt. Dann musste er aus gesundheitlichen Gründen in Rente gehen, bekam eine Abfindung von 300 000 Euro und sagte sich: "Ehe der Staat die Hälfte davon kassiert und damit macht, was er will, investier' ich das Geld doch lieber dort, wo ich es für sinnvoll halte."

Gemeinsam mit seiner Frau gründete Frauenhoffer vor sieben Jahren eine Stiftung, die Dörfern in seiner schwäbischen Heimat hilft, an einen schnellen Internetanschluss zu kommen. 150 Gemeinden hat er bereits ans Netz gebracht.

Erde muss aufgerissen werden

Eigentlich ist es absurd, dass es in diesem Land Menschen wie Franz Frauenhoffer braucht. Schließlich hat die Bundesregierung versprochen, dass bis 2018 alle deutschen Haushalte Zugang zum Internet mit einer Downloadgeschwindigkeit von 50 Megabit pro Sekunde bekommen sollen. Zwei Drittel aller Haushalte haben schon ein solches schnelles Internet, der Rest wartet noch auf Anschluss. Ob der bis 2018 Wirklichkeit wird - wie von der Bundesregierung versprochen -, ist ungewiss. Deshalb braucht es Menschen wie Franz Frauenhoffer. Bürger, die das, was die Regierung nicht schafft, selbst anpacken, gerade auf dem Land.

Während Ballungsräume gut versorgt sind, tropft das Internet in vielen ländlichen Regionen mit nicht mal zwei Megabit pro Sekunde aus der Leitung. Gerade dort müsste über weite Strecken die Erde aufgerissen werden, um Kabel zu verlegen. Das Geld für diese Investitionen können die Unternehmen in Gegenden, wo nur wenige Menschen leben, nur schwer wieder verdienen: 60 000 bis 70 000 Euro werden pro Kilometer benötigt. Deshalb stockt der Ausbau. Insgesamt, so eine Schätzung aus dem vergangenen Jahr, würde die von der Bundesregierung versprochene Versorgung gut 20 Milliarden Euro kosten. Allein die letzten fünf Prozent aller Haushalte anzuschließen, verschlingt demnach knapp acht Milliarden Euro.

Doch es mangelt nicht nur am Geld, vielerorts mangelt es auch an Wissen und am guten Willen. Das zeigt der Einsatz von Franz Frauenhoffer, der oft doch noch möglich macht, was unmöglich zu sein scheint. Mal treibt er eine vermögende Spenderin auf, die das Verlegen von Glasfaserkabeln finanziert. Mal schlägt er vor, die oberirdische Leitung eines Energieversorgers anzuzapfen. Und wieder ein anderes Mal findet er raus, wo noch Wasserrohre liegen, die man für die Kabel nutzen und so die Kosten senken könnte.

Die Bundesregierung hofft, dass Gegenden, in denen sich das Verbuddeln von Kabeln nicht lohnt, erst einmal per Funk ans schnelle Netz gebracht werden können. Deshalb hat sie vor Kurzem beschlossen, dass bei der Versteigerung von Funkfrequenzen im kommenden Frühjahr auch das Spektrum im Bereich von 700 Megahertz unter den Hammer kommen soll. Diese Funkwellen tragen besonders weit, sodass sich große Gebiete auch mit wenigen Masten gut versorgen lassen.

Dennoch hat die Sache einen Haken: Diese Frequenzen werden derzeit von den Rundfunkanstalten genutzt - und die zweifeln daran, dass sich die Frequenzen so schnell räumen lassen. Die Rundfunkanstalten in vielen Nachbarländern geben dieses Spektrum erst deutlich später frei als Deutschland. Dies könnte gerade in Grenzregionen auch den Handyempfang deutlich stören. Selbst bei den Mobilfunkunternehmen ist man skeptisch, ob sich die 700er-Frequenzen so schnell für die Datenübertragung nutzen lassen. Die Firmen drängen deshalb darauf, dass sich die Bundesregierung auf europäischer Ebene für eine einheitliche Regelung einsetzt, ehe sie strenge Vorgaben zur Versorgung macht.

Zwar haben Bund und Länder sich darauf verständigt, dass sie die Erlöse aus der Frequenzauktion im nächsten Jahr je zur Hälfte aufteilen und in den Netzausbau oder den Digitalsektor stecken wollen. Doch auf Bundesebene glaubt man nicht so recht, dass die Länder dasselbe Ziel verfolgen. So ist nicht festgelegt, wie das Geld quer über die Republik verteilt wird. Damit bleibt offen, ob gezielt jene Gegenden versorgt werden, in denen das Internet besonders langsam ist, oder eben nicht. Zudem dürfen die Länder mit dem Geld zum Beispiel auch Unternehmen unterstützen, die an neuen Diensten im Netz tüfteln. Das konnten sie im Ringen um die 700er-Frequenzen herausgeschlagen, da sie als Wächter über die Rundfunkanstalten auch über dieses begehrte Spektrum wachen.

Noch ist unklar, wie viel Geld die Auktion bringen wird. Klar ist aber immerhin, dass es nicht reichen dürfte, um alle Haushalte binnen der nächsten drei Jahre an ein schnelles Netz zu bringen. Beobachter gehen inzwischen davon aus, dass am Ende ein Betrag von nur etwa einer Milliarde Euro übrig bleiben wird. Ein Klacks - angesichts der etwa 20 Milliarden Euro, die nötig wären, um alle Haushalte mit schnellem Internet zu versorgen.

Die Unternehmen, die der für den Netzausbau zuständige Minister Alexander Dobrindt (CSU) in die Pflicht nimmt, haben fürs nächste Jahr Investitionen von acht Milliarden Euro angekündigt, die Hälfte davon sollen allein von der Deutschen Telekom kommen. Doch das Geld fließt nicht zwangsläufig in den Ausbau auf dem Land. Es dürfte auch dazu dienen, gute Netze noch besser zu machen, um sich gegen die harte Konkurrenz etwa in den Großstädten zu behaupten. Denn dort wird das Geld verdient. Die Regierung wird also darauf achten müssen, dass die Unternehmen, die bei der Auktion zum Zuge kommen, sich auch an die Auflage halten, sich verstärkt um unterversorgte Gebiete zu kümmern. Oder sie wird Fördermittel an anderer Stelle auftreiben müssen.

Deutschland "bei der Glasfaserquote europaweit an letzter Stelle"

Immerhin stehen die Chancen gut, dass ein erheblicher Teil des Zehn-Milliarden-Investitionspakets der Bundesregierung in den Netzausbau fließt. Dies ist auch ein wesentlicher Punkt auf der Liste jener Projekte, mit denen sich Deutschland an der geplanten Investitionsoffensive der Europäischen Union beteiligen will. Die EU will Unternehmen und Anlagegesellschaften Investitionen schmackhaft machen, indem sie ihnen gegen eine Gebühr einen Teil des Verlustrisikos abnimmt. Allerdings ist auf der Liste, die nun in Brüssel eingereicht wurde, neben einzelnen Vorhaben zum Netzausbau bereits ein entscheidender Einwand notiert: Finanzierungsschwierigkeiten und geringe Gewinne in der Zukunft. Vor diesem Hintergrund dürfte es schwierig werden, Investoren zu gewinnen.

"Wir liegen bei der Glasfaserquote europaweit an letzter Stelle", warnt Lars Klingbeil, Netzpolitiker der SPD. "Allein das zeigt, wie groß der Investitionsbedarf ist. Wir brauchen dringend mehr öffentliche Mittel für den Breitband-Ausbau." Man kann es also drehen und wenden, wie man will: Das Geld, das bislang an verschiedenen Stellen für den Netzausbau vorgesehen ist, reicht einfach nicht. Und ganz ohne Geld kann auch Franz Frauenhoffer nichts ausrichten.

© SZ vom 23.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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