Betriebsräte:Ungeliebt und rausgedrängt

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Der Deutsche Gewerkschaftsbund wirbt derzeit an allen Ecken und Enden des Landes für die Teilnahme an den Betriebsratswahlen. Doch nicht in allen Firmen können Mitarbeiter in diesen Tagen zu den Wahlen gehen.

Sibylle Haas und Silvia Liebrich

Derzeit werden in vielen Unternehmen Betriebsräte gewählt. In einer Begleitkampagne unter dem Motto "Vertrauen ist gut - Betriebsrat ist besser" wollen die Gewerkschaften die Arbeitnehmer an die Wahlurnen bringen.

Der DGB macht sich - wie hier in Dresden - für Betriebsräte stark. (Foto: Foto: dpa)

Selbst die Kirchen machen Werbung. In einer gemeinsamen Erklärung haben der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und die katholische Deutsche Bischofskonferenz zur Stimmabgabe aufgerufen.

Doch nicht in allen Firmen haben Arbeitnehmer die Chance der Wahl. Die Fluggesellschaft Air Berlin gehört dazu. Ihr Chef Joachim Hunold wehrt sich mit aller Macht. Gewerkschaften hält er für "notorische Bremser und Betonköpfe", die er aus dem Unternehmen heraushalten will. "Wir reden selbst mit unseren Mitarbeitern", erklärt Hunold.

"Konstruktiver Dialog schwierig"

Die Gewerkschaft Verdi und die Pilotengewerkschaft Cockpit versuchen schon länger, bei Air Berlin zu landen. "Es ist schwierig, einen konstruktiven Dialog zu führen. Sobald man Kritik äußert, bekommt man Post vom Anwalt", sagt Martin Kirschneck, Sprecher der Pilotengewerkschaft. "Post vom Anwalt bekommt man dann, wenn man Air Berlin verleumdet", sagt dazu ein Sprecher von Air Berlin.

Auf Ablehnung stoßen Betriebsräte auch bei Discountern. Im Lebensmitteleinzelhandel nimmt der Preisdruck zu. "Wer gegen die harten Arbeitsbedingungen und unbezahlte Überstunden aufbegehrt, muss mit Kündigung rechnen", kritisiert Nicole Heroven, Handelsexpertin in der Berliner Verdi-Zentrale.

Die Gewerkschaft wirft den Unternehmen vor, die Wahl von Betriebsräten zu verhindern. "Ohne eine Arbeitnehmervertretung kann niemand überprüfen, ob es rechtmäßig in den Filialen zugeht", sagt die Verdi-Frau.

Aldi nimmt keine Stellung

Bei Aldi Süd gibt es nach Verdi-Angaben in keiner Niederlassung einen Betriebsrat. Versuche, Personalvertreter zu wählen, seien gescheitert. Aldi nimmt grundsätzlich öffentlich keine Stellung.

"Dass Arbeitgeber in Betriebsversammlungen ihren Einfluss geltend machen, um Betriebsräte zu verhindern, ist keine Eintagsfliege", weiß Roland Lukas aus seiner langjährigen richterlichen Tätigkeit. Lukas war Vizepräsident des Arbeitsgerichts Frankfurt und leitet Einigungsstellen.

Bei Lidl gibt es nach Firmenangaben in acht von knapp 2700 deutschen Filialen Betriebsräte. In einem Internetforum von Verdi gab ein vermeintlicher Lidl-Filialleiter anonym angebliche Details aus dem Innenleben des Discounters preis.

Filialleiter seien angewiesen worden, Geldscheine zwischen Obstkisten zu verstecken, um die Ehrlichkeit der Mitarbeiter zu testen, schrieb er unter dem Pseudonym "Keine Ahnung" am 15. März.

"Es ist absurd, dass Filialleiter angewiesen werden, Geldscheine in Obstkisten zu verstecken. Allerdings sind unsere Mitarbeiter angehalten, Fundsachen in Märkten der Filialleitung abzugeben", sagt ein Lidl-Sprecher auf Anfrage.

Internationale Protestaktion

Vor zwei Wochen, zum Frauentag am 8.März, organisierte Verdi eine internationale Protestaktion gegen Lidl. Gewerkschafter besuchten den Angaben zufolge einzelne Filialen in Belgien, Dänemark, Schweden, Tchechien, Polen und in Frankreich. In Frankreich gilt Lidl als der größte Discounter.

Nicht nur die französische Gewerkschaft CGT mobilisiert gegen Lidl, eine Initiative von Datenschützern verlieh dem Unternehmen nach Informationen der Lebensmittel-Zeitung den so genannten Big-Brother-Award, um damit gegen die Videoüberwachung von Lagermitarbeitern zu protestieren.

"Videokameras werden nur dann eingesetzt, wenn ein absolut konkreter Verdacht vorliegt", sagt der Lidl-Sprecher. Dies geschehe aber nur in Abstimmung mit der Kriminalpolizei.

Belegschaft mehrheitlich gegen Betriebsrat

"Der Betriebsrat repräsentiert die gesamte Belegschaft", warb Dietmar Hexel, geschäftsführender DGB-Vorstand, zum Auftakt der Betriebsratswahlen. Das ist allerdings nicht immer der Fall. Der Softwarekonzern SAP ist ein Beispiel dafür. Dort haben unlängst in einer Betriebsversammlung 91 Prozent der Anwesenden gegen einen Betriebsrat gestimmt. Dennoch kann nach dem Betriebsverfassungsgesetz auf Antrag einer Minderheit vom Arbeitsgericht ein Wahlvorstand eingesetzt werden.

Der SAP-Vorstand, der zunächst dagegen aufbegehrte, hat seinen Widerstand inzwischen aufgegeben. Die acht Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat wollen selbst an der Betriebsratswahl teilnehmen und damit der von der IG Metall unterstützten Initiative zuvorkommen.

© SZ vom 18.03.06 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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