Biotechnologie:50 Projekte gegen die Krise

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Die Biotech-Branche arbeitet an der Entwicklung von Impfstoffen und Diagnostika. Kapitalgeber scheuen das Risiko.

Von elisabeth dostert, München

Deutsche Biotechnologie-Experten beteiligen sich fleißig am Kampf gegen das Coronavirus Sars-CoV-2 und Covid-19. "Ich war noch nie so stolz, Teil der deutschen Biotechnologie-Landschaft zu sein", sagte Oliver Schacht, Präsident des Branchenverbandes Bio Deutschland am Montag bei der Vorstellung einer gemeinsamen Studie mit dem Beratungsunternehmen Ernst & Young. Mehr als 50 Firmen arbeiten derzeit an Covid-19-Lösungen. Gut ein Fünftel beteiligt sich den Angaben zufolge an der Entwicklung von Impfstoffen, ein gutes Drittel an Therapien und 36 Prozent an der Diagnostik. Der Rest entfällt auf Dienstleister, etwa Firmen, die Reagenzien liefern. Das sei eine beeindruckende Leistung, so Schacht, der auch Vorstandschef des US-Konzerns Opgen, der Anfang April die deutsche Firma Curetis übernommen hat. Das Unternehmen entwickelt Tests zum Nachweis lebensbedrohlicher Infektionen in Krankenhäusern.

Auf der Landkarte des Verbandes stehen Namen wie Biontech und Curevac, die mittlerweile auch einer breiten Öffentlichkeit bekannt sind. Aber auch etablierte Firmen wie Merck oder Boehringer Ingelheim, die selbst Biotechnologie betreiben und in junge Firmen investieren. "Ich glaube schon", sagt Schacht, "dass allen Menschen nun klar geworden ist, dass es ohne Biotechnologie keine Lösung geben wird." Durch die Pandemie sei die Wahrnehmung und Akzeptanz in der Bevölkerung und die Sichtbarkeit in der Politik gestiegen.

Im vergangenen Jahr stieg die Zahl der Unternehmen, die hauptsächlich Biotechnologie betreiben, um drei Prozent auf 668, der Umsatz um zehn Prozent auf 4,87 Milliarden Euro, die Zahl der Beschäftigten um 16 Prozent auf gut 33 700 und die Ausgaben für Forschung und Entwicklung um ein Fünftel auf 1,79 Milliarden Euro. Das liest sich besser als es ist. Eine genauere Betrachtung lohnt, wie die Erläuterungen von Studienautor und EY-Experte Siegfried Bialojan zeigen. Verglichen etwa zu Start-ups, die sich Mobilität, Finanzprodukten, Software oder E-Commerce widmen, bekommen Biotechfirmen nur wenig vom Risikokapital ab. So stiegen die Investitionen von Risikokapitalgebern in deutsche Start-ups 2019 zwar insgesamt um deutlich mehr als ein Drittel auf 6,2 Milliarden Euro - ein Rekordwert, an Biotechfirmen gingen aber nur 95 Millionen Euro. "Es gibt ein krasses Ungleichgewicht in der Kapitalallokation", sagt Bialojan. Die Investoren schätzen ihm zufolge die Risiken der Biotech-Branche hoch ein. "Es dauert lang, kostet viel Geld und das Risiko des Scheiterns ist groß." Um die Branche zu fördern, muss die "Translation" professioneller werden, damit Erkenntnisse aus der Wissenschaft zu Start-ups führen und zu markttauglichen Produkten und vielleicht zu einer Börsennotierung.

Bialojans detaillierter Blick auf die Zahlen zeigt auch, dass 2019 wie schon im Vorjahr "Einzelereignisse" dominieren. 2018 sorgte unter anderem Qiagen dafür, dass die Kapitalaufnahme deutscher Biotech-Firmen auf 1,2 Milliarden Euro sprang. 2019 sank sie auf 865 Millionen Euro. Rund die Hälfte dieses Kapitals holte sich die Mainzer Firma Biontech - erst bei Investoren, dann beim Börsengang im Oktober an die Nasdaq. Mit Centogene aus Rostock landete dort 2019 noch eine weitere deutsche Firma.

© SZ vom 28.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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