Wirecard-Skandal:Braun will gegen Bundestag vor Gericht gehen

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Der Plenarsaal im Bundestag. Ein Untersuchungsausschuss soll Licht in den Wirecard-Skandal bringen. (Foto: F. Anthea Schaap /imago images)

Ex-Wirecard-Chef wehrt sich gegen Vorladung in den Untersuchungsausschuss, doch der bleibt hart.

Von Klaus Ott, Sebastian Pittelkow und Katja Riedel, Berlin

Seit fast vier Monaten sitzt Markus Braun, der ehemalige Vorstandschef der pleite gegangenen Wirecard AG, in der Justizvollzugsanstalt in Augsburg-Gablingen in Untersuchungshaft. Dort will er diese Woche auch unbedingt bleiben, statt von Polizeibeamten nach Berlin gebracht und dort im Wirecard-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags aussagen zu müssen. Brauns Anwalt Alfred Dierlamm hat in einem Schreiben an den Bundestag angekündigt, beim Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe Einspruch gegen eine "zwangsweise Vorführung" seines Mandanten einzulegen.

Dierlamm hält es in Zeiten der Corona-Pandemie vom Bundestag für "unverantwortlich" auf Brauns Erscheinen in Berlin zu beharren, statt seinen Mandanten per Video zu befragen. Der Untersuchungsausschuss gibt aber nicht nach. Der Vorsitzende des Ausschusses, Kay Gottschalk (AfD), legt Wert darauf, dass sich das Gremium ein direktes Bild vom Ex-Konzernchef machen kann. Der "persönliche Eindruck", den ein Zeuge bei einer Befragung im Ausschuss mache, sei "kaum gleichwertig" mit einer Videoübertragung. Zudem könnte der Untersuchungsausschuss ansonsten wie eine "beliebige Videokonferenz" wahrgenommen werden, warnt Gottschalk in einem Brief an die übrigen Mitglieder des Gremiums. Bereits am Sonnabend hatten Union und SPD sowie die Oppositionsparteien FDP, Linke und Grüne mitgeteilt, dass durch die Anwaltsschreiben "keine neue Sachlage" entstanden sei. Man werde sich "nicht beeindrucken lassen".

Der Ausschuss ist sich einig, dass der Bundestag Gesundheit und Sicherheit der Zeugen gewährleisten kann. Die Pandemie halten sie nicht für einen Grund, auf das persönliche Treffen zu verzichten. Viele Menschen setzten sich täglich Risiken in Krankenhäusern, Schulen und im öffentlichen Nahverkehr aus und müssten auch ihre Gesundheit gegen andere Güter abwägen, schreibt Gottschalk. Neben Braun sollen auch zwei weitere Ex-Manager von Wirecard, die ebenfalls in Bayern in Untersuchungshaft sitzen, als Zeugen vorgeführt werden.

Der Kronzeuge will Rede und Antwort stehen - aber erst später

Nach der Ankündigung von Brauns Anwalt Dierlamm, er werde bis zum Bundesgerichtshof (BGH) nach Karlsruhe gehen, muss voraussichtlich der dort zuständige Ermittlungsrichter im Wege eines Eilverfahrens über die Vorladung der drei früheren Wirecard-Manager entscheiden. Braun will zumindest per Video aussagen, seine beiden Ex-Kollegen wollen hingegen keinerlei Angaben machen. Sie berufen sich darauf, dass sie als Beschuldigte in einem Strafverfahren das Recht haben, die Aussagen zu verweigern. Einer der beiden ist der Kronzeuge der Staatsanwaltschaft München I.

Der Kronzeuge, er war früher Chef einer Wirecard-Tochterfirma in Dubai am Persischen Golf, hat bei den Ermittlern umfassend ausgesagt und Braun wie auch andere ehemalige Kollegen schwer belastet. Das hat zu Brauns Inhaftierung geführt. Der mutmaßliche Haupttäter hingegen, Ex-Vorstand Jan Marsalek, ist untergetaucht. Nach ihm wird weltweit gefahndet. Es gibt Hinweise darauf, dass er sich in Russland versteckt, aber sicher ist das nicht. Die Staatsanwaltschaft wirft Braun und den anderen Beschuldigten Betrug in Milliardenhöhe, Bilanzfälschung, Manipulation des Aktienkurses und Veruntreuung von Konzernvermögen vor. Braun weist alles zurück.

Der Kronzeuge hat über seinen Anwalt dem Bundestag mitgeteilt, er sei "grundsätzlich gerne bereit, dem Untersuchungsausschuss Rede und Antwort zu stehen", aber erst später. Jetzt werde er umfassend von seinem Recht Gebrauch machen die Aussage zu verweigern. Die Vertreter von FDP, Linken und Grünen im Ausschuss, Florian Toncar, Fabio De Masi und Danyal Bayaz, sehen das anders. Der Kronzeuge könne vermutlich Fragen beantworten, bei denen es nicht um eine strafrechtliche Schuld, sondern um die "Klärung politischer und behördlicher Verantwortung" gehe.

Toncar, De Masi und Bayaz beharren in einer gemeinsamen Erklärung auf dem Erscheinen von Braun und den anderen beiden inhaftierten Ex-Managern. Sie glauben ebenso wie Ausschusschef Gottschalk, dass sie die Bedenken der Staatsanwaltschaft München I ausräumen können. Die Staatsanwaltschaft warnt vor Infektionsgefahren und sorgt sich um die Sicherheit der drei Beschuldigten. Brauns Anwalt Dierlamm wiederum hat dem Bundestag geschrieben, eine Vorführung von Braun in Berlin würde angesichts der zahlreichen damit verbundenen Kontakte zu einem hohen Ansteckungsrisiko führen und damit auch die Anstalt in Augsburg-Gablingen gefährden. Sollte das Virus in die Anstalt eingeschleppt werden, würde das zu einer "massiven Gefährdung einer Vielzahl von Menschen führen".

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