Die Mehrzahl der Leser reagiert in den Kommentaren zum Artikel empört - doch es gibt auch die, die resigniert oder zynisch anmerken, dass unsere Arbeitswelt inzwischen eben so sei. Tatsächlich sind Überstunden, Stress und ständiger Konkurrenzkampf auch in anderen Branchen üblich. 2014 hatte es eine heftige Diskussion gegeben, nachdem es in London zwei Todesfälle unter Bankern gegeben hatte. Dennoch: Amazon zieht weiter Mitarbeiter an, wird ihre Zahl in Seattle in den nächsten drei Jahren mutmaßlich verdreifachen. Zurzeit sind es weltweit mehr als 180 000.
Jeff Bezos' Reaktion auf den NYT-Artikel
Inzwischen hat Bezos auf den Artikel reagiert und intern eine Rund-E-Mail verschickt. Er schreibt darin, der Text stütze sich auf Anekdoten und zeichne "nicht das Amazon, das ich kenne". Weiter fordert Bezos die Mitarbeiter auf, ihn zu benachrichtigen, falls sie Fälle wie sie in der NYT geschildert werden, kennen: "Wir dürfen solchen Mangel an Empathie in unserer Firma nicht dulden." Auch das beschriebene Arbeitsklima will Bezos nicht erkannt haben. "Ich glaube nicht, dass irgendeine Firma mit einem solchen Vorgehen überleben könnte", schreibt er und äußert die Hoffnung, dass auch die Mitarbeiter Amazon in dem Artikel nicht wiedererkennen.
Kritik aus der Tech-Branche an den Reportern
In der Branche wird der Blick ins Innere von Amazon kontrovers diskutiert. Forbes-Autor Georg Anders nimmt Bezos zwar in Schutz, schreibt aber, dass er Amazon-Ehemalige kenne und an der "halsbrecherischen Geschwindigkeit" dort sicher etwas dran sei.
Peter Kafka vom Technologie-Portal Recode hält fest, dass einige aus der Branche die Aussage des Artikels in Zweifel zögen. So bemängelte Twitter-Chef Dick Costolo, die Aussagen der Mitarbeiter seien "eindeutig aus dem Kontext" gerissen.
Netscape-Mitgründer Marc Andreessen wiederum ist der Meinung, im Vergleich zu Amazon würden viele andere Jobs die Menschen unterfordern und die deshalb "ihr Potential nicht nutzen".
Der Tenor: Gerade im Silicon Valley, Ursprung des Mythos der Garagenfirmen und Selfmade-Millionäre, arbeiteten die Kreativen eben in einem "intensiven Umfeld". Worauf Kafka anmerkt: Amazon sei schon lange kein Startup mehr.
Anmerkung der Redaktion: Der Artikel wurde um das Statement von Jeff Bezos an seine Mitarbeiter aktualisiert.