Biotechnologie:Rein und wieder raus

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Nervosität in der Biotechnologie-Branche: Der Markt bangt um Arzneimittel-Zulassungen - da schlägt jedes Gerücht riesige Wellen.

Kristina Läsker

Die Stimmung in der Biotechnologie-Branche ist nervös, und so reagieren die Kurse der 19 börsennotierten deutschen Firmen mit heftigen Ausschlägen auf jede Nachricht. Die Aktie der gebeutelten Münchner Firma GPC Biotech legte am Mittwoch in der Spitze um mehr als 64 Prozent zu. Zuvor hatte Die Zeit berichtet, es bahne sich eine Fusion zwischen GPC und dem auch auf Krebsmedikamente spezialisierten Betrieb Wilex an. Die Wilex-Aktie stieg zeitweise um gut sieben Prozent.

Strenge Auflagen: Was im Labor ein Erfolg ist, scheitert oft an den Aufsichtsbehörden. (Foto: Foto: dpa)

Beide Firmen und der bei ihnen investierte Milliardär Dietmar Hopp lehnten eine Stellungnahme ab. "Wir kommentieren keine Gerüchte", sagte Hopps Berater Friedrich von Bohlen von der Dievini GmbH der SZ.

Jerini auf Achterbahnfahrt

Hopp hält 18 Prozent an GPC Biotech und 28,52 Prozent an Wilex. Der SAP-Gründer ist an weiteren 14 Biotechnologie-Firmen in Deutschland beteiligt, er ist neben den Brüdern Thomas und Andreas Strüngmann der größte Einzelinvestor in der forschungsintensiven Branche. "Es ist nicht Hopps primäres Ziel, die Firmen zusammenzuschließen", sagte von Bohlen. Es war zuletzt öfter spekuliert worden, inwieweit Hopp Fusionen und Kooperationen zwischen den Firmen anstrebt, an denen er beteiligt ist. Über Vertretungen in Aufsichts- oder Beiräten ist der Milliardär über deren Geschäfte gut informiert.

Auf Achterbahnfahrt ist jüngst auch die Aktie von Jerini gegangen. Der Kurs krachte am 24. April in der Spitze um 68 Prozent zusammen. Zuvor hatte sich die US-Gesundheitsbehörde FDA negativ zur Zulassung eines neuen Medikaments der Berliner Firma geäußert.

Für den heftigen Kursausschlag interessiert sich auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin). Anleger hatten offenbar schon vormittags Aktien verkauft, obwohl die Nachricht von Jerini erst am Nachmittag kam. "Wir werden uns den Handel und den Kursverlauf im Vorfeld der Meldung routinemäßig anschauen", sagte eine Bafin-Sprecherin.

Zahl der Wirkstoffe gesunken

Die Kursausschläge spiegeln die angespannte Stimmung in der Branche wider. Nach millionenschweren Investitionen in den vergangenen Jahren stehen viele Firmen unter Druck, endlich ein eigenes Arzneimittel zuzulassen. Insgesamt warten neben Jerini fünf Firmen auf die Erlaubnis für ein neues Medikament. "Die Entscheidung seitens der Behörden werden noch in diesem Jahr erwartet", heißt es im Biotechnologie-Report von Ernst & Young.

Der Report gilt als Stimmungsbarometer. "Die Branche ist in der Produktentwicklung inzwischen deutlich voran gekommen", so Studienleiterin Julia Schüler. Doch der Report zeigt auch die Schwachstellen der Branche: So ist die Zahl der Wirkstoffe in der Medikamentenentwicklung im vorigen Jahr von 322 auf 316 gesunken.

Viele deutsche Firmen setzten angesichts hoher Forschungskosten lieber auf Dienstleistungen, wie etwa die Gensynthese, anstatt in langjähriger Arbeit eigene Medikamente zu entwickeln. Insgesamt haben sich die Investitionen in Forschung und Entwicklung 2007 um 16 Prozent auf 980 Millionen Euro erhöht. Der Grund sind die hohen Kosten für große Arzneimittelstudien an Patienten für einige wenige Medikamente. Zum Vergleich: Der Umsatz der Branche lag mit gut einer Milliarde Euro knapp über den F&E-Ausgaben. Die Verluste stiegen um sieben Prozent auf 665 Millionen Euro, so Ernst & Young.

"Derzeit keine Börsenkandidaten"

Auch den Gründern ist zuletzt wohl die Lust vergangen: 2007 sind Ernst & Young zufolge nur zehn Betriebe aufgebaut worden - so wenig wie noch nie in der jungen Branche, zu der bis zu 500 Firmen gehören. Dies sei sehr bedenklich, heißt es im Report, "da kein Nachschub an neuen Ideen und Unternehmen erfolgt, die in einer hochinnovativen Branche wie der Biotech-Industrie essentiell sind". Auch viele Investoren sind besorgt: "Die deutsche Biotechnologie-Industrie liegt unverdient am Boden", sagte der Milliardär Thomas Strüngmann der SZ. Die Firmen würden - auch wegen der Rückschläge bei GPC oder Jerini - in Sippenhaft genommen.

An der Börse dürfte sich die Zahl der Betriebe dieses Jahr kaum erhöhen: "Ich sehe derzeit keinen Börsenkandidaten, der als heißer Börsenaspirant gehandelt wird", sagte Schüler. 2007 ist mit Vita34 nur eine Firma an die Börse gegangen. Da dieser Weg versperrt bleibt, suchen viele Firmen nach Wagniskapital, um ihre Forschung zu investieren. Angesichts der Finanzkrise ein fast aussichtsloses Unterfangen.

© SZ vom 8.5.2008/jkf/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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