Bewusste Manipulation:Wie Facebook seine Nutzer zu Versuchskaninchen degradiert

Lesezeit: 2 Min.

Facebook stellte mit absichtlichen Fehlern in der Android-App die Geduld seiner User auf die Probe. (Foto: Lukas Schulze/dpa)

Mit einem perfiden Experiment testet Facebook die Treue seiner Nutzer - nicht zum ersten Mal.

Von Michael Moorstedt

Man würde ja gerne mehr Positives berichten über die Hausherren des Internet, über Facebook, Google und Konsorten. Aber sie machen es einem halt einfach recht schwer. Wie das Branchenportal The Information berichtet, hat Facebook in einem unangekündigten Experiment die Loyalität und Geduld seiner Nutzer getestet. Dafür bauten die Softwareingenieure absichtlich Fehler in die Android-App des sozialen Netzwerks ein, die das Programm abstürzen ließen und für mehrere Stunden unbenutzbar machten.

Mit dem Selbstsabotage-Experiment, das schon vor einiger Zeit durchgeführt, aber erst jetzt bekannt wurde, wollte Facebook herausfinden, welche Härten seine Nutzer in Kauf nehmen, um weiterhin in dem sozialen Netzwerk aktiv sein zu können. Damit soll für den sogenannten "Android Doomsday" vorgesorgt werden, einem Szenario im Kampf der Internet-Giganten, in dem Google Facebook aus seinem App-Store aussperrt und so automatisch Millionen von Nutzern den Zugang zum sozialen Netzwerk verstellt.

"Die Menschen hörten nicht auf, zurückzukommen"

Sehr wahrscheinlich ist ein solches Szenario momentan nicht. Trotzdem können sich die Interaktionsforscher an der Erkenntnis erfreuen, dass sie es nicht schafften, ihre Nutzer zu vergraulen. "Die Menschen", sagt ein Mitarbeiter, der mit dem Experiment vertraut ist, "hörten nicht auf, zurückzukommen."

Test mit Hunderttausenden Nutzern
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689.003 unfreiwillige Versuchskaninchen: Facebook manipulierte die Startseite der Nutzer, um herauszufinden, wie sie auf emotionale Inhalte reagieren. Das Ergebnis ist wenig überraschend, doch die Kritik an der Studie ist groß.

Von Hakan Tanriverdi

Es ist nicht das erste Mal, dass Facebook mit seinen Nutzern experimentiert. Im Jahr 2014 musste der Konzern zugeben, den Newsfeed von mehreren hunderttausend Nutzern über eine Woche hinweg manipuliert zu haben. Die einen bekamen absichtlich mehr positive, die anderen mehr negative Beiträge zu Gesicht. Die hauseigenen Soziologen wollten so herausfinden, inwieweit die emotionale Stimmung das Nutzungsverhalten beeinflusst. Nicht nur weil die Probanden über das Experiment nicht informiert waren, musste sich Facebook damals harsche Kritik gefallen lassen. Pausenlos demografische Daten zu sammeln, so lautete der Tenor, sei die eine Sache. Die Menschen aber mutwillig traurig zu machen, eine ganz andere.

Im Internet sind Nutzer nicht nur Kunden, sondern das Produkt

Im Internet, so lautet ein mittlerweile gut abgehangenes Bonmot, ist der Mensch oft nicht nur Kunde der Firmen, sondern gleichzeitig auch ihr Produkt. Beispiele wie die Facebook-Experimente zeigen, dass der Nutzer nun noch einen Schritt weiter die Verwertungskette herunterzufallen droht: Immer öfter dient er auch als Versuchskaninchen.

Immerhin hat Facebook zuletzt auf subtile Manipulation verzichtet und seine Markt- und Meinungsmacht ganz ungeniert ausgespielt. Ende 2015 bekamen amerikanische Facebook-Nutzer einen Aufruf zu Gesicht, die Einführung der Initiative "Free Basics" in Indien zu unterstützen. Darunter war ein Link zu einer Blanko-E-Mail, gerichtet an die nationale Telekommunikationsaufsichtsbehörde TRAI.

Free Basics erlaubt es Nutzern, umsonst Facebook und andere, vom Konzern ausgesuchten Seiten wie etwa Wikipedia oder der BBC, besuchen zu können. Ganz ohne Hintergedanken ist das nicht. Mit der kostenlosen Bereitstellung von Basisdiensten will Facebook in dem riesigen Markt Fuß fassen.

Die TRAI hat dieser Initiative zuletzt einen Riegel vorgeschoben. Unter anderem weil Facebooks Version von einem Gratis-Internet gegen das Prinzip der Netzneutralität verstößt, indem es die eigenen Angebote bevorzugt. Die zwangsweise Verlinkung zu der Petition jedenfalls, sei "ein Versehen" gewesen, hieß es kürzlich bei Facebook. Die Ausreden waren schon mal eleganter.

© SZ vom 11.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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