Nach Corona:Glattes Parkett

Lesezeit: 1 min

Eine Frage, eine Antwort: Kann man auch in Corona-Zeiten an die Börse gehen?

Von Victor Gojdka, Frankfurt

Wer als Besucher an die Börse gehen und einen Blick auf das Frankfurter Parkett erhaschen will, wird es aktuell schwer haben. Das Besucherzentrum? Geschlossen. Die Zugangskriterien für den Börsensaal? Hochgestuft. Seit Corona wirkt das Parkett noch toter, als es wegen des übermächtigen Computerhandels schon lange war.

Nun meinen Finanzprofis mit dem Wort "Börsengang" natürlich nicht den Besuch des örtlichen Turnvereins am Börsenplatz, sondern eine andere Angelegenheit: Wenn Firmen ihre Aktien erstmals an der Börse handeln lassen. Das Prinzip klingt verlockend, gerade in Corona-Zeiten. Unternehmen können Anteilsscheine ausgeben - und von Anlegern dafür Geld bekommen. Wer will das nicht?

Aber der Markt für Börsengänge ist zumindest in Deutschland dieses Jahr ähnlich eingeschlafen wie der Besucherverkehr am Parkett. Die Kurskapriolen im Frühjahr haben vielen Unternehmen ihre Börsenpläne erstmal madig gemacht.

Daran änderte auch der Geldhunger vieler Firmen in der Corona-Krise nichts. Denn bis ein Börsengang geplant ist, dauert es oft sechs Monate - vorneweg. Wer hingegen die Hausbank um Kredit bittet oder Anlegern am Anleihemarkt einen guten Zins verspricht, kann schneller an neues Geld kommen. Gerade in der Corona-Krise.

In Zahlen heißt das: Das Volumen der europäischen Börsengänge hat sich im ersten Halbjahr 2020 halbiert, im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. als der Markt nun wieder etwas in die Gänge zu kommen schien, erlitten die globalen Börsen im September wieder einen Wolkenbruch, was den Rüstungselektronikern von Hensoldt und den Caravanbauern von Knaus Tabbert in der abgelaufenen Woche prompt ihre Börsengänge verhagelte. Manch künftigen Parkett-Kandidaten dürfte das skeptisch stimmen.

Anderswo auf dem Globus sieht es anders aus: So sammelte das Datenspeicher-Unternehmen Snowflake an der US-Börse gerade 3,4 Milliarden Dollar ein. In Hongkong will das Finanzunternehmen Ant Financial den größten Börsengang der Geschichte stemmen. Geht doch, könnte man sagen.

Doch Kurszuckungen irritieren hiesige Anlegern eben leichter. Bei Börsengängen sind die Deutschen als gebrannte Kinder des Neuen Marktes vorsichtiger. Viele hiesige Unternehmer hatten sowieso nie Lust auf kurzatmige Quartals-Huberei.

Die Deutsche Börse greift nun zu architektonischen Mitteln, um Firmenlenker ans Parkett locken: Künftig können die Chefs zum Börsengang eine Art Showtreppe herunterstolzieren. Das Wort Börsen-Gang haben sie offenbar wörtlich genommen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: